Sein oder Design ist nicht mehr Frage, sondern schon Antwort. So schafft die entstellteste Menschheit das höchste Bruttosozialprodukt.

Notizen zur Zeit : Karl Kraus, Jonathan Franzen, Daniel Kehlmann und die Folgen in der FAZ. Von W.K. Nordenham

15. Dezember 2014 | Kategorie: Artikel, Journalisten, Notizen aus Medienland, Notizen zur Zeit

Franzen: …“Ich betrachte mit seinen Augen das Zeitalter von Google, Facebook und Twitter. Dabei fiel mir etwas Unglaubliches auf: Vieles von dem, was Kraus schrieb, trifft unsere Zeit noch genauer als seine eigene.“

Jonathan Franzen

Das Kraus-Projekt  Rowohlt   2014  304 S.  ISBN 978-3-498-02136-8      19,95 €

Karl Kraus wird immer lebendiger. Das erfreut mich und die ihn schätzen, was mehr beinhaltet  als ein bloßes Verehren, weil dieses kritische Betrachtung ermöglicht, was jene eher hindert. Jonathan Franzen und Daniel Kehlmann geben im Interview in „Die Zeit“ ein  Beispiel für  Ersteres, dem wie zum Gegenbeweis etwas auf  Journailleniveau aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung folgt. Wäre Herr Weidemann nicht Feuilletonchef bei der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung, der Text hätte das Lektorat keinesfalls so  passiert.  So mutiert sein  Kommentar ungewollt zu einem  q.e.d. für  Karl Kraus` Argumentation.

DIE ZEIT Nº 49/2014  27. November 2014  07:00 Uhr

Karl Kraus

Der große Bruder

Die Schriftsteller Jonathan Franzen und Daniel Kehlmann sind Freunde, und beide verehren den genialen Satiriker Karl Kraus. Über ihn wollen sie hier reden – aber auch über die Erotik der Sprache, die Freuden des Zorns und über die Abgründe des Internets. Interview: Peter Kümmel

Seit 30 Jahren steht der amerikanische Schriftsteller Jonathan Franzen im Bann des Wiener Satirikers und Kritikers Karl Kraus (1874 bis 1936). Um Kraus endlich wirklich zu verstehen, hat Franzen zwei von Kraus’ zentralen Essays, Heine und die Folgen und Nestroy und die Nachwelt, ausführlich kommentiert und ins Englische übersetzt. Die deutsche Ausgabe dieses Werks heißt Das Kraus-Projekt. Das Buch ist auch ein autobiografisches Unternehmen, ein Ich-Projekt, denn die Fußnoten zu Kraus geben Aufschluss über Franzens eigenes Schriftstellerleben. Als Lektor und Berater stand Franzen sein europäischer Freund Daniel Kehlmann zur Seite, auch er ein großer Kraus-Verehrer. An einem nasskalten Novemberabend treffen wir die beiden zum Gespräch. Treffpunkt ist Franzens Apartment an der Upper East Side von New York.

DIE ZEIT: Meine Herren, Karl Kraus war ein unerbittlicher Gesellschafts- und Sprachkritiker. Haben Sie manchmal rückwirkend Angst vor ihm? Angst davor, dass Ihre Literatur seinem unerbittlichen Blick nicht standhalten würde?

Daniel Kehlmann: Ja, absolut. Wenn man sich mit Kraus beschäftigt hat, hat man diese Fantasie: Was würde er über mich sagen? Und das wäre sicher nichts Nettes. Das Einzige, was uns schützen würde, wäre, dass sich Kraus für Romanautoren nicht interessiert hat. Er war kaum fähig, Romane zu lesen. Alles Narrative war ihm fremd.

Jonathan Franzen: Ich habe so viele Texte geschrieben, die keine Romane sind, dass ich voll in seinem Visier wäre – ich wäre sicher ein mögliches Ziel. Aber ich habe keine Albtraum-Fantasien, in denen Karl Kraus mich vernichtet. Als junger Mensch fürchtete ich mich zwar vor der Schärfe seines Urteils, aber zugleich fühlte ich mich zu ihm hingezogen wie zu einem viel Stärkeren. Mein Kalkül war: Ich musste ihm nur geistig nahe genug kommen, dann würden die wütenden Pfeile, die er in die Welt schleuderte, mich verfehlen.

ZEIT: Sie wählten sich Kraus als einen idealen großen Bruder?

Franzen: Genau. Das war er für mich. An solche Verhältnisse war ich gewohnt. Ich habe zwei größere Brüder. Inzwischen habe ich mir aber selbst ein relativ dickes Fell wachsen lassen, und das brauche ich auch angesichts der Kritik, die ich bekomme. Die Pfeile fliegen wirklich.

ZEIT: Viele Kraus-Interpreten deuten seinen Zorn auf andere als eine Art umgeleiteten Selbsthass. Es ist ja wirklich auffällig, dass er niemals Zeichen der Selbstkritik, des Selbstzweifels zeigte.

Franzen: Er war in einem gewissen Maß der Gefangene seines Stils. Ich habe dieses Problem zum Teil reproduziert – in den Fußnoten des Kraus-Projekts. Ich habe unter seinem Einfluss eigene Aussagen bis zur äußersten Polarität zugespitzt, ich teilte die Welt in Freund und Feind, in Gut und Böse. Dadurch bekommen die Sätze viel mehr Kraft und Schub. Es ist ein Rausch. Man wird süchtig nach dem Krausschen Zorn.

ZEIT: Mich irritiert seine Attitüde, auf die Mitmenschen wie auf seelenlose Untote, nein eigentlich: wie auf Hirntote herabzublicken.

Kehlmann: Aber das stimmt nur für eine bestimmte Klasse von Schriftstellern und Journalisten. Dagegen war er voll des Mitleids für die wirklich leidenden Menschen. Er konnte beispielsweise nicht einstimmen in die Kriegsbegeisterung vor dem Ersten Weltkrieg – weil er genau wusste, welches Leid über die Menschen kommen würde. Er war der einzige bedeutende Schriftsteller, der gegen diesen Krieg war.

Franzen: Es war die Zombie-Sprache, die er angriff. Die sich selbst perpetuierende Phrase des Journalismus, die kein Leben hatte, aber einfach nicht verschwinden wollte. Wer so schrieb, war sein Gegner.

Kehlmann: Mir hat immer sehr die Unterscheidung gefallen, die Schiller in seiner Abhandlung über naive und sentimentalische Dichtung trifft. Er sagt nämlich, es gibt die lachende und die strafende Satire. Die lachende Satire zeigt die Welt, wie sie wirklich ist, und lacht darüber. Während die strafende Satire sich erregt über den Zustand der Welt. Sie ist der Blitzstrahl, der Richtspruch. Dafür steht Kraus.

Franzen: Ich stimme Schiller nur zum Teil zu. Wenn es nicht komisch ist, ist es nicht Satire, sondern etwas anderes: Kritik.

ZEIT: Herr Franzen, Sie selbst teilen die moderne Literatur ein in zwei Kategorien: einerseits Status-Romane, andererseits Kontrakt-Romane. Der Status-Autor demonstriert immerzu seine Einzigartigkeit, er schreibt schwer verständlich und entzieht sich dem Publikum. Der Kontrakt-Autor dagegen schließt einen Vertrag mit seinen Lesern, er will sie in seine Romane hineinziehen und ihnen ein guter Gastgeber sein. Wie liegt der Fall bei Kraus? Einerseits war er ein Status-Autor, der teils kryptisch schrieb und sich als unerreichter Stilist begriff; andererseits wollte er aber den Kontrakt mit seinen Lesern, die ihn süchtig lasen …

Franzen: Diese Begriffe stammen zwar nicht von mir, sondern von William Gaddis, aber ich habe sie auch verwendet. Gaddis fand, dass die Kontrakte zwischen Künstler und Publikum nicht mehr gültig seien. Das führt zur totalen Glorifizierung des Künstlers als einsames Genie, das von der Masse nicht verstanden wird. Eine gefährliche Position, denn unter ihrem Deckmantel findet eine Menge schlechter Literatur Schutz. Auch die Sprache von Kraus sperrt sich gegen den Leser, aber sie ist brillant. Kraus wollte mit seinen Texten klarstellen, dass hier ein geistig unerreichbarer Autor am Werk war. Und er hat sich ein Publikum erzogen, das seine codierte Sprache verstand.

ZEIT: Kraus sagt: „Das Schlimmste, was meine Leser über mich sagen können, ist: Ich kenne Karl Kraus.“ Was für ein Kontrakt ist das denn?

Kehlmann: Er verbat sich Annäherungen. Auf der Rückseite seiner Zeitschrift Die Fackel stand: „Zusendungen welcher Art immer sind unerwünscht.“ Dass man ihn verehrte, hieß nicht, dass man ein Recht hatte, etwas von ihm zu wollen. Einer seiner imponierendsten Sätze steht in einem Text namens Apokalypse, den er schon 1909 schrieb, da heißt es: „Ich bin größenwahnsinnig. Ich weiß, daß meine Zeit nicht kommen wird.“

ZEIT: Hatte er recht?

Kehlmann: Er hatte recht. Seine Zeit ist nicht gekommen. Und sie kommt auch nicht. Das hat wahre Größe. In einer Welt, in der sich alle wünschen, dass ihre Zeit kommt, sagt da einer diesen Satz.

ZEIT: Hat er geahnt, warum seine Zeit nicht kommen würde? Hat er den Nationalsozialismus und den Antisemitismus nicht unterschätzt?

