27. April 2016 | Kategorie: Artikel, Notizen zur Zeit, Was ein Mensch wert ist
Neue Züricher Zeitung
«Colonia Dignidad» in Chile
Deutscher Aussenminister gibt Akten zu Auswanderer-Siedlung vorzeitig frei
26.4.2016, 15:53 Uhr
(dpa)Das deutsche Auswärtige Amt gibt seine Akten über die berüchtigte frühere Deutschen-Siedlung «Colonia Dignidad» in Chile vorzeitig für die Öffentlichkeit frei. Das kündigte Aussenminister Frank-Walter Steinmeier in Berlin an. Normalerweise wäre das Material noch bis zu zehn Jahre unter Verschluss geblieben. Zugleich gab Steinmeier zu, dass die deutsche Diplomatie zu wenig unternommen habe, um den Opfern der «Colonia Dignidad» zu helfen.Die Siedlung liegt etwa 350 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago und war Anfang der 1960er Jahre von deutschen Auswanderern gegründet worden. Ihr Anführer Paul Schäfer machte daraus eine Art Sekte, deren Grundstück mit Stacheldraht abgeriegelt wurde. Ohne Schäfers Erlaubnis durfte niemand das Lager verlassen. Während der chilenischen Militärdiktatur (1973-1990) wurde dort auch gefoltert.
Hochanständig, dass die dpa den vielfachen Kindesmissbrauch Paul Schäfers unerwähnt lässt und sein Terrorregime als eine Art Sekte verniedlicht. Was treibt das Auswärtige Amt die Akten jetzt freizugeben? Liegt es an dem in Kürze erscheinenden Kinofilm über Colonia Dignidad, der das komplette Versagen der deutschen Botschaft aufzeigt? Auch wegens des Todes von Hans Dietrich Genscher fällt der Zeitpunkt der Freigabe der Akten günstig, soeben posthum. Ein Zufall? Verantwortlicher Außenminister für „die deutsche Diplomatie“ war von 1974 bis 1992 mit Unterbrechung von einem halben Jahr nämlich Hans Dietrich Genscher, einer deutschen Diplomatie, die laut Steinmeier „zu wenig unternommen“ habe. Dem muss in anderem Sinne widersprochen werden, denn sie hat einiges unternommen um den Sachverhalt zunächst konsequent zu verschleiern. Nett, wenn man sich dann mit dem Begriff „deutsche Diplomatie“ so mir nichts dir nichts in Anonymität flüchten kann. Gerade trug man noch die ganze Verantwortung, einen Moment später, wenn sie übernommen werden soll, weiß man von nichts. Ist der Wind vorbei, dann trägt man sie wieder, wie einen Hut, den man nach gusto aufsetzt. Es macht nämlich einen Unterschied, ob die Verantwortung bloß wichtig herumgetragen und vorgezeigt wird oder ob man sie tatsächlich annimmt, sich zu ihr bekennt. Es ist der zwischen Charakter und Chuzpe, zwischen Sein und Schein und viel zu oft zwischen Leugnen und Schuld. Der da 1989 in Prag auf dem Balkon der Botschaft stand, wusste von der Colonia Dignidad schon früh. Amnesty International und die UNO berichteten seit 1977 über das deutsche Folterlager in Chile. Bis 1985 geschah trotz etlicher Hinweise nichts. Erst danach gab es die seit Jahren überfälligen Interventionen, wenigstens dann, wenngleich mit schmalem Erfolg. Aber da waren hundert weitere Kinder dem Schänder Paul Schäfer zum Opfer gefallen. Sein ärztlicher Mittäter war der Arzt Hartmut Hopp, der wegen Beihilfe zum Kindesmissbrauch von einem chilenischen Gericht zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Er setzte sich nach Deutschland ab und lebt hier geschützt vom deutschen Staat. Ein Strafverfahren hier zieht sich trotz unstrittiger Schuld seit 2015 diplomatisch hin. Aber der deutsche Außenminister Genscher wusste 1977 auch von von einer jungen Frau in Argentinien in Folterhaft mit Namen E l i s a b e t h K ä s e m a n n . „Ach, das Mädchen Käsemann“, soll Hans-Dietrich Genscher einmal bei einer Besprechung gesagt haben(1). Mehr nicht, das geriet zum Todesurteil. De mortuis nihil nisi bene, über die Toten nichts Schlechtes, aber es hätte dem Herrn Genscher mehr als gut angestanden, die causa Colonia Dignidad selbstkritisch zu bewerten und zu Lebzeiten das Versagen im Fall Käsemann einzugestehen. An Versuchen, ihn zum Sprechen zu bewegen, hat es nicht gefehlt. Nicht nur den Triumph genießen, sondern auch das mea culpa aussprechen, es hätte mehr gewogen als ein halbes Dutzend Prager Balkons und eine Größe bewiesen, zu der er offenbar unfähig war. So groß er schien, er hätte größer sein können. Wie üblich erblickte der große Moment ein kleines Geschlecht. Über die Schreckensherrschaft der Colonia Dignidad gibt es, wie oben angeführt, einen aktuellen Film von Florian Gallenberger. Das Martyrium von Elisabeth Käsemann wird beschrieben in dem deutschem Dokumentarfilm aus dem Jahr 2014 von Regisseur Eric Friedler “ Das Mädchen – Was geschah mit Elisabeth K.?“
Die komplette Freigabe der Akten zu diesem Fall dürfte noch dauern, nachdem man schon den Dokumentarfilm darüber 2014 ministerlich-diplomatisch unbeschadet ausgesessen hat. Nunmehr wird eine sehr lange posthume diplomatische Anstandsfrist gewahrt werden. Darauf möchte ich wetten, Herr Steinmeier.
https://de.wikipedia.org/wiki/Colonia_Dignidad_%E2%80%93_Es_gibt_kein_Zur%C3%BCck
https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_K%C3%A4semann
http://www.welt.de/politik/deutschland/article128745445/Warum-rettete-Genscher-deutsche-Studentin-nicht.html
(1 ) http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/die-bravouroese-ard-dokumentation-das-maedchen-12972669.html
16. Januar 2015 | Kategorie: Artikel, Notizen zur Zeit, Was ein Mensch wert ist
Die folgende Geschichte beschreibt nur ein Symptom der Krankheit. Der Vorgang deckt sich mit meinen Erfahrungen. Besonders verwerflich scheinen mir die Anrufe bei Schwerstkranken, wann man denn endlich wieder arbeiten ginge, ohne vorher mit dem behandelnden Arzt Kontakt aufgenommen zu haben. Ein psychisch Kranker wurde daraufhin suizidal. Das änderte nichts an der Praxis. Denn weniger sich der Mensch ähnelt, desto besser funktioniert er. So schafft die entstellteste Gesellschaft das höchste Bruttosozialprodukt. Was wäre, widmeten die Menschen einen größeren Teil ihrer Aufmerksamkeit dem, was im Kopf ist, statt immer wieder dem, was auf ihm ist? Der Lebensbogen sähe sich weniger vom Ellenbogen dominiert.
