Sein oder Design ist nicht mehr Frage, sondern schon Antwort. So schafft die entstellteste Menschheit das höchste Bruttosozialprodukt.

Seht da den Mörder…(Bekenntnis eines Schuldlosen). Von Bernhard Diehl

10. Oktober 2012 | Kategorie: Artikel, Menschenwürde, Zeitzeugnisse/Zeitzeugen

Bernhard Diehl wollte Arzt werden, aber bekam nicht sofort einen Studienplatz. So ging er 1968 als Krankenpflegehelfer für die Malteser nach Vietnam, um das Elend der Menschen zu lindern und arbeitete in einem Hospital, das jeden Monat mehreren tausend Verletzten, Zivilisten wie Soldaten, kostenlos medizinische Hilfe leistete. Aber irgendwie war Bernhard Diehl für den Vietcong trotz des roten Kreuzes  auf der „anderen Seite“. In den Wirren des Krieges  wurde er vom Helfer mit Malteserkreuz zum Gefangenen und vier lange  Jahre festgehalten. Von den fünf gefangenen deutschen Helfern überleben nur zwei.  In der Gefängniseinzelzelle entsteht u.a. das Lied/Gedicht eines Schuldlosen, der wie ein Mörder gehalten wird. Damals war er 23 Jahre alt. Hier klingt der Schrei all derer an, die  auch heute schuldlos in den Gefängnissen der Welt sitzen, von Guantanamo bis Baghram, von Minsk und bis Pjöngjang. Es ist der Schrei,  den ein  Munch gemalt hat, ein Schrei, der im Universum nicht verstummen wird, solange irgendwo auf der Welt der Unschuldige leidet. Der Text ist entnommen dem Band:

Gedichte und Liedertexte

Dr. med. Bernhard J. M. Diehl

August von Goethe Literaturverlag

179 S. TB 2009  (erhältlich über amazon)

 

Seht da den Mörder … (Bekenntnis eines Schuldlosen)

 

Wenn nachts die Ketten rasseln, wach ich auf aus meinem Schlaf,

Denn ich weiß, ein neuer Mörder wird gebracht.

Und dann hör ich Leute lachen, hör Befehle laut und scharf,

und ich denk daran, dass man auch mich verlacht.

 

Seht da, den Mörder! Endlich ist er zahm.

Gefängniszelle, eine wahre Hölle.

Nur wer drin war, kann verstehen, was das heißt.

 

Die Gitterstäbe rosten, der Putz fällt von der Wand,

Und morgens modern Ratten vor der Tür.

Ich sitz´ auf meinem Holzbett,  hab´ Ketten um die Hand,

Nur Brot  und Wasser, sonst gibt´s hier nichts mehr.

 

Seht da, den Mörder! Endlich ist er zahm.

Gefängniszelle, eine wahre Hölle.

Nur wer drin war, kann verstehen, was das heißt.

 

Zweimal am Tage waschen, mal morgens früh um sechs

und dann noch einmal nachmittags um zwei.

Ich fasse einmal Essen und esse wie verhext,

Und dann ist so ein Zellentag vorbei.

 

Seht da, den Mörder! Endlich ist er zahm.

Gefängniszelle, eine wahre Hölle.

Nur wer drin war, kann verstehen, was das heißt.

 

Hier gibt es keine Butter und kein weiches Ei,

Und Wurst hat diese Zelle nie geseh´n.

Ich sammle meine Kippen, mal zwei oder auch drei

Und kann dann aus dem Rest ´ne neue dreh´n.

 

Seht da, den Mörder! Endlich ist er zahm.

Gefängniszelle, eine wahre Hölle.

Nur wer drin war, kann verstehen, was das heißt.

 

Die Decken sind vermottet, die Seife rationiert,

und in dem Holzbett sitzen Wanzen drin.

Mein Pisspott hat zwei Löcher  und wenn ich urinier,

Dann stinkt die ganze Bude nach Urin.

 

Seht da, den Mörder! Endlich ist er zahm.

Gefängniszelle, eine wahre Hölle.

Nur wer drin war, kann verstehen, was das heißt.

 

Warum bin ich gefangen? Was hab ich denn getan?

Wann lasst ihr mich denn endlich mal nach Haus?

Ich schreie diese Fragen, doch keiner stört sich dran… .

Wer hier mal sitzt, kommt nicht so schnell heraus.

 

Seht da, den Mörder! Endlich ist er zahm.

Gefängniszelle, eine wahre Hölle.

Nur wer drin war, kann verstehen, was das heißt.