Franzen: Er unterschätzte zumindest die Macht des Antisemitismus. Dafür spricht etwa dieser Aphorismus von Kraus: „Das einzige, was ich mehr hasse als die antisemitische Presse, ist die jüdische Presse. Das einzige was ich mehr hasse als die jüdische Presse, ist die antisemitische Presse.“ Das ist in gewisser Weise fahrlässig, das virtuose, aber auch leere Spiel eines Mannes, der sich mit keinem Lager gemeinmachen will.

Kehlmann: Aber er schildert sehr genau in seiner großen Schrift Die dritte Walpurgisnacht, die allerdings erst posthum erschien, den allmählichen Umschlag in die Barbarei. Er hat nichts anderes getan, als aufmerksam Zeitung zu lesen, bis hin zur kleinsten Lokalzeitung, und da sind eben diese kleinen Momente des Kippens zu erkennen. Jedem, der heute sagt, man habe damals nicht wissen können, wie sich der Faschismus entwickeln würde, muss man nur Die dritte Walpurgisnacht in die Hand drücken.

ZEIT: Kraus hat eine sehr spezielle Beziehung zur Sprache: Er spricht von ihr wie von einer Heiligen und einer großen Geliebten, mit der nur der wahre Schriftsteller – also er – Kinder zeugt, während alle mindereren Geister Unzucht mit ihr treiben. Herr Franzen, Sie schreiben in diesem Zusammenhang, Kraus sei ein Vorläufer der heutigen Rapper – ein Mann, der mit seiner Potenz prahlt.

Franzen: Tatsächlich hat er die Sprache als eine Frau bezeichnet, und diese Frau wollte er erobern. Das war das Rapperhafte an ihm: Ich bringe die Lady besser in Fahrt, als ihr anderen es könnt – because I know her and I know how to really ring her bells!

Kehlmann: Man findet solche Elemente ganz wörtlich in Bezug auf Rilke, denn Rilke war für Kraus im doppelten Sinn der große Rivale, als Lyriker, aber auch als Mann. Beide standen Sidonie Nádherny von Borutin sehr nahe. In Kraus’ Briefen an Rilke sieht man sehr stark diese Rapperattitüde – Kraus weist auf seine überlegene Männlichkeit hin.

ZEIT: Was würde er denn heute tun? In der Welt des World Wide Web, das jeden geistigen Zug, der irgendwo getan wird, kontrolliert und aufzeichnet? Würde er es benützen oder bekämpfen?

Kehlmann: Ich weiß es nicht. Aber ich ahne, wie er es analysieren würde. Kraus hat in der Auseinandersetzung mit Medien hartnäckig eine simple Frage gestellt, von der sich alles andere ableitet: Wem gehört eigentlich das Medium? Diese Frage ist nach wie vor die entscheidende.

ZEIT: Und die Frage führt heute noch weiter als zu seiner Zeit. Ich nehme das Gespräch, das wir gerade führen, mit einem iPhone auf.

Kehlmann: Ganz genau: Wem gehört der Hersteller dieses Gerätes? Wem die Software? Was sind seine Interessen? An der Bedeutung dieser Fragen hat sich nichts geändert.

Franzen: Kraus ist in seinen Analysen dem Geld gefolgt. Was würde er heute tun? Eine sehr interessante Frage. Die Internetfans glauben ja, als Blogger sei man sein eigener Herausgeber. Aber das stimmt nicht. Kraus war wirklich sein eigener Herausgeber: Er hat Die Fackel veröffentlicht, die kleine Zeitschrift, die sich der Wiener Mainstream-Presse widersetzte. Er war unabhängig und unbestechlich. Der heutige Nexus aus Kapitalismus, Technologie und Medien dagegen verkauft seinen Kunden die Idee, sie seien Rebellen, wenn sie ihre Gesellschaftskritik im Internet veröffentlichen. Das Netz macht so aus jungen Menschen Republikaner im Geiste.

ZEIT: Das müssen Sie erklären.

Franzen: Sie erkennen schon gar nicht mehr das Problem, dass die Macht sich in den Händen weniger Menschen und Konzerne befindet. Sie nehmen es als gegeben. Innerhalb dieser Gegebenheit dürfen sie sich dann symbolische Freiheiten nehmen, sich als Rebellen aufführen und ihre „Authentizität“ inszenieren.

ZEIT: Sie haben Kraus’ Methode der Sprachkritik mit dem Stil eines Bloggers verglichen.

Franzen: Ich glaube, Kraus wäre heute in einem wirklichen Dilemma. Er würde diese Technologie genau durchschauen, andererseits ist der Netz-Diskurs wie für ihn geschaffen: Seine Texte waren wie Blogger-Texte: eigene Sätze und Zitate, es fehlen nur die Hyperlinks. Er würde vermutlich 26 Stunden am Tag das Netz nach Material durchsuchen.

Kehlmann: Interessanter als die Frage, was er heute tun würde, ist für mich, was man von ihm lernen kann. Die Frage: „Wem gehört das Medium, und was sind seine Interessen?“, betrifft heute viel mehr Bereiche unseres Lebens als zu Kraus’ Zeit – jeden Akt der Kommunikation, jeden Einkauf, jeden Telefonanruf.

ZEIT: Als Hitler an die Macht kam, sagte Kraus, zu dem falle ihm nichts ein – was natürlich nicht stimmte, es fiel ihm unendlich viel ein. Er wollte nur sagen: Hier helfen die Waffen des Geistes nicht mehr. Könnte es sein, dass ihm heute, überfordert von der Fülle des Daten- und Medienmaterials, zu unserer Welt nichts mehr einfiele?

Franzen: Er sah keine Möglichkeit, sich über die Faschisten lustig zu machen. Dieser Gegner war mit Satire nicht mehr zu bekämpfen. Aber solange wir noch zivilisierte Strukturen haben, kann man sich auch lustig machen. Ich glaube, Kraus würde genug zu unserer Welt einfallen. Nebenbei bemerkt: Wer öffentlich das Internet problematisiert, wie ich das tue, auch im Kraus-Projekt, der muss sich warm anziehen. Das Netz ist voll von harschen Kommentaren über mich – ich werde als Idiot und als Steinzeitmensch bezeichnet.

ZEIT: Sie selbst greifen im Kraus-Projekt den Schriftstellerkollegen Salman Rushdie an, weil der sich naiv für Twitter begeistert.

Franzen: Woraufhin er getwittert hat, Franzen solle mal lieber aus seinem Elfenbeinturm rauskommen. Da ich selbst nicht twittere, habe ich das nicht gelesen, es hat sich aber zu mir rumgesprochen. Ich habe Salman gestern zufällig zum ersten Mal seit dieser kleinen Auseinandersetzung wiedergetroffen. Er war sehr freundlich.

Kehlmann: Er sprach vom Elfenbeinturm? Aber das ist keine Beleidigung.

Franzen: Oh doch, in den USA ist das eine absolute Beleidigung. Er nannte mich elitist.

ZEIT: Herr Franzen, das Kraus-Projekt besteht zum großen Teil aus Fußnoten. In diesen Anmerkungen, die eigentlich Hauptsachen sind, kommentieren Sie nicht nur Texte von Kraus. Sie erzählen auch ein Stück Ihrer Lebensgeschichte: ein Porträt des Künstlers als junger Krausianer. Dass in einem literarischen Werk die Fußnoten das Wesentliche enthalten, gab es schon einmal: in Vladimir Nabokovs Roman Fahles Feuer .

Franzen: Ich wollte immer schon etwas Fahles, Feuer -Artiges schreiben. Ansonsten verkneife ich mir beim Schreiben Fußnoten. Aber zu Kraus passte diese Form, sein ganzes Werk entwickelt sich im Fußnoten-Modus: aus Anmerkungen zu fremdem Text. Ich versuche in diesem Buch über Kraus, selbst ein wenig Kraus zu spielen. Ich betrachte mit seinen Augen das Zeitalter von Google, Facebook und Twitter. Dabei fiel mir etwas Unglaubliches auf: Vieles von dem, was Kraus schrieb, trifft unsere Zeit noch genauer als seine eigene.

ZEIT: Und seine Kritik „traf“ ja wirklich, mit aller Macht. Er machte sich unendlich viele Feinde. Sein Werk erscheint wie die Lebensäußerung eines Mannes, dem jede Angst fehlt, weil sein Zorn so groß war.

Kehlmann: Kannte er Angst? Ich weiß nicht, ob er Angst vor den Nazis hatte. Er wusste sicher, was auf ihn zugekommen wäre, wenn er ihre Herrschaft noch erlebt hätte. Aber er ist ja sozusagen rechtzeitig gestorben. Er lebte eigentlich in einer sehr zivilisierten Welt. Er hat dasselbe Kaffeehaus aufgesucht wie die Leute, die er fürchterlich angegriffen hat – und dann haben die sich höchstens in einen anderen Flügel des Kaffeehauses zurückgezogen, um ihm aus dem Weg zu gehen.

Franzen: Aber so zivilisiert ging es dann doch nicht zu, denn er hat Leute verklagt. Reihenweise. Das ist für mich einer der dunkelsten Aspekte von Kraus: Er war durch das Vermögen seiner Familie geschützt. Wäre er ein armer Mann gewesen, hätte seine Kritik an der Korrumpierbarkeit der Journalisten mehr Biss. Er konnte es sich leisten, nicht korrupt zu sein. Er konnte attackieren, wie es ihm gefiel. Und wenn andere ihn zu sehr attackierten, zerrte er sie vor Gericht – und das ist übel.