W.K. Nordenham
Ärzte Zeitung, 16.01.2015
Betroffener berichtet
Kampf gegen Krebs und Bürokratie
Als Wolfgang Jorzik die Diagnose Krebs erhält, kommt zu der Angst vor der Krankheit schnell ein gewaltiger bürokratischer Aufwand. Seither kämpft der 52-Jährige für eine Entbürokratisierung, schnellere Hilfe für Betroffene – und mehr Menschlichkeit im Umgang mit Schwerstkranken.
Von Anja Krüger und Pascal Beucker
Vielleicht ist es das letzte Fest, das sie zusammen feiern. An einem regnerischen Wintertag treffen sie sich alle noch einmal. Den ganzen Nachmittag kommen immer wieder neue Gäste, viele mit Kindern. Ein Gartenfest, bei Glühwein und Brezeln. Schließlich habe es mit dem geplanten Sommerfest nicht geklappt, hat Wolfgang Jorzik in der Einladung geschrieben. Das soll nachgeholt werden, aber „nicht drinnen in der Comfort-Zone, sondern beinhart und stilecht im Gartenhaus und im Garten“. Herzlich fallen die Begrüßungen aus an diesem Tag, wärmer noch die Verabschiedungen. Das Fest müsse schnell stattfinden, hatte seine Frau Louisa den Eingeladenen mitgeteilt. Sie beobachtet, dass ihr Mann sich verändert. Sie weiß nicht, ob das am Kortison oder den Tumoren in seinem Kopf liegt. Sie will nicht, dass es zu spät sein könnte für ein großes Wiedersehen mit Bekannten, Freunden und Kollegen. Wolfgang Jorzik kämpft gegen den Krebs – und gegen die Bürokratie. „Die Sanduhr läuft“, sagt der 52-Jährige. „Und es ist unglaublich, wie viel Zeit man in Anträge und Formulare stecken muss. „Vor elf Monaten ist sein Leben und das seiner Familie aus den Fugen geraten, von einem Tag auf den anderen. Rückblickend weiß der Journalist die vorangegangenen Veränderungen als Symptome zu deuten. Wortfindungs- und Gleichgewichtsstörungen, ein zwanghaftes Rückwärtslesen von Wörtern, ein merkwürdiges Verhältnis zu Zahlen. So addierte er die Ziffern auf einer Flitzebogenscheibe immer und immer wieder, genau wissend, dass sie 920 ergaben. Plötzlich versetzte sein Fahrstil seine Frau und die Zwillinge des Paares in Angst und Schrecken. Dabei war er doch stets ein äußerst zurückhaltender Autofahrer.
Niederschmetternde Diagnose
Am 17. Februar strandet er auf einem Parkplatz in Leverkusen. Er ruft seine Frau an, ist extrem verwirrt. Sie alarmiert die Polizei. Die Beamten bringen ihn sofort in die Klinik. Zwei Stunden später, nach einem MRT des Kopfes und des Brustkorbs, eröffnet der Oberarzt dem Journalisten: Er hat eine sehr aggressive Form von Lungenkrebs. Weitere Untersuchungen ergeben Metastasen in der Leber und drei Tumore im Kopf, einer mit einem Durchmesser von fast vier Zentimetern im Stammhirn. Die Diagnose ist niederschmetternd. Die Ärzte geben Wolfgang Jorzik ohne Behandlung drei Monate. Im Sommer sollen seine Zwillinge eingeschult werden. Mit der Behandlung beginnt dann auch ein ständiger Kampf mit der Bürokratie. Die Krankenkasse verlangt Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, die fristgerecht beim Arzt am anderen Ende der Stadt abgeholt werden müssen. Beim medizinischen Dienst der Krankenkassen muss eine Pflegestufe beantragt, die Begutachtung organisiert werden. Der Schwerbehindertenausweis muss beantragt werden, mit genau definiertem Passbild. Der Antrag an die Krankenkasse für eine Haushaltshilfe zieht sich ewig hin, denn der freie Radiojournalist und seine Frau sind bei unterschiedlichen Kassen versichert.“E r s t n a c h d i v e r s e n A n r u f e n w a r z u e r f a h r e n , d a s s w e i t e r e U n t e r l a g e n w i e A r z t b r i e f e f e h l e n „, berichtet Jorzik. D o c h d a s t e i l t d i e K a s s e n i c h t m i t , s i e w a r t e t e i n f a c h a b . Aufseiten des Patienten dagegen muss alles so schnell wie möglich geschehen. Werden Unterlagen wie die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht fristgemäß eingereicht, wird die Leistung gestrichen. Dabei ist die Diagnose ein Schock, der erst einmal verarbeitet werden muss. D i e B ü r o k r a t i e h i l f t d a b e i n i c h t , i m G e g e n t e i l . „Ausgerechnet dann, wenn man am wenigsten Kraft hat, muss man am meisten kämpfen“, sagt Jorziks Frau Louisa Schaefer, die ebenfalls Journalistin ist. Von vielen Mitpatienten erfährt Jorzik, dass sie ähnliche Erfahrungen machen. Der Kampf mit Formularen, Ämtern und Kassen ist für schwer Kranke und ihre Angehörigen eine enorme Belastung. So manchen Patienten erwartet nach dem Klinikaufenthalt erst einmal ein Berg von Formularen, der mühsam abgearbeitet werden muss, weiß der Journalist.
