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Notizen zur Zeit. Was ein Mensch wert ist (2). W.K. Nordenham

03. Juli 2012 | Kategorie: Artikel, Justiz, Was ein Mensch wert ist

Kölner Stadtanzeiger 29.06.2012

Versuchter Totschlag  – Sechs Jahre Haft für Recep K.

Besinnungslos stach Recep K. auf seine Ex-Frau ein, bis die Klinge sich verbog. Nun wurde er vor dem Kölner Landgericht wegen versuchten Totschlags zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt.

Seine Ex-Frau lag schon bewusstlos vor ihm, da zog Recep K. sie hoch und wollte noch einmal zustechen. Die K l i n g e   w a r   j e d o c h   s c h o n   s o   v e r b o g e n , dass es dem 26-Jährigen nicht gelang, sie an ihrem Hals anzusetzen. „S i e   h a b e n   z u m   G l ü c k   v e r s a g t “, sagte der Anwalt der Ex-Frau am Montag vor dem Landgericht. Die 25-Jährige überlebte den Angriff mit insgesamt zehn Messerstichen. (…) Recep K. wurde vor allem von seiner Verzweiflung getrieben. Er wollte die Trennung von seiner Frau nicht akzeptieren – trotz Scheidung. Das Paar näherte sich immer wieder an, die 25-Jährige verweigerte ihm aber das Besuchsrecht für die beiden Töchter (fünf und sechs Jahre), zog sich schließlich zurück. „Er war durch dieses Hin und Her in einem Wechselbad der Gefühle“, sagte sein Verteidiger. Vor den Augen der Töchter schlug Recep K. seiner Ex-Frau zwei Tage vor der Tat im Dezember 2011 so heftig ins Gesicht, dass ihr Nasenbein brach. Am 5. Dezember wollte er sich laut eigener Aussage bei ihr entschuldigen. Es kam zum Streit, sie lief weg, er verfolgte sie und stach schließlich „blindwütig“ zu,wie der Staatsanwalt sagte. Er sieht ein „h o h e s  M a ß   a n  V e r r o h u n g“ darin, dass Recep K. ihr offenbar die Kehle durchschneiden wollte – „wie einem Tier“. Die  25-Jährige hat ein  sc h w e-  r e s   T r a u m a   e r l i t t e n  u n d   i s t   i n   p s y c h o l o g i s c h e r   B e h a n d l u n g. Auch  eine  Zeugin,  eine  44 –  jährige Imbissbesitzerin, ist traumatisiert .

Kölner Stadtzeiger 29.06.2012

Recep K. (26) ist nach Überzeugung des Bonner Psychiaters und Neurologen Wolf Gerlich (64) strafrechtlich voll verantwortlich für seine Tat. (…)

Der Gutachter machte in seinen Ausführungen keinen Hehl aus seiner Überzeugung, d a s s  d e r  b i s h e r i g e   U m g a n g   d e r   J u s t i z  mit den z a h l r e i c h e n   G e w  a l t t a t e n  d e s   A n g e k l a g t e n  „n i c h t   n a c h v o l l z i e h b a r “   s e i . In dessen Vorstrafenregister sind zehn Eintragungen mit einschlägigen Delikten aufgelistet. So habe der Angeklagte „nie gelernt, mit seinen Aggressionen umzugehen“. Der Psychiater nannte als Beispiel eine „merkwürdige Sozialprognose“ des Landgerichts aus dem Jahr 2004, die von einem positiven Zukunftsverhalten des Angeklagten ausging. Diese Begründung hatte die Strafkammer damals in der Berufungsinstanz dazu bewogen, K. noch einmal Bewährung zu geben. Obwohl das Amtsgericht in vorangegangener Instanz eine einjährige Haftstrafe für angemessen hielt. Der Angeklagte hatte damals erklärt, er habe sich in der Türkei verlobt. Mit der Frau, mit der er in Deutschland zwei Kinder hat und einen jahrelangen Rosenkrieg führte, der in den beinahe tödlichen Messerstichen im Dezember 2011 gipfelte.

Ich habe ein gestörtes Verhältnis zur  Gewalt. Ich kann sie einfach nicht ertragen und noch weniger ertragen kann ich ein Verständnis, welches  den Täter verstehen möchte auf Kosten des Opfers und in dem Tötungsversuch mit zehn Messerstichen einen versuchten Totschlag erkennt, den das Opfer nur dank verbogener Klinge überlebt. Wenn der Anwalt der Frau folgert, der Täter habe  „zum Glück versagt“, so fragt man sich: Zu wessen Glück? Dass die Frau nicht tot ist oder dass der Täter mit zwei Jahren mehr hätte rechnen müssen? „Ein hohes Maß an Verrohung“ erkenne auch ich, allerdings im Umgang der Justiz bei Körperverletzung. Dass aus bagatellisierter Gewalt in unserer Zeit eine Aufforderung zur Tat erwächst, die sich einer gewisser Toleranz sicher sein darf  und zum Amüsement der Täter über die Justiz geführt hat, scheint noch nicht bis zu den Stühlen der Richter vorgedrungen zu sein, deren sie sich zum Teil in ihren Urteilen zu entledigen scheinen. W. K. Nordenham