Kehlmann: Das hat aber eine Tradition. Schon Voltaire hat gesagt: Um so frei zu sein wie ich, muss man auch sehr alt sein und sehr reich. Und Kraus hat mit manchen Prozessen tatsächlich Exempel statuiert.

ZEIT: Er hat das Justizsystem sozusagen durchgespült mit einem reinigenden, exemplarischen Prozess?

Kehlmann: Genau. Er hatte die Zeit und das Geld, die strafende Satire mit anderen Mitteln, den Mitteln des Gerichts, fortzusetzen.

Franzen: Nun, du kommst aus Wien, du hast eine größere Toleranz gegenüber Leuten mit ökonomischen Privilegien. Das ist bei mir ein wenig anders, weil ich aus dem Mittleren Westen der USA komme. Aber du hast schon recht: Es fehlen Menschen, die diese Kraussche Konsequenz besitzen. Mir geht die fürchterliche Nettigkeit der jungen amerikanischen Schriftsteller auf die Nerven. Ich meine, wer wird heute Schriftsteller? Es sind wohlhabende Leute, denen der Papa die Dichterklause in Brooklyn bezahlt. Diese Leute könnten etwas riskieren – so wie Kraus es tat. Aber sie haben fürchterliche Angst. Vermutlich vor den Internet-Trollen, die unendlich viel Zeit und Raum für ihre Attacken haben.

ZEIT: Was haben die Trolle gemacht, als es das Internet noch nicht gab?

Franzen: Dazu muss ich ein wenig zurück in die Vergangenheit gehen. Das Internet wurde ersonnen von einer Gruppe privilegierter weißer Burschen. Viele von denen waren in den sechziger und siebziger Jahren Hippies, die beim Versuch, eine utopische Welt zu erschaffen, völlig gescheitert waren. Also haben sie sich gesagt: Beim zweiten Mal werden wir es mit Technologie versuchen. Dann werden wir den Weltfrieden schon retten. Und solange nur ein paar Tausend privilegierte weiße Typen am Internet beteiligt waren, hat alles wunderbar funktioniert. Dann wurde das Netz größer und größer – und man stellte fest, dass es nicht sicher ist. Dass es uns alle total kontrolliert. Und dass es niedere Instinkte weckt. Die Trolle sind die Hooligans der Netzwelt.

Kehlmann: Eine Sache, die wir von Kraus nicht übernehmen sollten, ist seine klare Trennung der Welt in die Guten und die Bösen. Ein Troll ist nicht das Böse an sich. Wir sind selbst die Trolle. Jedenfalls haben wir diese Möglichkeit alle in uns. Der Mensch ist ein offenes System. Wenn ihm die Möglichkeit geboten wird, anonym seine Aggressionen zu kultivieren, dann tut er es und wird eben dadurch immer aggressiver. Dem zu widerstehen ist ein Akt der Selbstkontrolle.

ZEIT: Das Internet steht also nicht im Bann des Bösen?

Kehlmann: Es gibt innerhalb des Mediensystems keine Verschwörungen. Das wäre zu einfach. Es war auch im Wien von Karl Kraus nicht so geradlinig, dass die Zeitungsbesitzer einfach den Redakteuren diktierten, was sie zu schreiben hätten. Sondern, wenn man Kraus folgt, ist es so: Die Redakteure schreiben das, was die Besitzer ihrer Zeitungen wollen, die Besitzer lesen es dann – und glauben es. Es ist ein sich selbst erzeugendes System. Das gilt natürlich auch heute. Der Besitzer von Facebook, Mark Zuckerberg, gibt ungeheuer viel Geld aus, um ein bestimmtes Welt- und Menschenbild zu propagieren – und dann glaubt er’s selbst. Adorno hat dafür den Ausdruck des Verblendungszusammenhangs geprägt. Und Adorno war sehr von Kraus beeinflusst.

ZEIT: Das Kraus-Projekt handelt davon, wie Sie, Jonathan Franzen, sich mit diesen geistigen Werkzeugen des Karl Kraus vertraut machen. Es ist aber auch eine Bestandsaufnahme Ihres Verhältnisses zur deutschen Kultur, denn Sie haben Ihre Kraus-Studien an deutschen Universitäten betrieben. Was bedeutet dieses Land für Sie?

Franzen: Ich kam über die deutsche Literatur zum Schreiben. Deutsche Literatur war sättigend. Man war nicht zwei Stunden später wieder hungrig, wenn man ein Stück deutscher Literatur verschlungen hatte. Man konnte den ganzen Tag arbeiten, man hatte genug zu verdauen. Das Wort „Dichtung“ sagt schon alles: Die Idee, die Dinge zu verdichten im Prozess des Schreibens – das wurde meine Definition von Literatur. Für mich war deutsche Kultur immer gleichzusetzen mit „Bedeutung“. Auch wenn ich in meiner Zeit in Berlin eine Überdosis von Bedeutung abbekommen habe – ich wurde ein wenig psychopathisch damals.

ZEIT: Was geschah?

Franzen: Ich setzte mich fürchterlich unter Druck. Alles, was ich tat, musste literarisch bedeutsam sein und dem Werk nutzen, jede Bewegung musste „Signifikanz“ haben. Ich lebte zeitweise in einer Wahnwelt der bedeutungsvollen Zeichen. In gewisser Weise war Deutschland der perfekte Ort für meinen Zusammenbruch.

Der Amerikaner – Jonathan Franzen, 55, Autor der Romane Die Korrekturen und Freiheit, ist einer der wichtigsten Schriftsteller der englischsprachigen Welt.

Der Europäer – Daniel Kehlmann, 39, geboren in München und aufgewachsen in Wien, kam mit dem Roman Die Vermessung der Welt zu Ruhm

Das   Interview von Franzen und Kehlmann offenbart sich ein grundsätzliches Problem, das jedermann haben muss, der sich mit Karl Kraus befasst. Die Unnahbarkeit der Person  und die begrenzte Nahbarkeit der Sprache, beide mit derselben Aura des Faszinierenden, die einem großen Kunstwerk eignet und beim Betrachten jedes Mal einen neuen Blick darauf erlaubt. Bei Karl Kraus heißt das Kunstwerk Sprache. Mir hat das Interview wegen der  reflektierten Antworten einfach nur gefallen. Deshalb wird es hier zur Kenntnis gebracht. Nebenbei bemerkt, das m. E. epochale Buch über die Nazizeit von Karl Kraus heißt „Dritte Walpurgisnacht“ und nicht „Die dritte Walpurgisnacht“. Auf der Korrektur hätte auch Karl Kraus bestanden. Der Rest wäre vermutlich unkommentiert geblieben. Dann äußern sich zu dem Interview zwei, die es auch mal  versuchen wollen, in der FAZ . Der Kontrast könnte größer nicht sein. Wie sagte Karl Kraus: Ein Feuilleton schreiben heißt auf einer Glatze Locken drehen. Die Heraushebungen  stammen von mir.

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung  6.1.2.14

Feuilleton

Karl-Kraus-Projekt

Die Schule der Vernichtung

Karl Kraus war erbarmungslos gegen seine Feinde, dafür verehren ihn viele Feuilletonisten und Schriftsteller bis heute. Wir nicht.

06.12.2014, von Niklas Maak und Volker Weidermann

Im Bonn der späten neunziger Jahre gab es einen Dozenten, der jungen Studenten, die Journalisten werden wollten, beibrachte, was einen guten Kritiker ausmacht. Dieser Dozent, ein hagerer Mann mit einer blonden Bürstenfrisur und einem Rucksack, auf dem ein eingerollter Fuchs abgebildet war, ließ seine Studenten vor allem zwei Autoren lesen: Rolf Dieter Brinkmann – und Karl Kraus. Bei ihnen, bekamen die Studenten beigebracht, lerne man, „radikal“, „unversöhnt“, „scharfsinnig“ der Gesellschaft „einen Spiegel vorzuhalten“.

Die erste Aufgabe der Bonner Studierenden bestand darin, sich an der wütigen Großlitanei „Rom. Blicke“ von Brinkmann warmzulesen und dann den Verriss eines beliebigen aktuellen Kulturprodukts im Stil von Karl Kraus zu verfassen – und die Studierenden gaben sich alle Mühe, ein Buch, eine Ausstellung, einen Film möglichst böse, kaltherzig und aphoristisch scharf kleinzumachen, weil es eben kleingemacht werden musste.

Einige, die diese Schule durchliefen, wurden später wirklich Kritiker, sie schrieben für Zeitungen und Radios Verrisse, immer an Karl Kraus denkend: Sie vernichteten Romandebüts, sie höhnten über erste kleine Galerieausstellungen. Sie wussten nicht, wogegen sie kämpften und wofür, warum genau sie etwas verrissen, was ihnen daran nicht gefiel. Sie hatten abgespeichert, dass Kritik in Deutschland „Erledigung“ bedeutete. Sie hatten eine grimmige Freude daran, alles Herausragende in den Brei des Mittelmaßes zurückzustampfen. Sie lernten, die Welt durch einen Hämefilm zu betrachten und nur hin und wieder seinen Gegenstand gnädig mit einem anerkennenden Schulterklopfen zu bedenken – und sie wussten, dass sie klingen mussten wie Karl Kraus.

Mit Kraus begann ihre Erziehung zur Kälte, zum Desinteresse am Menschen, zum Kulturjournalismus als elaborierter Form von Häme, der Glaube, dass die gekonnt gesetzte Infamie einen Inhalt, eine Überzeugung, eine Idee davon, wie es besser, anders sein sollte, ersetze.