Mehr Menschlichkeit gefordert
Er will eine gesellschaftliche Diskussion in Gang setzen. In einem Beitrag für die Tageszeitung „taz“ fordert er im Mai mehr Menschlichkeit für Schwerstkranke. Der Titel des Artikels, „ICD-10-GM-2014 C34.9“, ist sein Diagnoseschlüssel. „Vieles spricht für eine neue Verwaltungsethik, für Menschlichkeit bei bürokratischen Vorgängen im Angesicht des Todes. Denn es sind Steuergelder und Krankenkassenbeiträge, die diese Verwaltungen finanzieren“, schreibt er. Und bekommt viel Resonanz. Der Text findet im Internet rasche Verbreitung, sein Blog „Cancer Corner“ viele Leser. Jorzik schreibt regelmäßig über seine Erfahrungen. „Trotz des Ernstes der Lage klingt für mich in Ihren Zeilen viel Mut und Ermutigung durch. Manchmal so viel, dass ich mich frage, wo Sie bloß mit Wut, Trauer und Verzweiflung bleiben. Ich hoffe, auch dafür gibt es Platz“, schreibt ihm ein Arzt. Wolfgang Jorzik ist sich sicher, dass sich für schwerstkranke Patienten und ihre Angehörigen vieles erleichtern ließe – wenn es den politischen Willen dafür gäbe. „Die Nachricht, dass bei dem krankenversicherten Patienten C34.9 und C79.3 diagnostiziert sind, sollte den Verwaltungsapparat in Gang bringen, um dem Mitglied der Kasse sofort mögliche Hilfen vorzuschlagen, von der Übernahme der Fahrtkosten bei ambulanten Behandlungen wie der Strahlentherapie, einer Haushaltshilfe, einen Hinweis auf den Schwerbehindertenausweis und auf den psychosozialen Dienst des Jugendamtes der Kommune“, fordert er. Es gibt Hilfsangebote für Schwerstkranke und ihre Familien, wissen Wolfgang Jorzik und Louisa Schaefer aus eigener Erfahrung. Das Paar ist den Kindern gegenüber offen mit der Erkrankung umgegangen. Leicht war das aber nicht. Die beiden haben sich professionelle Unterstützung geholt. Die Pädagogin, die den Kindern beistehen sollte, stellte ihre Arbeit rasch wieder ein. Ihnen gehe es gut, die Eltern würden genau richtig mit ihnen umgehen. Aber von der Existenz solcher Angebote müssen Betroffene erst einmal erfahren, und sie müssen sie finden. Bewilligt sind sie damit auch noch nicht. Dafür müssen Dutzende von Kopien angefertigt, zigfache E-Mails geschrieben werden. „Mir ist es schleierhaft, warum bürokratische Abläufe in schwierigen Lebenslagen nicht vereinfacht werden können“, sagt Jorzik. „Eine einfache Meldung der Diagnose und Hilfe, ohne seitenweise Formulare ausfüllen zu müssen – das allein würde Betroffene und ihre Familien ungemein entlasten und gäbe den Verwaltungen die Chance, Empathie und Kundenfreundlichkeit zu zeigen“, sagt er. Finanzielle Sorgen kommen hinzu. Doch die Realität sieht ganz anders aus: „Multiple-Choice-Fragebögen erwarten Kreuzchen an der richtigen Stelle, die ersichtlich machen sollen, wer was bei wem wann an finanzieller Unterstützung beantragt hat oder ob schon Geld geflossen ist“, weiß Jorzik. „Was würden sich die Verwaltungen der Krankenkassen, Kommunen und Rentenversicherungen vergeben, wenn sie ihre eigenen und gemeinsamen Hilfsangebote synchronisieren und im Krisenfall leicht abrufbar machen?“ Technisch dürfte das im Internetzeitalter kein Problem sein. Nicht nur der Krebs macht onkologischen Patienten Angst. Viele haben finanzielle Sorgen, auch Jorzik. Noch bekommt er Krankengeld, 1100 Euro im Monat. Wegen derselben Krankheit zahlt die Krankenkasse maximal 78 Wochen Krankengeld. So steht es im Sozialgesetzbuch. Diagnose und Arbeitsunfähigkeit seit Februar 2014 bedeutet ein Mindestmaß an finanzieller Absicherung bis August 2015, glaubte er zunächst: „Vielleicht genügend Zeit, ohne allzu großen finanziellen Druck das eigene Leben und das der Familie in ruhigere Bahnen zu bringen – auch wenn die Krebsstatistik für mich nunmehr 52-Jährigen den August 2015 für kaum erreichbar hält“, schrieb er in seinem Blog. Wolfgang Jorzik ist arbeitsunfähig. So steht es im Entlassungsbericht der Reha-Klinik. Chemo- und Strahlentherapie haben ihre Folgen hinterlassen. Müdigkeit, Kurzatmigkeit und Schwäche sind Normalität geworden. Er kann schlecht hören. N a c h d e m d i e R e h a z u E n d e i s t , r u f t d i e z u s t ä n d i g e S a c h b e a r b e i t e r i n d e r K r a n k e n k a s s e r e g e l m ä ß i g a n : W a n n e r w i e d e r a r b e i t e n k ö n n e ? Das kann er nicht sagen. T r o t z d e m r u f t s i e i m m e r w i e d e r a n . Dann schickt die Rentenversicherung ein Schreiben mit dem Vorschlag, dass er einen Antrag auf Rente stellt. Er würde viel weniger Geld bekommen, etwa 300 Euro im Monat. Wovon soll die Familie dann leben? Ein Krankenhausaufenthalt überlagert diese Frage. Im Oktober beginnt die nächste Chemotherapie. Gerade aus dem Krankenhaus zurück, ruft die Sachbearbeiterin von der Krankenkasse wieder an. „Ihre Rentenversicherung hat Ihnen geschrieben. Haben Sie sich schon entschieden?“, will sie wissen. Das hat Jorzik, der zu diesem Zeitpunkt wegen einer halbseitigen Kehlkopflähmung nur noch flüstern kann, nicht. „Sie sollten den Rentenantrag stellen“, sagt die Sachbearbeiterin. „Das hat nur Vorteile für Sie.“
Im Ermessen der Krankenkasse
Schließlich deutet die Rentenversicherung seinen Antrag auf Reha-Leistungen um in einen Antrag auf Verrentung. „An dieser Stelle ist die Krankenkasse vom Gesetzgeber gefordert, die entsprechenden Schritte einzuleiten“, sagt Kerstin Danylak von der BKK mhplus. Die Entscheidung treffe aber die Rentenversicherung. Krankenkassen haben einen Ermessensspielraum, das Krankengeld weiter zu zahlen. Der sei auf bestimmte Tatbestände eingegrenzt, sagt Danylak. „Entsprechende Fakten liegen uns im Falle von Herrn Jorzik nicht vor.“ Die mhplus habe sich im November telefonisch mit ihm in Verbindung gesetzt. „Krankheitsbedingt konnte dieses Angebot an Herrn Jorzik nicht umgesetzt werden, da dem Patienten das Sprechen sehr schwerfiel“, sagt Danylak. Die Kasse habe ihn schriftlich über die Notwendigkeit informiert, einen Rentenantrag zu stellen. „An diesem Punkt wurde es jedoch versäumt, alle durch Herrn Jorzik angefragten Informationen zur Verfügung zu stellen. Dieses Versäumnis hat die mhplus eingeräumt und bedauert“, räumt Danylak ein. Wolfgang Jorzik fühlt sich ausgetrickst. Er lässt sich juristisch beraten. Nichts zu machen. Die Krankenkasse darf ihm drohen, die Zahlung des Krankengelds einzustellen, wenn er nicht wie gewünscht einen Antrag auf Rente stellt. Stilvoll und moralisch sei das Verhalten allerdings nicht, konstatiert der Rechtsanwalt. “ S i e s i n d e b e n n u r e i n V o r g a n g , d e r a b g e a r b e i t e t w i r d „, sagt der Jurist zu ihm. Freunde haben ein Spendenkonto für die Familie eingerichtet.
