Sein oder Design ist nicht mehr Frage, sondern schon Antwort. So schafft die entstellteste Menschheit das höchste Bruttosozialprodukt.

Notizen zur Zeit: Der Aufschrei Döpfner – Böhmermann und die Folgen. Von Sebastian Knüll

12. April 2016 | Kategorie: Artikel, Notizen zur Zeit, Was man so lesen muss

Solidarität mit Jan Böhmermann!
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article154171281/Solidaritaet-mit-Jan-Boehmermann.html

Wenn Springer-Chef Mathias Döpfner ran muss, um Jan Böhmermanns vermeintliche „Schmähkritik“  und damit Presse- und Satirefreiheit höchstselbst zu verteidigen, spricht das Bände über den schmählichen Zustand derselben. Und wer hat sich dieser Tage nicht verwundert gefragt: wo ist sie denn nun, die breite Solidarität von Medien- und Volksvertretern, von jenen, die selten um ein klares Statement verlegen sind? Wo sind die, die bei unzureichender Rücksicht auf das, was des Menschen Grundrecht sei, auch gerne und vorschnell die moralische Keule freiwestlicher Rechtschaffenheit schwingen? Nicht nur Jan Böhmermann dürfte dies in seiner Demokratiegläubigkeit „erschüttert“ haben. Dass Kanzlerin Merkel dieser Farce durch Ihr devotes, – gleichwohl naives – politisches Anbiedern die Bühne bereitet hat, ist hinreichend dokumentiert.  Apropos, wurde nicht Angela Merkel in der türkischen Zeitschrift „Vakit“ als Hitler gezeigt[1]? Das war echte Schmähkritik, nicht als Satire gemeint und etwa analog Böhmermann ausdrücklich satirisch als solche vorab deklariert. Doch vielleicht gilt das türkischen Regierungsvertretern dieser Tage gar nicht als Schmähung?

Nun springt Mathias Döpfner heldenhaft auf die Szene und ruft ins Gedächtnis, was Kunst und Satire nach Tucholsky durfte und darf. Wie der Papst in der „Titanic“, so Erdoğan bei Böhmermann! Fast schon möchte man applaudieren. Hatte man ihn doch herbeigesehnt, den Verbündeten im schmählichen Spiel! Doch halt, was passiert im letzten Akt, will heißen: Absatz? Hier demontiert sich der Meinungsmogul selbst, indem er sich der Angstvision und -fiktion der europäischen Rechten „unterwirft“. Gleichzeitig versteht er die Provokation eines Michel Houellebecqs einseitig. Jener hatte zu seinem Roman „Unterwerfung“ in einem Interview[2] geäußert: „Ich spiele mit der Angst. Nur weiß man nicht genau, ob man vor den Identitären oder den Muslimen Angst haben soll“. Die Identitären, das sind die islamophoben, selbsternannten Verteidiger einer „abendländischen Kultur“ unserer Tage. Mit Ihnen macht sich Döpfner gemein, wider das Diktat der Despotie am Bosporus.

Jan Böhmermann hingegen gleicht Houellebecq in seinem Hang zur Provokation, zum Grenzdiskurs. Sicher auch zu verstehen als Gegenentwurf zu den geistig Gestrigen, im Abend- wie im Morgenland. Aus diesem Grund gebührt Jan Böhmermann die uneingeschränkte Solidarität aller europäischen Freigeister. Gerade jetzt bedarf es des Aufschreis der Mitte der Gesellschaft und der jungen Generation, deren Teil er ist.

Mit dem formellen Strafantrag Erdoğans[3] tritt nun das ein, was nicht nur die zum großen Teil Mathias Döpfner unterstellten Mediengestalter dieser Lande gleich einer „self-fulfilling prophecy“ herbeigetextet haben. Im Zweifelsfall für die eigene Quote! Und so eine Steilvorlage ungenutzt zu lassen, um den politischen Verhandlungspartner in diplomatische Zwangshaft zu nehmen, wäre aus Sicht des Fußballers Erdoğan[4] taktisch töricht. Wobei die Türkei hierbei, wie Vize-Ministerpräsident Kurtulmus meint betonen zu müssen, „absolut keinen politischen Druck“ auf Deutschland ausüben will. Dies soll man glauben, nachdem die Türkei wegen eines saloppen Satireliedes den deutschen Botschafter schon glaubte zweimal einbestellen zu müssen.

Angesichts solchen, politischen Blütentreibens scheint das Gebot der Stunde: Wer morgen nicht mundtot sein will, muss heute Wortmeldung machen. In diesem Punkt – und im Zweifelsfall nur diesem Einen – sollten wir uns solidarisch mit Mathias Döpfner machen. Und  in allen Punkten mit Jan Böhmermann.

Von Sebastian Knüll (Zusendung an DAS ROTE HEFT und hier von mir veröffentlicht, W.K. Nordenham)

Quellen:

[1] http://www.freenet.de/unterhaltung/promis/hakenkreuz-und-hitler-baertchen-tuerkische-zeitung-greift-merkel-an_841652_4729180.html

[2] http://www.welt.de/newsticker/dpa_nt/infoline_nt/boulevard_nt/
article136067088/Michel-Houellebecqs-Spiel-mit-der-Angst.html

[3] https://www.tagesschau.de/inland/tuerkei-boehmermann-107.html

[4] http://www.rp-online.de/sport/fussball/international/recep-tayyip-erdogan-erzielt-hattrick-auf-dem-fussballplatz-aid-1.4412645

 


Was man so lesen muss … . „Selbstverständlich“ zu Guttenberg. Von W.K. Nordenham

03. Dezember 2011 | Kategorie: Notizen aus Medienland, Notizen zur Zeit, Was man so lesen muss

„Was man so lesen muss, und wo man nicht weiter weiß .“, wird  Aufgefundenes, Kleines etwas größer darstellen, damit auch im Kleinen in ferner Zukunft mehr Sorgfalt herrsche.Bei den meisten reicht es schon, sie nur zu zitieren, wie Karl Kraus sagte.