Anleitungen zur Vernichtung

Aber sie begriffen Kraus nicht. Sie sahen sein Drama nicht, sahen nicht, d a s s   s e i n   M e n s c h e n h a s s  immerhin dort aufklärerisch war, wo er die durch und durch korrupte Medienbranche seiner Zeit traf, wo seine Rhetorik auf die Fragwürdigkeiten der Psychoanalyse und die Bigotterie der Kriegslyriker zielte, die nach dem Krieg als Pazifisten auftraten. Die Lehre aus Kraus war nicht, sich furchtlos mit mächtigen Feinden anzulegen; der Kraus der deutschen Journalistenschulen ist vor allem ein Sound, eine Anleitung zur gnadenlosen, unbedingten „Erledigung“, zu Vernichtungen ohne Ziel.

Kann man Kraus das vorwerfen, was deutsche Journalistenschulen und Literaturwissenschaftler aus ihm machen? Natürlich nicht. Kraus, 1874 in Böhmen geboren, Herausgeber und ab 1912 alleiniger Autor der Zeitschrift „Die Fackel“, Satiriker, scharfer Kritiker der Presse und gleichzeitig damals einer ihrer Stars, starb 1936.

Interessant aber ist, warum und von wem Kraus heute, 2014, als Leitbild und Offenbarung empfohlen wird – und was aus ihm gemacht wird. Soeben ist Jonathan Franzens Buch „Das Kraus-Projekt“ auf Deutsch erschienen (Rowohlt, 19,95 Euro), in dem er die beiden Essays „Heine und die Folgen“ und „Nestroy und die Nachwelt“ von Karl Kraus mit eigenen Fußnoten der Begeisterung versieht.

Wie kann das sein? Der sanfte Franzen und der wütende Kraus?

Irgendwo mitten in seinen Fußnoten erklärt er, w i e   e r   d a   r e i n –  g e r a t e n   i s t ,   i n   d i e  K r a u s – S c h u l e   d e s   Z o r n s . Es war auf einem Bahnsteig in Hannover, Franzen war 22 Jahre alt, er hatte sich aus irgendwelchen Gründen über eine „alte deutsche Pfennigfuchserin“ aufregen müssen, und kurz zuvor war es „mit einem unglaublich hübschen jungen Mädchen in München nicht zum Sex gekommen“. Um seinen Zorn darüber zu kultivieren, warf er zunächst sein ganzes Kleingeld auf den Bahnsteig, um mickrige deutsche Pfennigfuchser dabei zu beobachten, wie sie sich nach seinen Groschen bücken. Doch das genügte noch nicht. Der schöne Zorn sollte bleiben und noch größer werden: „Dann stieg ich in einen Zug und fuhr nach Berlin und schrieb mich in einen Kurs über Karl Kraus ein.“

U n d   e r   l a s   u n d   l a s   u n d   b e w u n d e r t e   u n d   l i e ß     s e i n e n      n o c h      z a r t e n     k l e i n e n     Z o r n    w e i t e r    w a c h s e n . Er liebte Kraus’ Unbedingtheit, das perfekte System gegen die Welt: „Dass Kraus eine Rückkehr zur Reinheit forderte und ein vollständiges System lieferte, mit dem sich die Welt in Bezug auf ihre Verseuchung begreifen ließe: das sprach mich an, wie einen Zweiundzwanzigjährigen heute die regionale Öko-Landwirtschaft oder der radikale Islam ansprechen mag.“ K r a u s   –   e i n   r a d i k a l e r   Ö k o – B a u e r ,   e i n   I S – T e r r o r i s t ! Ein Kämpfer für die reine Lehre, gegen Ironie, Leichtigkeit, und das hieß vor allem: gegen Frankreich und den alten Dichterfeind, gegen Heinrich Heine schreibt Kraus 1910 in „Heine und die Folgen“, er „wirke aus dem romanischen Lebensgefühl: „Ohne Heine kein Feuilleton. Das ist die Franzosenkrankheit, die er uns eingeschleppt hat. Wie leicht wird man krank in Paris! Wie lockert sich die Moral des deutschen Sprachgefühls!“

Sprachrichter Gnadenlos

Die Fremde ist das Kranke, die deutsche Sprache bekommt in Paris Syphilis: Hier steht K r a u s   i m   b e s t e n   E i n v e r s t ä n d n i s   m i t    d e m   d e u t s c h n a t i o n a l e n   F r a n k r e i c h  –   u n d   F r e m d e n h a s s  seiner Zeit. Klar, das ist nicht der ganze Kraus. Man könnte ein Buch schreiben über d e n   K r a u s ,   d e r   b ö s e ,   m u t i g e ,   a u c h   l u s t i g e   L i e d e r  über gewalttätige Polizeipräsidenten schrieb, die daraufhin zurücktreten mussten; den Kraus, der seine Lesungshonorare mittellosen Kriegswaisen und -witwen überließ; den Pazifisten Kraus, der von einer anderen Sprache träumte, die die Rhetorik der Kriegstreiber entlarven und sprengen würde.

Aber leider beziehen sich die meisten seiner n e r v t ö t e n d e n Anhänger nicht auf diese Seite ihres Idols, sondern auf den Kraus von „Heine und die Folgen“. Und dessen allgemein als „scharf“ und „gnadenlos“ bewunderte Metaphern und Sprachbilder künden vor allem von einem g r ü n d l i c h e n  und  t i e f s i t z e n d e n   P r o b l e m   m i t   F r a u e n : Die französische Sprache gebe sich „jedem Filou“ hin, „vor der deutschen Sprache muss einer schon ein ganzer Kerl sein, um sie herumzukriegen“–und dann werden die Sprachbilder so schief, dass man sie mit vier Dübeln an der Wand befestigen möchte. „Die Sprache regt an und auf, wie das Weib“, erklärt Kraus, aber nur „die deutsche Sprache ist eine Gefährtin, die nur den dichtet und denkt, der ihr Kinder machen kann“. Die Sprache als Frau, die man rumkriegen muss, um ihr Kinder zu machen – man  kann   s i c h    j e d e n f a l l s  n i c h t   ü b e r   B u s h i d o   a u f r e g e n   u n d   g l e i c h z e i t i g   K a r l   K r a u s   v e r e h r e n .

Schmutzfluten aus Frankreich

Franzen vermerkt dazu in einer  k l e i n l a u t e n  Fußnote: „Zur Verteidigung dieser Sichtweise kann nicht viel mehr vorgebracht werden, als dass sein Stil auf extreme, prägnante Kontraste angewiesen war und dass er es nett meinte. Kraus mochte und bewunderte Frauen.“ Ach ja? Und in seinen vielen tausend Texten hat er das mal kurz vergessen? Nicht wichtig genommen? Oder war er etwa – ungenau?   M a n   b e k ä m e   s c h o n   g a n z   g e r n   e i n m a l   e r k l ä r t ,   wo hier jetzt noch mal der unübertreffliche scharfe Stil von Kraus zu finden ist, der „den nachlässigen Umgang mit der Sprache als Zeichen der allgemeinen Gedankenlosigkeit und Unachtsamkeit“ deutete und für den „die Sprache das Medium des Denkens“ war, wie   es    a u f      d e r   W e b s i t e   d e s  „F e r n s t u d i u m s   J o u r n a l i s m u s“   h e i ß t.

Man würde auch gern erfahren, wohin ein Denken führt, das zum Misstrauen gegen Erzähler aufruft, die sich, wie Kraus beklagt, „in exotischen Milieus herumtreiben“, von wo aus dem Leser dann „der Flugsand der französischen Sprache“ in die Augen treibt, die eben noch eine leicht herumzukriegende Frau war, offenbar aber eine aus Sand, während Heine leider auch „der deutschen Sprache“, vor der man ja einst ein ganzer Kerl sein musste, „so sehr das Mieder gelockert hat, dass heute alle Kommis an ihren Brüsten fingern können.“

H e r r j e h ! Der Vorwurf, der in dieser Galerie der schiefen Bilder sichtbar wird, ist: Heine sei zu süßlich, zu spielerisch, zu charmant, französisch kraftlos, ohne t i e f e n   g e r m a n i s c h e n ,   s p r a c h-  f r a u e n b e z w i n g e n de n   E i g e n t l i c h k e i t s d o n n e r.  Die Hoffnung: dass der deutschen Sprache das Mieder zugeknöpft wird, wenn sich in Deutschland die aus Frankreich hereingeschwappte „intellektuelle Schmutzflut“ verläuft und „das Kopfwerk sprachschöpferischer Männlichkeit“ wieder in sein Recht gesetzt wird.

M a n   k a n n ,  b e i   a l l   d e r  K r a u s-V e r e h r u n g ,  s c h o n   a u c h   e inmal  f r a g e n , was  m a n  heute,  wenn   m a n   n i c h t   a n   d i e   w o h l t u e n d e   W i r k u n g   v o n   X e n o p h o b i e , F r a u e n v e r a c h t u n g ,  N a t i o n a l i s m u s  und  d i f f u s e n  M ä n n l i c h k e i t s r i t u a l e n  auf  die  d e u t s c h e   S p r a c h e g l a u b t ,  v o n   d i e s e m   K r a u s   l e r n e n ,  w a s   m a n   a n   s e i n e m   S t i l   b e w u n d e r n   s o l l. Aufklärerisch haben viele andere gewirkt. Man kann Zolas „J’accuse“ lesen, man kann Heines oder Tucholskys kluge, warmherzige, nicht minder scharfe Satiren lieben, die Kraus vor allem einen Humor voraushaben, der den Menschen nicht verlorengegeben hat. Es ist eine deutsche Eigenart, Hass und Borniertheit ohne größere Umwege zu begehrenswerten romantischen Essentialien, nämlich als Ausweis von „Unbedingtheit“, „Radikalität“, „Tiefe“ zu verklären – ohne zu sehen, dass sie das Gegenteil davon sind.