Neue Chemotherapie begonnen
Im Dezember stellen die Onkologen weitere Metastasen im Gehirn fest. Von weit her sind Freunde zum Gartenfest gekommen. Vor der Hütte spielt ein Freund Akkordeon, ein anderer Gitarre. Wolfgang Jorzik und Louisa Schaefer stehen unter dem kleinen Vordach. Etwas entfernt brennt trotzig ein Feuer in einer Metallschale, Kinder spielen Fußball. Jorzik lächelt. Er hebt die Arme, um die vielen Umstehenden zum Singen zu ermuntern. Manche singen, manchen versagt die Stimme. Wider Erwarten finden die Ärzte nach der Gartenparty doch noch eine weitere Therapieoption. Mit dem neuen Jahr hat Wolfgang Jorzik eine neue Chemotherapie begonnen. Die dritte. Und er hat der Bürokratie einen kleinen Sieg abgerungen. Weil die BKK mhplus ihn nicht ausreichend informiert hat, erstattet sie seine Anwaltskosten, hat sie ihm gerade telefonisch mitgeteilt. Jorzik freut sich. „Es lohnt sich, sich zu wehren.“
14. Juli 2012 | Kategorie: Artikel, Geld oder Leben, Justiz, Seelenmord, Was ein Mensch wert ist
Hier geht es ums Leben:
Hannoversche Allgemeine 22.05.2012
Hohe Strafe für Missbrauch der Tochter
Das Landgericht Hannover hat am Montag einen 38-Jährigen zu s e c h s J a h r e n u n d n e u n M o n a t e n Haft verurteilt, weil er sich 56-mal an seiner eigenen Tochter vergangen hat. Das Gericht befand ihn des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 49 Fällen und schweren sexuellen Missbrauchs in sieben Fällen für schuldig. Beim ersten Vorfall war das Kind gerade s i e b e n J a h r e a l t .
Kölner Stadtanzeiger 09.07.2012
Hohe Haftstrafe für Kinderschänder
Klaus W. (Name geändert) aus Bergisch Gladbach muss für f ü n f J a h r e u n d s e c h s M o n a t e hinter Gitter. Der Vorsitzende Richter der Zweiten Großen Strafkammer am Kölner Landgericht verurteilte den Rentner wegen sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung in mindestens 28 Fällen zu der mehrjährigen Freiheitsstrafe.
Begonnen hatte der Missbrauch an den Kindern seiner Verlobten im Oktober 2009. Rund zwei Jahre verging sich Klaus W. immer wieder an den zum Zeitpunkt der ersten Taten n e u n und z w ö l f Jahre alten Mädchen. Laut der Staatsanwaltschaft wurden die Taten meist unter Alkoholeinfluss begangen. (…) St r a f v e r s c h ä r f e n d war nach Ansicht von Staatsanwaltschaft und Richter, dass der Missbrauch an den beiden Mädchen u n g e s c h ü t z t verlief.
Das G e s t ä n d n i s w i r k t e s i c h s t r a f m i l d e r n d auf das Urteil aus, ersparte es den Kindern doch die belastende Aussage vor Gericht. „ Die Mädchen befinden s i c h i n p s y c h i a t r i s c h e r B e h a n d l u n g , haben in der Schule nachgelassen, klagen über Schlafstörungen und Albträume“, sagte die S t a a t s a n w ä l t i n in ihrem Plädoyer. „Eines der Mädchen leidet unter nächtlichen Essattacken, ihre Schwester hat sich zurückgezogen und ist sozial isoliert“, berichtete die Vertreterin der Anklage weiter. (…) Verteidiger Bode hatte ein ähnliches Strafmaß erwartet: „Ein angemessenes Urteil für eine schlimme Tat.“
Hier geht es um Geld:
Frankfurter Rundschau 27.06.2012
Gerhard Gribkowsky Bayern LB Ex-Top-Banker muss hinter Gitter
Das Landgericht München hat den früheren BayernLB-Vorstand Gribkowsky zu acht Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Der Vorsitzende Richter sprach ihn der Bestechlichkeit, Steuerhinterziehung und Untreue schuldig. Der ehemalige Landesbanker Gerhard Gribkowsky muss für a c h t e i n h a l b Jahre ins Gefängnis. Er habe keinen Zweifel, dass sich der 53-jährige mit hoher krimineller Energie der Bestechlichkeit, Untreue und Steuerhinterziehung jeweils gewaltiger Millionensummen schuldig gemacht hat, sagte Richter Peter Noll bei seinem Urteilsspruch am Landgericht München. Als Höchststrafe wären 15 Jahre möglich gewesen. Die Staatsanwaltschaft hatte z e h n e i n h a l b Jahre Haft gefordert.
Herr Gribowski hat akzeptiert.Fünfzehn Jahre hätten es sein können für jenen Herrn, so wird getönt, der sich doch nur der Bestechlichkeit, Steuerhinterziehung und Untreue schuldig gemacht hat. Menschen hat er insoweit nicht geschadet, außer sich selbst möglicherweise. Das Leben der Kinder, die missbraucht wurden, ist zerstört, der Seelenmord vollendet. Doch machen weder Strafen nichts auch nur annähernd gut, noch nützt Vergebung, und so kommt es regelmäßig zu Urteilen, die das unversehrte Leben dem Recht auf Besitz strafgemildert nachordnen. Oben hält daher ein Verteidiger die Strafe für angemessen. An welcher Stelle des Urteils im zweiten Fall nicht verwendete Präservative sich strafverschärfend auswirkten, habe ich trotz intensiven Nachdenkens nicht herauszufinden vermocht. Wer sollte hier wovor zusätzlich geschützt werden, wo doch Schutzlosigkeit Bedingung für die Schandtat war? Da hier eine Staatsanwältin von Amts wegen tätig war und keine Hodenträger, die Anklage und Urteil zu vertreten hatten, muss ich mich korrigieren, der ich ausschließlich die Hodenträger verdächtigte, den Missbrauch der Kinder gegenüber dem Vergehen am Gelde zu mild zu beurteilen. Offensichtlich ist diese Haltung Programm. Vor Jahren las ich einen kurzen Artikel in der Ärztezeitung, dass drei Viertel der drogenabhängigen Frauen einen Missbrauch hinter sich haben. Der Artikel erlitt selbstverständlich das Schicksal jeder Randnotiz. Er wurde überlesen und vergessen – nicht von mir.
03. Juli 2012 | Kategorie: Artikel, Justiz, Was ein Mensch wert ist
Kölner Stadtanzeiger 29.06.2012
Versuchter Totschlag – Sechs Jahre Haft für Recep K.
Besinnungslos stach Recep K. auf seine Ex-Frau ein, bis die Klinge sich verbog. Nun wurde er vor dem Kölner Landgericht wegen versuchten Totschlags zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt.
Seine Ex-Frau lag schon bewusstlos vor ihm, da zog Recep K. sie hoch und wollte noch einmal zustechen. Die K l i n g e w a r j e d o c h s c h o n s o v e r b o g e n , dass es dem 26-Jährigen nicht gelang, sie an ihrem Hals anzusetzen. „S i e h a b e n z u m G l ü c k v e r s a g t “, sagte der Anwalt der Ex-Frau am Montag vor dem Landgericht. Die 25-Jährige überlebte den Angriff mit insgesamt zehn Messerstichen. (…) Recep K. wurde vor allem von seiner Verzweiflung getrieben. Er wollte die Trennung von seiner Frau nicht akzeptieren – trotz Scheidung. Das Paar näherte sich immer wieder an, die 25-Jährige verweigerte ihm aber das Besuchsrecht für die beiden Töchter (fünf und sechs Jahre), zog sich schließlich zurück. „Er war durch dieses Hin und Her in einem Wechselbad der Gefühle“, sagte sein Verteidiger. Vor den Augen der Töchter schlug Recep K. seiner Ex-Frau zwei Tage vor der Tat im Dezember 2011 so heftig ins Gesicht, dass ihr Nasenbein brach. Am 5. Dezember wollte er sich laut eigener Aussage bei ihr entschuldigen. Es kam zum Streit, sie lief weg, er verfolgte sie und stach schließlich „blindwütig“ zu,wie der Staatsanwalt sagte. Er sieht ein „h o h e s M a ß a n V e r r o h u n g“ darin, dass Recep K. ihr offenbar die Kehle durchschneiden wollte – „wie einem Tier“. Die 25-Jährige hat ein sc h w e- r e s T r a u m a e r l i t t e n u n d i s t i n p s y c h o l o g i s c h e r B e h a n d l u n g. Auch eine Zeugin, eine 44 – jährige Imbissbesitzerin, ist traumatisiert .
Kölner Stadtzeiger 29.06.2012
Recep K. (26) ist nach Überzeugung des Bonner Psychiaters und Neurologen Wolf Gerlich (64) strafrechtlich voll verantwortlich für seine Tat. (…)
Der Gutachter machte in seinen Ausführungen keinen Hehl aus seiner Überzeugung, d a s s d e r b i s h e r i g e U m g a n g d e r J u s t i z mit den z a h l r e i c h e n G e w a l t t a t e n d e s A n g e k l a g t e n „n i c h t n a c h v o l l z i e h b a r “ s e i . In dessen Vorstrafenregister sind zehn Eintragungen mit einschlägigen Delikten aufgelistet. So habe der Angeklagte „nie gelernt, mit seinen Aggressionen umzugehen“. Der Psychiater nannte als Beispiel eine „merkwürdige Sozialprognose“ des Landgerichts aus dem Jahr 2004, die von einem positiven Zukunftsverhalten des Angeklagten ausging. Diese Begründung hatte die Strafkammer damals in der Berufungsinstanz dazu bewogen, K. noch einmal Bewährung zu geben. Obwohl das Amtsgericht in vorangegangener Instanz eine einjährige Haftstrafe für angemessen hielt. Der Angeklagte hatte damals erklärt, er habe sich in der Türkei verlobt. Mit der Frau, mit der er in Deutschland zwei Kinder hat und einen jahrelangen Rosenkrieg führte, der in den beinahe tödlichen Messerstichen im Dezember 2011 gipfelte.
Ich habe ein gestörtes Verhältnis zur Gewalt. Ich kann sie einfach nicht ertragen und noch weniger ertragen kann ich ein Verständnis, welches den Täter verstehen möchte auf Kosten des Opfers und in dem Tötungsversuch mit zehn Messerstichen einen versuchten Totschlag erkennt, den das Opfer nur dank verbogener Klinge überlebt. Wenn der Anwalt der Frau folgert, der Täter habe „zum Glück versagt“, so fragt man sich: Zu wessen Glück? Dass die Frau nicht tot ist oder dass der Täter mit zwei Jahren mehr hätte rechnen müssen? „Ein hohes Maß an Verrohung“ erkenne auch ich, allerdings im Umgang der Justiz bei Körperverletzung. Dass aus bagatellisierter Gewalt in unserer Zeit eine Aufforderung zur Tat erwächst, die sich einer gewisser Toleranz sicher sein darf und zum Amüsement der Täter über die Justiz geführt hat, scheint noch nicht bis zu den Stühlen der Richter vorgedrungen zu sein, deren sie sich zum Teil in ihren Urteilen zu entledigen scheinen. W. K. Nordenham
16. Juni 2012 | Kategorie: Artikel, Geld oder Leben, Seelenmord, Was ein Mensch wert ist
Hier geht es ums Leben:
Berliner Kurier Freitag, 23. September 2011
Waldorf-Lehrer wegen Kindesmissbrauchs verurteilt.
Ein Pädagoge der miesen Sorte: Den Biedermann gab er in einer Waldorfschule im Märkischen Viertel. 2 0 M a l aber machte er sich in seiner Wohnung an J u n g s r a n . (…) Er ließ seine Verteidigerin reden: „Die Vorwürfe treffen zu.“ Kein Bedauern, aber Jammern über seine Lage in fünf Monaten U-Haft. Alles begann mit Ermittlungen gegen einen mutmaßlichen Kinderschänder -Ring. Pädophile sollen unter dem Deckmantel eines Hilfsvereins Waisenkinder aus Haiti s e x u e l l m i s s b r a u c h t haben.(….) E. ist Englisch-Lehrer seit 43 Jahren, die Waldorfschule hatte ihn nach bekannt werden der Vorwürfe entlassen. Urteil: z w e i J a h r e a u f B e w ä h r u n g und 3000 Euro Buße.