Zurück zur Warmherzigkeit

„Mit unserem Misstrauen haben wir immer recht“, schreibt Franzen in seine Fußnoten hinein. Das ist das Kraus-Gift, das alle seiner Verehrer so magisch anzieht: Schreiben im Modus des Verdachts, des Misstrauens, des Schnüffelns nach Fehlern, statt frei heraus das Schöne zu lieben. Das herrliche Gedicht Heines über das vom Sonnenuntergang entzückte Fräulein: „Mein Fräulein, sein Sie munter, / Das ist ein altes Stück; / Hier vorne geht sie unter, / Und kehrt von hinten zurück.“ Kraus erkennt hier „Heines Zynismus“, das Niveau seiner Sentimentalität stehe „auf dem Niveau des Fräuleins“. Franzen erinnert sich an den Moment, als er Heines Zeilen zum ersten Mal las, an seine Begeisterung – „Wow, dachte ich, der ist ja einer von uns.“ Dann las er Kraus, und er erkannte, was an diesem Gedicht „problematisch ist“. Die Liebe war weg. Verachtung war an die Stelle getreten. Ist das ein Gewinn?

Jonathan Franzen ist kein kalter Zyniker, kein Weltverkleinerer. Seine „Korrekturen“ sind einer der wichtigsten und emphatischsten Romane der letzten Zeit, ein Werk, das scharfsichtig, aber warmherzig mit den Schwächen seiner Protagonisten umgeht, die Welt nicht hasst, sondern vom Kampf einiger Menschen handelt, sie erträglicher, leuchtender, schöner und größer zu machen. Wie er das gemacht hat? Er habe einfach, im Gegensatz zu Kraus, irgendwann angefangen, Romane zu schreiben. Dafür sei es das Wichtigste, „sich vorzustellen, wie es ist, jemand zu sein, der man nicht ist“. Und das untergrabe auf Dauer noch die größte Wut. „Je länger ich Romane schrieb, umso weniger vertraute ich meiner eigenen Selbstgerechtigkeit.“ Und der seines frühen Meisters.

 

Wie gesagt, der Text hätte das Lektorat der FAZ nicht überstanden, wäre sein Verfasser nicht Feuilletonchef. Karl Kraus führte als das stärkste Argument gegen seine Kritiker gern deren eigene Texte in Feld, indem er sie wortwörtlich abdruckte.  Das gilt auch für den FAZ Artikel. Franzen wirkt darin wie ein vorgeschobener Strohmann,  damit  es  dann direkt gegen Karl Kraus gehen kann. Es sei  ergänzend zu bemerken,  dass  die Journalisten Niklas Maak und Volker Weidemann  zu zweit auftreten, um den Versuch  gegen Karl Kraus zu wagen, um einen Heinrich Heine zu retten, der weder gerettet werden muss noch es unter solchen Umständen wollen würde.  Jedenfalls kann man keinen der beiden Journalisten für den einen oder anderen Satz  direkt verantwortlich machen. Keiner ist es gewesen. Dass Jonathan Franzen im Vorbeischreiben abfertigt wird, offenbart ein Unverständnis über dessen Absicht, das dem Denker Franzen deshalb den Gedanken so lassen muss  wie dem  Journalisten die Phrase. Beides bleibt unvereinbar wie  Tiefe und Fläche. So kommt in dem Artikel ein Sammelsurium aus Ungenauigkeiten  zusammen, das sich selbstgemachter Popanze  bedienen muss, die jene glauben Karl Kraus oder Jonathan Franzen  unterjubeln zu dürfen. Woran liegt das? Sie kennen den Text nicht und verfassen einen eigenen, der dann zwangsläufig ebenso wenig trifft.  Da ist Scheitern unvermeidlich. Unsinnig auf die Verbalien zu Karl Kraus Frauenbild oder auf die Heine-Polemik einzugehen. Da wird  „das Kopfwerk sprachschöpferischer Männlichkeit“ aus Karl Kraus  Abrechnung mit Heines Börne-Verriss herangezogen wie es eben passt. Ich lasse es. Der FAZ Text ist es nicht wert. Er ist  selbst  „nervtötend“, weil er einfach nur schlecht ist. Die Heraushebungen weisen die Ungenauigkeit nach.  Was sollen  solche  Sätze wie

„Kraus –  ein radikaler Öko- Bauer, ein IS-Terrorist!“

„Man  kann sich  jedenfalls nicht über Bushido aufregen und gleichzeitig Karl Kraus verehren.“

Bushido und Karl Kraus. Das entsteht aus Hochlraumversieglung oberhalb des Halses. Man fasst es nicht.

„Man kann, bei all der Kraus-Verehrung, schon auch  einmal  fragen, was man heute, wenn man  nicht an die wohltuende  Wirkung von Xenophobie, Frauenverachtung, Nationalismus und diffusen Männlichkeitsritualen  auf die deutsche Sprache glaubt, von diesem Kraus lernen, was man an seinem Stil bewundern soll.“

Was man  lernen können sollte von Karl Kraus?   Nur eines : Niemals so zu schreiben – geschweige denn zu denken – wie die Verfasser des Artikels!

„Das  h e r r l i c h e  Gedicht Heines über das vom Sonnenuntergang entzückte Fräulein: „Mein Fräulein, sein Sie munter, / Das ist ein altes Stück; / Hier vorne geht sie unter, / Und kehrt von hinten zurück.“

Herrlich ? Dazu muss man  Heine-besoffen sein. Wer  das Schmunzeln überstanden hat, der empfindet die Geschmacklosigkeit.

Es könnte weiteres ungenau Ungereimtes folgen, etwa zu „Fernstudium Journalismus“,  aber wozu ? Das oben zitierte Sammelsurium muss  m a n  sich  im Zusammenhang mit Karl Kraus erst  einmal  zusammenfabulieren.   Stellvertretend für Karl Kraus zitiere ich als einzig stimmigen Kommentar dessen Aphorismus:

Ein Feuilleton schreiben, heißt auf einer Glatze Locken drehen.

Fazit : Es scheint besser Karl Kraus zu schätzen, als Heinrich Heine zu verehren.Der Dichter  in Heine ist zudem nicht zu verwechseln mit den Folgen.  Mehr ist zu diesem Fäule-Ton  der FAZ – die Aussprache für Feuilleton gefällt mir gut – nicht zu sagen. Man lese Karl Kraus und erkenne eine kompromisslose Menschlichkeit, die sich entgegen journalistischer Praxis eben weigert, dem Zeitgeist zu dienen und den Menschen ihre Zeit zu stehlen, vielmehr  Zeit zu erschließen –  im Wort.

 

 

 


Die Büchse der Pandora. Von Karl Kraus

14. Dezember 2014 | Kategorie: Artikel, Aus "Die Fackel"

Die Fackel


Nr. 182 WIEN, 9. JUNI 1905 VII. JAHR


Die Büchse der Pandora

… Die Liebe der Frauen enthält wie die Büchse der Pandora alle Schmerzen des Lebens, aber sie sind eingehüllt in goldene Blätter und sind so voller Farben und Düfte, daß man nie klagen darf, die Büchse geöffnet zu haben. Die Düfte halten das Alter fern und bewahren noch in ihrem Letzten die eingeborene Kraft. Jedes Glück macht sich bezahlt, und ich sterbe ein wenig an diesen süßen und feinen Düften, die der schlimmen Büchse entsteigen, und trotzdem findet meine Hand, die das Alter schon zittern macht, noch die Kraft, verbotene Schlüssel zu drehn. Was ist Leben, Ruhm, Kunst! Ich gebe alles das für die benedeiten Stunden, die mein Kopf in Sommernächten auf Brüsten lag, geformt unter dem Becher des Königs von Thule, – nun wie dieser dahin und verschwunden …

 

Félicien Rops.

 

»Eine Seele, die sich im Jenseits den Schlaf aus den Augen reibt.« Ein Dichter und Liebender, zwischen Liebe und künstlerischer Gestaltung der Frauenschönheit schwankend, hält Lulus Hand in der seinen und spricht die Worte, die der Schlüssel sind zu diesem Irrgarten der Weiblichkeit, zu dem Labyrinth, in dem manch ein Mann die Spur seines Verstandes verlor. Es ist der letzte Akt des »Erdgeist«. Alle Typen der Mannheit hat die Herrin der Liebe um sich versammelt, damit sie ihr dienen, indem sie nehmen, was sie zu spenden hat. Alwa, der Sohn ihres Gatten, spricht es aus. Und dann, wenn er sich an diesem süßen Quell des Verderbens vollberauscht, wenn sich sein Schicksal erfüllt haben wird, im letzten Akt der »Büchse der Pandora«, wird er, vor dem Bilde Lulus delirierend die Worte finden: »Diesem Porträt gegenüber gewinne ich meine Selbstachtung wieder. Es macht mir mein Verhängnis begreiflich. Alles wird so natürlich, so selbstverständlich, so sonnenklar, was wir erlebt haben. Wer sich diesen blühenden, schwellenden Lippen, diesen großen unschuldsvollen Kinderaugen, diesem rosig weißen, strotzenden Körper gegenüber in seiner bürgerlichen Stellung sicher fühlt, der werfe den ersten Stein auf uns.« Diese Worte, vor dem Bilde des Weibes gesprochen, das zur Allzerstörerin wurde, weil es von allen zerstört ward, umspannen die Welt des Dichters Frank Wedekind. Eine Welt, in der die Frau, soll sie ihrer ästhetischen Vollendung reifen, nicht verflucht ist, dem Mann das Kreuz sittlicher Verantwortung abzunehmen. Die Erkenntnis, welche die tragische Kluft zwischen blühenden Lippen und bürgerlichen Stellungen begreift, mag heute vielleicht die einzige sein, die eines Dramatikers wert ist. Wer die »Büchse der Pandora«, die im »Erdgeist« zwar ihre stoffliche Voraussetzung hat, aber das gedankliche Verständnis des Ganzen erst erschließt, wer diese Tragödie Lulu begriffen hat, wird der gesamten deutschen Literatur, so da am Weibe schmarotzt und aus den »Beziehungen der Geschlechter« psychologischen Profit zieht, mit dem Gefühle gegenüberstehen, das der Erwachsene hat, wenn ihm das Einmaleins beigebracht werden soll. Ich würde mich nicht scheuen, diese große Revue psychologischer Kindereien mit manchem Klassiker zu eröffnen. Die tiefsten Erforscher männlichen Gefühlslebens haben vor dem Augenaufschlag ihrer eigenen Heldinnen zu stammeln begonnen, und die unsägliche Tragik, der sie Worte liehen, war durch alle Zeiten die Tragik der verlorenen Virginität. Ein »Werde du zur Dirne«, oft auch bloß ein verschämtes »Werde du zur –«, von irgendeinem Knasterbart gemurmelt, wir hören es durch alle dramatischen Entwicklungen bis in unsere Tage: immer wieder sehen wir den dramatischen Knoten aus einem Jungfernhäutchen geschürzt. Nie haben sich hier die Dichter als Erlöser der Menschheit gefühlt, sondern sich mit ihr unter das Damoklesschwert gebeugt, das sie in christlicher Demut freiwillig über sich aufgehängt hat. Den Irrwahn, daß die Ehre der Welt vermindert wird, wenn sie ihre Freude vermehrt, haben sie gläubig nachgebetet. Und sie schrieben Tragödien über das, »worüber kein Mann wegkann«. Daß man über die knorrigen Plattheiten eines denkenden Tischlermeisters viel weniger wegkönnen sollte als über das Abenteuer seiner Maria Magdalena, ist ja eine literarische Angelegenheit für sich. Aber dem dramatischen Gejammer über die Verminderung des weiblichen Marktwertes hat erst Frank Wedekind entsagt und abgesagt. In seiner Bekenntnisdichtung »Hidalla« erhebt sich Fanny turmhoch über den Freier, der sie verschmäht hat, weil ihr »der Vorzug« mangelt, der ihre Geschlechtsgenossinnen erst preiswert macht: »Deswegen also bin ich jetzt nichts mehr?! Das also war die Hauptsache an mir?! Läßt sich eine schmachvollere Beschimpfung für ein menschliches Wesen ersinnen? – als deswegen, um eines solchen – Vorzugs willen geliebt zu werden?! – Als wäre man ein Stück Vieh!« … Und dann die gewaltige Doppeltragödie, deren zweiten Teil Sie heute schauen werden, die Tragödie von der gehetzten, ewig mißverstandenen Frauenanmut, der eine armselige Welt bloß in das Prokrustesbett ihrer Moralbegriffe zu steigen erlaubt. Ein Spießrutenlauf der Frau, die vom Schöpferwillen dem Egoismus des Besitzers zu dienen nicht bestimmt ist, die nur in der Freiheit zu ihren höheren Werten emporsteigen kann. Daß die flüchtige Schönheit des Tropenvogels mehr beseligt als der sichere Besitz, bei dem die Enge des Bauers die Pracht des Gefieders verwundet, hat sich noch kein Vogelsteller gesagt. Sei die Hetäre ein Traum des Mannes. Aber die Wirklichkeit soll sie ihm zur Hörigen – Hausfrau oder Maitresse – machen, weil das soziale Ehrbedürfnis ihm selbst über den Traum geht. So will auch jeder, der die polyandrische Frau will, diese für sich. Solchen Wunsch, nichts weiter, hat man als den Urquell aller Tragödien der Liebe zu betrachten. Der Erwählte sein wollen, ohne der Frau das Wahlrecht zu gewähren. Und daß vollends Titania auch einen Esel herzen könne, das wollen die Oberone nie begreifen, weil sie gemäß ihrer höheren Besinnungsfähigkeit und ihrer geringeren Geschlechtsfähigkeit nicht imstande wären, eine Eselin zu herzen. Darum werden sie in der Liebe selbst zu Eseln. Ohne ein vollgerüttelt Maß von sozialer Ehre können sie nicht leben: und darum Räuber und Mörder! Zwischen den Leichen aber schreitet eine Nachtwandlerin der Liebe dahin. Sie, in der alle Vorzüge der Frau eine in sozialen Vorstellungen befangene Welt zu »Lastern« werden ließ.

 

Einer der dramatischen Konflikte zwischen der weiblichen Natur und einem männlichen Dummkopf hat Lulu der irdischen Gerechtigkeit ausgeliefert, und sie müßte in neunjähriger Kerkerhaft darüber nachdenken, daß Schönheit eine Strafe Gottes sei, wenn nicht die ihr ergebenen Sklaven der Liebe einen romantischen Plan zu ihrer Befreiung ausheckten, einen, der in der realen Welt nicht einmal in fanatisierten Gehirnen reifen, auch fanatischem Willen nicht gelingen kann. Mit Lulus Befreiung aber – durch das Gelingen des Unmöglichen zeichnet der Dichter die Opferfähigkeit der Liebessklaverei besser als durch die Einführung eines glaubhafteren Motivs – hebt die »Büchse der Pandora« an. Lulu, die Trägerin der Handlung im »Erdgeist«, ist jetzt die Getragene. Mehr als früher zeigt sich, daß ihre Anmut die eigentliche leidende Heldin des Dramas ist; ihr Porträt, das Bild ihrer schönen Tage, spielt eine größere Rolle als sie selbst, und waren es früher ihre aktiven Reize, die die Handlung schoben, so ist jetzt auf jeder Station des Leidensweges der Abstand zwischen einstiger Pracht und heutigem Jammer der Gefühlserreger. Die große Vergeltung hat begonnen, die Revanche einer Männerwelt, die die eigene Schuld zu rächen sich erkühnt. »Die Frau«, sagt Alwa, »hat in diesem Zimmer meinen Vater erschossen; trotzdem kann ich in dem Morde wie in der Strafe nichts anderes als ein entsetzliches Unglück sehen, das sie betroffen hat. Ich glaube auch, mein Vater hätte, wäre er mit dem Leben davongekommen, seine Hand nicht vollständig von ihr abgezogen.« In dieser Empfindensfähigkeit gesellt sich dem überlebenden Sohn der Knabe Alfred Hugenberg, dessen rührendes Schwärmen im Selbstmord endet. Aber zu einem Bündnis, das ergreifender nie erfunden wurde, treten Alwa und die opferfreudige, seelenstarke Freundin Geschwitz zusammen, zum Bündnis einer heterogenen Geschlechtlichkeit, die sie doch beide dem Zauber der allgeschlechtlichen Frau erliegen läßt. Das sind die wahren Gefangenen ihrer Liebe. Alle Enttäuschung, alle Qual, die von einem geliebten Wesen ausgeht, das nicht zu seelischer Dankbarkeit erschaffen ist, scheinen sie als Wonnen einzuschlürfen, an allen Abgründen noch Werte bejahend. Ihre Gedankenwelt ist, mag er sie auch noch so sehr in einzelnen Zügen von der seinen absondern, die Gedankenwelt des Dichters, jene, die schon in dem Shakespeareschen Sonett zu tönen anhebt:

 

Wie lieblich und wie süß machst Du die Schande,

Die wie ein Wurm in duftiger Rose steckt

Und Deiner Schönheit Knospenruf befleckt –

Du hüllst die Schuld in wonnige Gewande!

Die Zunge, die wohl Deinen Wandel tadelt,

Wenn sie leichtfertig deutend, von Dir spricht,

Läßt ohne Lob doch selbst den Tadel nicht,

Weil schon Dein Name bösen Leumund adelt.

O welche Wohnung ward den Fehlern, die

Zu ihrem Aufenthalt Dich auserlesen!

Die reinste Schönheit überschleiert sie

Und tadellos erscheint Dein ganzes Wesen.