Der Westen – WAZ-Gruppe online 16.3. 2012
Bochum. „Das sind schwere Verbrechen“, sagte Richter Johannes Kirfel im Urteil am Freitag. Seine Strafkammer hatte soeben zwei 19 und 20 Jahre alte Bochumer w e g e n E i n b r u c h s , s c h w e r e r B r a n d s t i f t u n g u n d R a u b e s verurteilt. Der 20 – Jährige bekam d r e i J a h r e und z e h n Monate Jugendstrafe, der 19-Jährige e i n J a h r w e n i g e r. (…)
Wie berichtet, hatten der Lehrling und der Aushilfsarbeiter in der Nacht des 28.11.2011 die Wohnung eines Bekannten im Ehrenfeld aufgebrochen (…) Nachher legten sie in der Wohnung … Feuer. (…) In derselben Nacht zogen die Täter weiter zur Castroper Straße und raubten dort einen anderen Bekannten (26) in seiner Wohnung aus. Der 20-Jährige, damals alkoholisiert, packte das arglose Opfer von hinten mit einer Hand gegen die Stirn und zog mit der anderen Hand ein Messer an seinem Hals entlang. Er soll richtig durchgezogen haben. Weil d i e K l i n g e o f f e n b a r n i c h t s c h a r f w a r, ü b e r l e b t e d a s O p f e r , e r l i t t a b e r ä u ß e r s t t i e f e S c h n i t t – w u n d e n a m O h r . Nach der Messerattacke hatten die Täter d i s k u t i e r t , ob sie d a s O p f e r t ö t e n s o l l e n. Die Staatsanwältin wollte für den Älteren w e g e n d e r M e s s e r – a t t a c k e (…) s e c h s Jahre Haft. D e m f o l g t e n d i e R i c h t e r a b e r n i c h t .
come-on.de 20.03.12
Sexueller Kindesmissbrauch: Halveraner verurteilt
HALVER ▪ Am Ende glaubte das Gericht der 14-jährigen Zeugin und nicht dem Angeklagten: W e g e n s c h w e r e n s e x u e l l e n M i s s b r a u c h s e i n e s K i n d e s , N ö t i g u n g u n d K ö r p e r v e r l e t z u n g v e r u r t e i l t e die erste große Strafkammer des Landgerichts Hagen einen 44-Jährigen aus Halver zu einer Haftstrafe von f ü n f J a h r e n .(…)
Short news 23.04.11 09:11
Ehemaliger DSDS-Kandidat wegen Kindesmissbrauch verurteilt
Vor dem Landgericht Rostock musste sich der 22-jährige Sven B. verantworten. Vor Gericht wurde ihm der Missbrauch eines neunjährigen Mädchens und eines zwölfjährigen Jungen vorgeworfen. Die Taten ereigneten sich im Frühjahr 2010. (…) Der 22-Jährige wurde zu einer Freiheitsstrafe v o n d r e i J a h r e n u n d a c h t M o n a t e n verurteilt.
Bild- online 29.03.2012
Giuseppe M. (23) in den Tod gehetzt U-Bahn-Schläger kommen mit Bewährung davon.
Berlin – Erst prügelten sie, dann hetzte einer der U-Bahn-Schläger den 23-Jährigen Giuseppe M. auf die Straße. Dort wurde der flüchtende Mann von einem Auto erfasst und getötet. Am Donnerstag wurde das Urteil gegen die Gewalttäter gefällt. Für den 21-jährigen Haupttäter hatte die Staatsanwaltschaft viereinhalb Jahre Gefängnis gefordert. Stattdessen bekam Ali T . (21) eine B e w ä h r u n g s s t r a f e v o n z w e i J a h r e n . Der Mitangeklagte Baris B. (22) wurde zu 4 M o n a t e n B e w ä h r u n g verurteilt. Das Urteil lautete auf K ö r p e r v e r – l e t z u n g m i t T o d e s f o l g e .
Soester Anzeiger 30.01.12
Körperverletzung mit Todesfolge bei Abi-Fete in Soest. Dreieinhalb Jahre Haft für Kayahan B.
SOEST ▪ Genau ein Jahr und einen Tag nach der tödlichen Messerattacke im Anno hat das Landgericht einen juristischen Schlussstrich gezogen und den Schüler Kayahan B. wegen K ö r p e r- v e r l e t z u n g m i t T o d e s f o l g e zu einer Jugend-Haftstrafe von d r e i J a h r e n u n d s e c h s M o n a t e n verurteilt.
Jetzt geht es um Geld:
Kölner Stadtanzeiger 23.1.2012 MAMMUTPROZESS
Wiederholungstäter prellt seine Opfer um 2,7 Millionen Euro.
Der Serienbetrüger Ralf J. ist wegen Betrugs in 38 Fällen mit einem Gesamtschaden v o n 2, 7 M i l l i o n e n E u r o z u s i e b e n J a h r e n und z e h n M o n a t e n Gefängnis verurteilt worden.
Die Welt kompakt 28.03.12
Lange Haft für „Netto-Räuber“(…)
Die beiden „Netto-Räuber“ sind am Dienstag in Köln zu hohen Haftstrafen verurteilt worden. Der 38 Jahre alte Haupttäter erhielt unter anderem wegen schweren Raubes und Betrugs a c h t e i n h a l b , sein 40-jähriger Komplize muss für s i e b e n J a h r e ins Gefängnis. Damit ging das Kölner Landgericht noch über d i e F o r d e r u n g d e r S t a a t s a n w a l t s c h a f t h i n a u s . Mehreren traumatisierten Opfern müssen die Täter außerdem bis zu 4000 Euro Schadensersatz zahlen.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die zwei Männer sechs Jahre lang mehr als 30 Discounter und Supermärkte in ganz Deutschland überfallen hatten. Ihre Beute: rund 750 000 Euro.
B.Z. (Berliner Zeitung) 03. April 2012
Brandstifter André H. zündete letztes Jahr 102 Autos an. Nun muss er für 7 Jahre ins Gefängnis.
André H. (28), Berlins schlimmster Hass-Zündler, fackelte im Sommer vergangenen Jahres 102 Luxusautos ab. Aus Neid auf Leute, die reicher sind als er. Aus Geltungssucht. Und aus Liebeskummer. Das Landgericht der Hauptstadt sprach ihn am Dienstag schuldig. Er muss für s i e b e n J a h r e ins Gefängnis.