 

Man kanns auch – mit dem albernen Roman-Medizinerwort – Masochismus nennen. Aber der ist vielleicht der Boden künstlerischen Empfindens. Der »Besitz« der Frau, die Sicherheit des beatus possidens ist es, ohne was Phantasiearmut nicht glücklich sein kann. Realpolitik der Liebe! Rodrigo Quast, der Athlet, hat sich eine Nilpferdpeitsche angeschafft. Mit der wird er sie nicht nur zur »zukünftigen pompösesten Luftgymnastikerin der Jetztzeit« machen, sondern auch zum treuen Eheweib, das bloß jene Kavaliere bei sich zu empfangen hat, die er selbst bestimmt. Mit diesem unvergleichlichen Philosophen der Zuhältermoral beginnt der Zug der Peiniger: nun werden die Männer an Lulu durch Gemeinheit vergelten, was sie durch Torheit an ihr gesündigt haben. Die Reihe der verliebten Alleinbesitzer wird naturnotwendig von der Reihe der Praktiker der Liebe abgelöst. In ihr folgt auf Rodrigo, der leider die Fähigkeit verlernt hat, »zwei gesattelte Kavalleriepferde auf seinem Brustkorb zu balancieren«, Casti Piani, dessen Schurkengesicht eine bösere sadistische Gewalt über Lulus Sexualwillen erlangte. Um dem einen Erpresser zu entrinnen, muß sie sich dem andern an den Hals werfen, jedermanns Opfer, jeden opfernd, bis der Erschöpften als der letzte und summarische Rächer des Mannsgeschlechts – Jack the Ripper in den Weg tritt. Von Hugenberg, dem seelischesten, führt der Weg bis zu Jack, dem sexuellsten Manne, dem sie zufliegt wie die Motte dem Licht – dem extremsten Sadisten in der Reihe ihrer Peiniger, dessen Messeramt ein Symbol ist: er nimmt ihr, womit sie an den Männern gesündigt hat. –

 

Aus einer losen Reihe von Vorgängen, die eine Kolportageromanphantasie hätte erfinden können, baut sich dem helleren Auge eine Welt der Perspektiven, der Stimmungen und Erschütterungen auf, und die Hintertreppenpoesie wird zur Poesie der Hintertreppe, die nur jener offizielle Schwachsinn verdammen kann, dem ein schlecht gemalter Palast lieber ist als ein gut gemalter Rinnstein. Aber nicht auf solcher Szene liegt hier die Wahrheit, sondern noch hinter ihr. Wie wenig Platz fände in Wedekinds Welt, in der die Menschen um der Gedanken willen leben, ein Realismus der Zustände! Er ist der erste deutsche Dramatiker, der wieder dem Gedanken den langentbehrten Zutritt auf die Bühne verschafft hat. Alle Natürlichkeitsschrullen sind wie weggeblasen. Was über und unter den Menschen liegt, ist wichtiger, als welchen Dialekt sie sprechen. Sie halten sogar wieder – man wagt es kaum für sich auszusprechen – Monologe. Auch wenn sie miteinander auf der Szene stehen. Der Vorhang geht auf, und ein gedunsener Athlet spinnt seine Zukunftsträume von fetten Gagen und Zuhältergewinsten, ein Dichter zetert wie Karl Moor über das tintenklecksende Säkulum, und eine leidende Frau träumt von der Rettung ihrer abgöttisch geliebten Freundin. Drei Menschen, die aneinander vorbeisprechen. Drei Welten. Eine dramatische Technik, die mit einer Hand drei Kugeln schiebt. Man kommt dahinter, daß es eine höhere Natürlichkeit gibt als die der kleinen Realität, mit deren Vorführung uns die deutsche Literatur durch zwei Jahrzehnte im Schweiße ihres Angesichtes dürftige Identitätsbeweise geliefert hat. Eine Sprache, die die verblüffendste Verbindung von Charakteristik und aphoristischer Erhöhung darstellt. Jedes Wort zugleich der Figur und ihrem Gedanken, ihrer Bestimmung angepaßt: Gesprächswendung und Motto. Der Zuhälter spricht: »Bei ihrer praktischen Einrichtung kostet es die Frau nicht halb so viel Mühe, ihren Mann zu ernähren, wie umgekehrt. Wenn ihr der Mann nur die geistige Arbeit besorgt und den Familiensinn nicht in die Binsen gehen läßt.« Wie hätte das ein sogenannter Realist ausgedrückt? Szenen wie die zwischen Alwa und Lulu im ersten, zwischen Casti Piani und Lulu im zweiten und vor allem jene im letzten Akt, in der die Geschwitz mit Lulus Porträt in das Londoner Elend hineinplatzt, hat ein anderer deutscher Dramatiker mit kunstvollster Stimmungstechnik nicht zustande gebracht, und keine andere Hand hätte heute Mut und Kraft zu solchem Griff in das Menscheninnerste. Shakespearisch grotesk wie das Leben selbst ist diese Abwechslung clownhafter und tragischer Wirkungen bis zu der Möglichkeit, beim Stiefelanziehen von stärkster Erschütterung durchwühlt zu sein. Diese visionär gewendete Moritat, diese vertiefte Melodramatik des »Von Stufe zu Stufe« ist außen Lebensbild, innen Bild des Lebens. Wie ein Fiebertraum – der Traum eines an Lulu erkrankten Dichters – jagen diese Vorgänge. Alwa könnte am Schluß sich über die Augen fahren und in den Armen einer erwachen, die sich erst im Jenseits den Schlaf aus den Augen reibt. Dieser zweite, der Pariser Akt, mit seinen matten Farben eines schäbigen Freudenlebens: alles wie hinter einem Schleier, bloß eine Etappe auf den parallelen Leidenswegen Lulus und Alwas. Sie, vorne, das Blatt eines Erpressers zerknitternd, er hinten im Spielzimmer, ein schwindelhaftes Wertpapier in der Hand. Im Taumel der Verlumpung hastet er über die Szene. Alles drängt dem Abgrund zu. Ein Gewirr von Spielern und Kokotten, die ein gaunerischer Bankier betrügt. Alles schemenhaft und in einer Sprache gehalten, die einen absichtlich konventionellen Ton muffiger Romandialoge hat: »Und nun kommen Sie, mein Freund! Jetzt wollen wir unser Glück im Baccarat versuchen!« Der »Marquis Casti Piani« – nicht als die Charge eines Mädchenhändlers, sondern als die leibhaftige Mission des Mädchenhandels auf die Bühne gestellt. In zwei Sätzen soziale Schlaglichter von einer Grelligkeit, die nur der Schleier der Vorgänge dämpft, ein Ironiegehalt, der hundert Pamphlete gegen die Lügnerin Gesellschaft und gegen den Heuchler Staat überflüssig macht. Ein Mensch, der Polizeispion und Mädchenhändler zugleich ist: »Die Staatsanwaltschaft bezahlt demjenigen, der die Mörderin des Dr. Schön der Polizei in die Hand liefert, 1000 Mark. Ich brauche nur den Polizisten heraufzupfeifen, der unten an der Ecke steht, dann habe ich 1000 Mark verdient. Dagegen bietet das Etablissement Oikonomopulos in Kairo 60 Pfund für Dich. Das sind 1200 Mark, also 200 Mark mehr als der Staatsanwalt bezahlt.« Und, da ihn Lulu mit Aktien abfertigen will: »Ich habe mich nie mit Aktien abgegeben. Der Staatsanwalt bezahlt in deutscher Reichswährung und Oikonomopulos zahlt in englischem Gold.« Die unmittelbarste Exekutive staatlicher Sittlichkeit und die Vertretung des Hauses Oikonomopulos in einer und derselben Hand vereinigt … Ein gespenstisches Huschen und Hasten, ein Grad dramatischer Andeutung, den Offenbach festgehalten hat, da er die Stimmungen E.T.A. Hoffmanns vertonte. Olympia-Akt. Wie Spalanzani, der Adoptivvater eines Automaten, beschwindelt dieser Puntschu mit seinen falschen Papierwerten die Gesellschaft. Seine dämonische Verschmitztheit findet in ein paar Monologsätzen einen philosophischen Ausdruck, der den Unterschied der Geschlechter tiefer erfaßt als alle Wissenschaft der Neurologen. Er kommt aus dem Spielsaal und freut sich diebisch, daß seine Judenmoral um soviel einträglicher ist als die Moral der Huren, die dort um ihn versammelt waren. Sie müssen ihr Geschlecht, ihr »Josaphat«, vermieten – er kann sich mit seinem Verstand helfen. Die armen Frauenzimmer setzen das Kapital ihres Körpers zu; der Verstand des Spitzbuben erhält sich frisch: »braucht er sich nicht zu baden in Eau de Cologne!« So triumphiert die Unmoral des Mannes über die Nichtmoral der Frau. Der dritte Akt. Hier, wo Knüppel, Revolver und Schlächtermesser spielen, aus diesen Abgründen einer rohen Tatsachenwelt klingen die reinsten Töne. Das Unerhörte, das sich hier begibt, mag den abstoßen, der von der Kunst nichts weiter verlangt als Erholung oder daß sie doch nicht die Grenze seiner eigenen Leidensmöglichkeit überschreite. Aber sein Urteil müßte so schwach sein wie seine Nerven, wollte er die Großartigkeit dieser Gestaltung leugnen. Mit realistischen Erwartungen freilich darf man diese Fiebervision in einer Londoner Dachkammer so wenig miterleben wollen, wie die »unwahrscheinliche« Befreiungsgeschichte im ersten Akt und die Beseitigung Rodrigos im zweiten. Und wer in diesem Nacheinander von vier Liebeskunden der als Straßenmädchen verendenden Lulu eine rohe Pikanterie und nicht in diesem Wechsel grotesker und tragischer Eindrücke, in dieser Anhäufung schrecklicher Gesichte den Einfall eines Dichters sieht, darf sich über die niedrige Schätzung seiner eigenen Erlebnisfähigkeit nicht beklagen. Er verdient es, Zeitgenosse jener dramatischen Literatur zu sein, über die Frank Wedekind durch den Mund seines Alwa so bitter abspricht. Aber man kann im Ernst nicht glauben, daß einer so kurzsichtig sein könnte, über der »Peinlichkeit« des Stoffes die Größe seiner Behandlung und die innere Notwendigkeit seiner Wahl zu verkennen. Vor Knüppel, Revolver und Messer zu übersehen, daß sich dieser Lustmord wie ein aus den tiefsten Tiefen der Frauennatur geholtes Verhängnis vollzieht; über der lesbischen Verfassung dieser Gräfin Geschwitz zu vergessen, daß sie Größe hat und kein pathologisches Dutzendgeschöpf vorstellt, sondern wie ein Dämon der Unfreude durch die Tragödie schreitet. Zwar, die unendlichen Feinheiten dieser groben Dichtung erschließen sich dem Leser erst bei genauerer Bekanntschaft: Lulus Vorahnung ihres Endes, das schon auf den ersten Akt seine Schatten wirft, dieses Dahinschweben unter einem Bann und dieses Vorübergleiten an den Schicksalen der Männer, die ihr verfallen sind: auf die Nachricht vom Tode des kleinen Hugenberg im Gefängnis fragt sie, ob denn »der auch im Gefängnis ist«, und Alwas Leichnam macht ihr die Stube bloß unbehaglicher. Dann die blitzartige Erkenntnis des extremsten Mannes, Jacks, der dem unweiblichsten Weibe »wie einem Hunde den Kopf streichelt« und sofort die Beziehung dieser Geschwitz zu Lulu und damit ihre Nichteignung für sein fürchterliches Bedürfnis mitleidig wahrnimmt. »Dies Ungeheuer ist ganz sicher vor mir«, sagt er, nachdem er sie niedergestochen hat. Sie hat er nicht zur Lust gemordet, bloß als Hindernis beseitigt. Zu seiner Befriedigung könnte er ihr höchstens das Gehirn herausschneiden. –