Die oben aufgelisteten Urteile beweisen nur eines: Geld hat sich das Leben untertan gemacht. Wer sich am Geld vergreift, muss mit härterer Strafe rechnen, als der, der unter Anwendung schlimmster Gewalt mit Leib und Leben anderer spielt, obwohl eines unbestritten bleibt: Auf jedem Missbrauch folgt ein zerstörtes Leben. Das ist nicht in Euro zu beziffern und noch weniger mit Euro oder Haft gutzumachen, woraus bei den Gerichten Ratlosigkeit durch ein Verständnis sich ergänzt sieht, das mit der Milde gegenüber dem Täter sich selbst als Teil einer gewalttätigen Gesellschaft zu exkulpieren versucht, zumal jede Sühne angesichts der seelischen Verletzung immer zu gering erscheinen muss. Der Sühnegedanke unseres Rechtssystems auch einer erzieherisch gedachten Strafe für den Täter verblasst vor dem von ihm vollbrachten Seelenmord. Für Angriffe mit gefährlichen Waffen und schwere Körperverletzung gilt Ähnliches. Alle Tat benötigt einen Täter, der Täter benötigt ein Opfer, und Opfer aber auch Täter erwarten dann so etwas wie Gerechtigkeit in einer Zeit, die körperliche und seelische Unversehrtheit des Anderen für vernachlässigbar und Verantwortungskultur für Schwäche hält. Die Schwelle zur Gewaltanwendung ist dank medialer Gehirnwäsche auf Bagatellniveau. Gewaltbereitschaft und -anwendung ist gerade nicht unabwendbarer gesellschaftlicher Prozess, sondern Folge ständiger Gewöhnung in Wort und Bild bei Tag und bei Nacht. Was geschieht mit einem Zehnjährigen, dem bis zum zwanzigsten Lebensjahr in jedem zweiten Krimi Tritte gegen Kopf und Leib realistisch vorgeführt werden, neben Mord und Totschlag mit unterschiedlichsten Utensilien ? Wie Menschen in unserer Zeit inzwischen mal eben nebenbei mit einem Messer traktiert und dabei oft genug zu Tode gebracht werden, bestürz mich. Werden Messer in unserer Gesellschaft nicht mehr als Mordinstrument wahrgenommen, sondern etwa als Mittel zur Selbstverteidigung? Was unterscheidet einen Revolverschuss von einem Messerstich? Gar nichts! In beiden Fällen muss mit dem Tod des Verletzten gerechnet werden und der Täter nimmt dies billigend in Kauf. Scheinbar sind wir auf dem Wege zu einem Kollektiv von Messerträgern, und Justiz fügt sich ins Vermeidliche, um das Vermeidbare dann zielsicher pejorisierend abzuurteilen. Das ist mit den obigen Urteilen bewiesen, denen man täglich neue hinzufügen könnte, ohne dass es weiterer Erläuterungen bedürfte. Aber wenn der Täter die Tat hinter sich hat, dann ist das Opfer entweder tot oder es hat die Tat vor sich, nämlich im schlimmsten Falle ein Leben lang. Während sich die Justiz, vom Gesetz dazu bestimmt, sich mit dem Täter intensiv befasst, bleibt dem Opfer eben nur diese eine Rolle. Sobald das Voyeuristische des Tathergangs aus dem veröffentlichten Gedächtnis weicht, durch neuerliche Täter/Opfer Geschichten dazu genötigt, ist der Aufschrei im Opfer lange nicht verhallt. Welche Strafe oder Sühne muss hier greifen? Was ist ein Mensch wert? Nicht genug ! Buße tun oder Strafe sollte schon als solche deutlich erkennbar sein. Es kein Privileg allein der Jugendjustiz, Gewaltvergehen für ein Kavaliersdelikt zu halten, indem man mit gehobenem Zeigefinger gesellschaftsimmanente Strömungen mitverantwortlich macht ohne gleichzeitig etwas dagegen unternehmen wollen, beispielsweise durch angemessene Urteile. Der Hinweis auf eine schwere Kindheit – gibt es überhaupt eine Leichte? – oder Alkoholgenuss spielen aus Opfersicht keine Rolle. Vor 2 Jahren wurde ein Freund vor Zeugen vollkommen grundlos in ein Schädeltrauma geschlagen. Die Richterin stellte den Angeklagten im Prozess vor dem dergestalt Opfer zur Rede, dass er hätte jenen ja auch totschlagen können, und er habe noch einmal Glück gehabt, der Täter also. Die Staatsanwaltschaft Köln hatte – dem Anlass offenbar angemessen – einen Referendar geschickt. Das Urteil lautete entsprechend auf sage und schreibe 650 € Geldstrafe. Für das Opfer ein Hohn. Der Stadtanzeiger Köln berichtete konsterniert. An Revision hatte niemand Interesse. Was kann man daraus lernen? Jeder hat zumindest einen Gewaltversuch frei, als Jugendlicher mehrere. Für die Opfer vor allem bei sexueller Gewalt reicht immer schon der Erste. Sollte ich demnächst als Opfer eines Überfalls ein paar Leute erstechen, weil ich vorsichtshalber neuerdings politisch korrekt ein Messer mitführen könnte, darf ich wegen Notwehr mit Freispruch rechnen, es sei es handelte bei den Opfern ich um Richter, Politiker oder Prominenten. Da würde der Staat dann noch mal hellhörig. Aber diese Herrschaften bewegen sich dem Leben entzogen in anderem Umfeld. Ist diese Gesellschaft überhaupt noch satisfaktionsfähig?
07. Mai 2012 | Kategorie: Artikel, Justiz, Menschenwürde, Seelenmord, Was ein Mensch wert ist
Spiegel-online 12.3.2012
Kind für Missbrauch gezeugt – Langjährige Haftstrafen für Paar aus NRW
Die Vorwürfe waren ungeheuerlich: Melanie R. und Benjamin P. sollen ein Kind gezeugt haben, nur um es später sexuell zu missbrauchen. Das tat der Vater dann auch, als das Baby fünf Wochen alt war. Jetzt muss das Paar ins Gefängnis.
Essen.- Der Plan war so entsetzlich, die Umsetzung so grausam, dass die Tat „außerhalb des Bereichs unserer Vorstellung“ liege, betonte Staatsanwalt Gabriel Wais am Landgericht Essen. Melanie R., 26, und Benjamin P., 27, sollen ein Kind gezeugt haben – aus einem einzigen Grund: Sie wollten es sexuell missbrauchen.
Am Montag wurde das Urteil in dem Fall gesprochen. Der 27-jährige Angeklagte aus Gelsenkirchen wurde zu a c h t , seine ein Jahr jüngere Partnerin zu f ü n f J a h r e n Haft wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs verurteilt. D i e R i c h t e r b l i e b e n m i t d e m S t r a f m a ß für Benjamin P. u n t e r d e n von Staatsanwalt Wais g e f o r d e r t e n z e h n J a h r e n . Ein Gutachter hatte beide Angeklagten für v o l l s c h u l d f ä h i g erklärt.(…)
„Die Angeklagten haben einen schutzlosen Säugling zum bloßen Objekt ihrer sexuellen Begierde degradiert und seine M e n s c h e n- w ü r d e m i t F ü ß e n g e t r e t e n „, sagte der Vorsitzende Richter Heinz – Günter Busold in der Urteilsbegründung. Die Richter hätten im Verlauf des Prozesses in Abgründe menschlichen Handelns und Denkens geblickt, die sie “ f a s s u n g s l o s und b e t r o f f e n machen“, so der Vorsitzende.(…)
Wenn irgendjemand Zweifel an Sinn und Zweck der Frage gehabt hat, zu was eine human sich nennende Spezies nicht nur fähig, sondern auch imstande sei, welche Schandtat sie nie und nimmer begehen würde und was ihr unbedingt zuzutrauen sei, hier wird ihm Antwort zuteil. Das schlimmste Vorstellbare greift zu kurz, der Schrecken trifft mitten ins Herz. Sei es der schriftstellerische Auswurf des kranksten Gehirns oder seien es die Phantasieauswürfe psychopathischer Filmemacher, nichts, aber auch gar nichts, vermag die Ungeheuerlichkeit zu einzuholen, die durch die obige Mitteilung belegt wird und vor der noch der ärgste Alptraum kapitulieren muss. Der Artikel geht ins Detail. Ich sehe mich nicht in der Lage mehr von dem wiederzugeben, was niemand wissen will und keiner sich vorstellen kann. Lange habe ich gezögert überhaupt zu schreiben, da mir das Wort fehlte während der Zorn wuchs. Es gibt Ereignisse, die den Geist lähmen, in Lethargie verfallen lassen, wo man den Aufschrei der geschundenen Weltseele zu hören glaubt und sich das Bewusstsein aus Selbstschutz der Mitteilung verweigern will. Beim Ausbruch des 1.Weltkrieges, des großen aus einer Sektlaune begonnenen Völkermordens und als die Zeit durch die Nazis 1933 in Blut getaucht wurde, da wieder niemand Einhalt geboten hatte, gab es diese Momente für Karl Kraus. Das große Grauen beschreibt auf alle Zeit Auschwitz. Aber im scheinbar menschlich Kleinen, welches eben darum für groß zu gelten hat, wiederholt sich der tägliche Schrecken oder vielmehr, er setzt sich fort.
Die abgenutzte Metapher vom menschlichen Abgrund kann im vorliegenden Fall in ihrer Bedeutung vollendet und dem Wortsinn getreu erfahren werden, weil erst das Adjektiv „menschlich“ den Abstieg in die tiefsten Tiefen des Ekels und der Widerwärtigkeit beglaubigt und man allein deshalb dem Abgrund die Bodenlosigkeit zutraut, in die ein Tier sich nie je verirren würde. Kein noch so abgründiges Höllenwerk scheint der Unnatur des Menschen wesensfremd, eben gerade weil sie menschlich ist. Das ewig Menschliche zieht nicht hinan, sondern hinab. Die dünne Schicht kultureller Errungenschaften, welche die humane Unzulänglichkeit als Zivilisation ausgibt, kaschiert notdürftig, was dem Tier an Natur verloren ging, als es Mensch ward. Ohne das Menschsein je erlangt zu haben, gedachte dieser Missgriff der Schöpfung das scheinbar Animalische von sich abwerfen zu dürfen ohne sich über die Folgen Rechenschaft zu geben, die bloßes Menschsein nach sich ziehen würde. Nichts einfacher und daher unnützer als mit dem Kulturmäntelchen zudecken zu wollen, was selbst durch ein Zaubergewand nur unsichtbar, aber niemals ungeschehen gemacht werden könnte. Sophokles Wort aus Antigone – “ Ungeheuer ist viel, doch nichts ist ungeheurer als der Mensch“- habe ich immer so verstanden, dass im Ungeheuer Mensch nicht nur Ungeheures sondern vor allem Ungeheuerliches angelegt ist.
Der Abscheu wird verstärkt durch die Tatsache, dass die Justiz selbst dieses unfassbare Delikt nicht des Höchstmaßes der Strafe für würdig erachtete, sondern Gründe fand, die offenbar Gelegenheit zu Milde boten. Die Würde des schutzlosen Säuglings sei „mit Füßen getreten“ worden, so der Richter. Selten klang eine Phrase so dümmlich und deplaziert. Wenn doch nur dieses geschehen wäre! Und zwischen den sodann aufgebotenen Befindlichkeitsadjektiven „fassungslos und betroffen“ scheint mir sehr wohl ein wertiger Unterschied, wobei man auf die Reihenfolge achte, welche die Floskel zuverlässig von echter Empfindung scheidet und den Mangel an Tiefe aufdeckt. Es ist das Urteil des Gerichtes, das die Würde des Kindes nochmals missachtete, als es die Tat der Höchststrafe für unwürdig befand. Schon lange – spätestens seit dem Versagen der belgischen Justiz im Falle Dutroux – bedrängt mich eine perfide Ahnung, als ob nämlich ein Hodenträger dem anderen aus unbewusstem Skrotalkonformismus nolens-volens etwas nachzusehen hätte, wenn es um Missbrauch geht, der ja durchweg von Männern ausgeführt wird oder wurden schon einmal vermehrt weibliche Päderasten entdeckt, die sich an Kindern oder gar Säuglingen vergingen? Vergewaltigen Frauen reihenweise Jungen und Mädchen oder hat auch hier die Riege der Hodenträger inklusive der per ordre Vaticano Depravierten die absolute Hoheit? Viel zu oft habe ich noch nach Jahrzehnten den Schmerz der Opfer miterleben müssen, als sie mir davon sprachen, wie wenn es gestern gewesen wäre, da man ihre Seele mordete. Im Talmud und später im Koran heißt es, dass wenn jemand einen Menschen tötet, so solle es sein, als hätte er die ganze Menschheit getötet. Es ist an der Zeit, dass sich die Hodenträger aus der Gesetzgebung für männliche Sexualtäter heraushalten und bei der Aburteilung dieser Taten vom Richteramt wegen Befangenheit zurücktreten, vielmehr dies Frauen überlassen, in der zugegeben vagen Hoffnung, dass Würde nicht noch mehr beschädigt und der Seelenmord, den jede dieser Taten unstrittig zur Folge hat, als solcher wahrgenommen wird und strafrechtlich im Sinne des Opfers wahrhaft gewürdigt.