 

Nicht eindringlich genug kann davor gewarnt werden, das Wesen der Dichtung in ihrer stofflichen Sonderbarkeit zu suchen. Eine Kritik, deren hausbackene Gesundheit sich über Dinge der Liebe den Kopf nicht zerbricht, hat schon im »Erdgeist« nichts weiter als ein Boulevard-Drama sehen wollen, in dem der Autor »Krasses mit Zotigem gemengt« habe. Ein führender Berliner Geist hat die Ahnungslosigkeit, mit der er der Welt des Doppeldramas gegenübersteht, durch den Rat bewiesen, der begabte Autor möge nur schnell ein anderes Stoffgebiet wählen. Als ob der Dichter »Stoffe wählen« könnte, wie der Tailleur oder der Wochenjournalist, der auch fremden Meinungen sein stilistisches Kleid borgt. Von der Urkraft, die hier Stoff und Form zugleich gebar, hat heute die deutsche Kritik noch keine Ahnung. Daß die offizielle Theaterwelt ihr Modernitätsideal im jährlichen Pensum ihrer geschickten Ziseleure erfüllt wähnt, daß der Tantiemensegen immerzu die Mittelmäßigkeit befruchtet und die Persönlichkeit die einzige Auszeichnung genießt, keinen Schiller-, Grillparzer- oder Bauernfeldpreis (oder wie die Belohnung für Fleiß, gute Sitten und Talentlosigkeit sonst heißen mag) zu bekommen – man ist gewohnt, es als etwas Selbstverständliches hinzunehmen. Aber nachgerade muß es erbittern, einen Dramatiker, der keine Zeile geschrieben hat, die nicht Weltanschauung und Theateranschauung zu absoluter Kongruenz brächte, und dessen perspektivische Gedankenreihen endlich über das armselige Milieugeschäft emporweisen, von der offiziellen Kunstwelt als ein Kuriosum behandelt zu sehen. Er ist »grotesk«. Und damit glauben die Gerechten, die in der Literatur immer zwei Fliegen mit einem Schlagwort treffen, ihn abgestempelt zu haben. Als ob das Groteske immer Selbstzweck einer Artistenlaune wäre! Sie verwechseln die Maske mit dem Gesicht und keiner ahnt, daß der groteske Vorwand hier nichts geringeres bedeuten könnte, als das Schamgefühl des Idealisten. Der auch Idealist bleibt, wenn er in einem Gedichte bekennt, daß er lieber eine Hure wäre, »als an Ruhm und Glück der reichste Mann«, und dessen Schamgefühl in viel tiefere Sphären langt, als das Schamgefühl derer, die an Stoffen Anstoß nehmen.

 

Der Vorwurf, daß man in eine Dichtung etwas »hineingelegt« habe, wäre ihr stärkstes Lob. Denn nur in jene Dramen, deren Boden knapp unter ihrem Deckel liegt, läßt sich beim besten Willen nichts hineinlegen. Aber in das wahre Kunstwerk, in dem ein Dichter seine Welt gestaltet hat, können eben alle alles hineintun. Was in der »Büchse der Pandora« geschieht, kann für die ästhetische wie – hört, hört – für die moralistische Betrachtung der Frau herangezogen werden. Die Frage, ob es dem Dichter mehr um die Freude an ihrem Blühen oder mehr um die Betrachtung ihres ruinösen Waltens zu tun ist, kann jeder wie er will beantworten. So kommt bei diesem Werke schließlich auch der Sittenrichter auf seine Rechnung, der die Schrecknisse der Zuchtlosigkeit mit exemplarischer Deutlichkeit geschildert sieht und der in dem blutdampfenden Messer Jacks mehr die befreiende Tat erkennt als in Lulu das Opfer. So hat sich ein Publikum, dem der Stoff mißfällt, wenigstens nicht über die Gesinnung zu entrüsten. Leider. Denn ich halte die Gesinnung für arg genug. Ich sehe in der Gestaltung der Frau, die die Männer zu »haben« glauben, während sie von ihr gehabt werden, der Frau, die Jedem eine andere ist, Jedem ein anderes Gesicht zuwendet und darum seltener betrügt und jungfräulicher ist als das Püppchen domestiker Gemütsart, ich sehe darin eine vollendete Ehrenrettung der Unmoral. In der Zeichnung des Vollweibes mit der genialen Fähigkeit, sich nicht erinnern zu können, der Frau, die ohne Hemmung, aber auch ohne die Gefahren fortwährender seelischer Konzeption lebt und jedes Erlebnis im Vergessen wegspült. Begehrende, nicht Gebärende; nicht Genus-Erhalterin, aber Genuß-Spenderin. Nicht das erbrochene Schloß der Weiblichkeit; doch stets geöffnet, stets wieder geschlossen. Dem Gattungswillen entrückt, aber durch jeden Geschlechtsakt selbst neu geboren. Eine Nachtwandlerin der Liebe, die erst »fällt«, wenn sie angerufen wird, ewige Geberin, ewige Verliererin – von der ein philosophischer Strolch im Drama sagt: »Die kann von der Liebe nicht leben, weil ihr Leben die Liebe ist.« Daß der Freudenquell in dieser engen Welt zur Pandorabüchse werden muß: diesem unendlichen Bedauern scheint mir die Dichtung zu entstammen. »Der nächste Freiheitskampf der Menschheit«, sagt Wedekind in seinem programmatischeren Werke »Hidalla«, »wird gegen den Feudalismus der Liebe gerichtet sein! Die Scheu, die der Mensch seinen eigenen Gefühlen gegenüber hegt, gehört in die Zeit der Hexenprozesse und der Alchymie. Ist eine Menschheit nicht lächerlich, die Geheimnisse vor sich selber hat?! Oder glauben Sie vielleicht an den Pöbelwahn, das Liebesleben werde verschleiert, weil es häßlich sei?! Im Gegenteil, der Mensch wagt ihm nicht in die Augen zu sehen, so wie er vor seinem Fürsten, vor seiner Gottheit den Blick nicht zu heben wagt! Wünschen Sie einen Beweis? Was bei der Gottheit der Fluch, das ist bei der Liebe die Zote! Jahrtausende alter Aberglaube aus den Zeiten tiefster Barbarei hält die Vernunft im Bann. Auf diesem Aberglauben aber beruhen die drei barbarischen Lebensformen, von denen ich sprach: Die wie ein wildes Tier aus der menschlichen Gemeinschaft hinausgehetzte Dirne; das zu körperlicher und geistiger Krüppelhaftigkeit verurteilte, um sein ganzes Liebesleben betrogene alte Mädchen; und die zum Zweck möglichst günstiger Verheiratung bewahrte Unberührtheit des jungen Weibes. Durch dieses Axiom hoffte ich den Stolz des Weibes zu entflammen und zum Kampfgenossen zu gewinnen. Denn von Frauen solcher Erkenntnis erhoffte ich, da mit Wohlleben und Sorglosigkeit einmal abgerechnet war, eine frenetische Begeisterung für mein Reich der Schönheit.«

 

Nichts ist billiger als sittliche Entrüstung. Ein kultiviertes Publikum – nicht nur die Vorsicht der Polizeibehörde, auch der Geschmack der Veranstalter sorgte für seine Zusammensetzung – verschmäht billige Mittel der Abwehr. Es verzichtet auf die Gelegenheit, seiner eigenen Wohlanständigkeit applaudieren zu können. Das Gefühl dieser Wohlanständigkeit, das Gefühl, den auf der Bühne versammelten Spitzbuben und Sirenen moralisch überlegen zu sein, ist ein gefesteter Besitz, den nur der Protz betonen zu müssen glaubt. Bloß er möchte auch dem Dichter seine Überlegenheit zeigen. Dies aber könnte uns nie abhalten, auf die fast übermenschliche Mühe stolz zu sein, die wir daran wandten, dem starken und kühnen Dramatiker unsere Achtung zu beweisen. Denn keinem haben sich wie ihm die Striemen, die seelisches Erleben schlug, zu Ackerfurchen dichterischer Saat gewandelt.