Kölner Stadtanzeiger vom  29.11.11

„Bin kein Blender und Betrüger“

Erstellt 29.11.11, 00:01h, aktualisiert 02.12.11, 00:23h

Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich neun Monate nach der Aberkennung seines Doktortitels mit seinem neuen Interview-Buch „Vorerst gescheitert“ zurückgemeldet. Darin verteidigt der frühere Verteidigungsminister seine Fehler und greift die Uni Bayreuth an.

(…)

Doktorarbeit war „größte Dummheit“

Erneut versicherte Guttenberg, er habe bei seiner Dissertation                    „ s  e  l  b  s  t  v  e  r  s  t  ä  n  d  l  i  c  h  “ keinen Ghostwriter gehabt.„Wenn ich die Absicht gehabt hätte, zu täuschen, dann hätte i c h  m i c h   n  i e m a l s   s o   p l u m p   u n d   d u m m   a n g e s t e l l t, wie es an einigen Stellen dieser Arbeit der Fall ist.“ Zugleich bezeichnete er die unter persönlichem Druck entstandene Doktorarbeit, die über weite Strecken nachweislich ohne Quellenangabe abgeschrieben war, als          „ g r ö ß t e   D u m m h e i t   m e i n e s  L e b e n s “. Auch beim Krisenmanagement räumte Guttenberg Fehler ein. Zu Jahresbeginn von den Vorwürfen überrascht, habe er teilweise „völlig falsch reagiert“. Er betonte: „Eigentlich habe ich in diesen Tagen immer die    f a l s c h e      O p t i o n gewählt.“ Doch sei er kein Blender, wie Kritiker oft behaupten. „Das ist  e i n f a c h  ein  A t t r i b u t , das meinem bisherigen Leben nicht gerecht wird.“

Kann jemand eines Gedanken fähig sein, der das Wort nicht hat, sondern das Wort ihn hat? Soll  man auf den Menschen mit seinen Worten eindreschen, obwohl einen das unbestimmte Gefühl von Leichenschändung beschleicht? Wie angenehm empfindet man es da, wenn jemand das selbst erledigt. Es fängt mit seinem Missverständnis des Wortes „selbstverständlich“ an, das etwas bezeichnet, was sich aus sich selbst  heraus versteht. Diese Bedingung bleibt unerfüllt, weil man von selbst nichts versteht. Er hat nicht die Absicht gehabt „zu täuschen“, wiewohl man seit Spickzettelzeiten weiß, dass schon deren Gebrauch einen Täuschungsversuch darstellt. Dasselbe gilt für seine mit Plagiaten gespickte Dissertation. Wer außer ihm selbst hätte sich  „so plump und dumm“ anstellen können,  „wie es an einigen Stellen dieser Arbeit der Fall ist,“ wo er doch einen dafür verantwortlich zu machenden Ghostwriter  „selbstverständlich“ nicht gehabt haben will? Wer war  dann Schreiber oder bestand eine Verwechslung von Abschreiben mit  Abschreibung? Ich verstehe es trotzdem nicht. Jede Doktorarbeit ist von der Aufgabe her persönlich belastend, weil man sie auch als Plagiat selbst abschreiben muss, zumal wenn man es nicht war. Deshalb kann mit „persönlichem Druck“  eigentlich nur die Druckerei gemeint sein, die das Elaborat als Buch fertigte, und das folgende Eingeständnis „größte Dummheit meines Lebens“ verlangt zwingend die Ergänzung: bis jetzt!  Denn die obigen Aussagen lassen mangels Einsicht Schlimmes erwarten. Wir erfahren nämlich,  er  sei „überrascht“ gewesen von den Vorwürfen. Kannte er seine Arbeit nicht? Er habe „teilweise völlig falsch reagiert“, sagt aber nicht, worauf und habe  „in diesen Tagen immer die    f a l s c h e   O p t i o n „ gewählt. Natürlich muss es  f a l s c h e  L o t i o n  heißen, dann erschließt sich der Sinn sofort. Das Wort Blender sei „ einfach ein Attribut“, dem ich zwar einfach zustimme, dass aber seinem „bisherigen Leben nicht gerecht wird.“ Was zu beweisen wäre! Man lese sich die obigen Sätze  durch und erkläre mir den Sinn, der doch logisch nur darin liegen kann, dass er entweder der Schreiber der Arbeit war und sich beim Betrug getäuscht hat oder aber, da er nicht getäuscht hat und so selbst betrogen worden sein muss, war es der Schreiber der Arbeit, der getäuscht und ihn damit betrogen hat, der er nicht gewesen sein kann, weil er nicht täuschen wollte und es deshalb war, weil er es abgeschrieben und nicht selbst geschrieben hat und es deshalb nicht gewesen sein kann, obwohl er es war.  Ein Selbstbetrug also!  Jetzt  haben wir´s endlich, „selbstverständlich.“


Was man so lesen muss … . Rekordverdächtiges. Von W.K. Nordenham

03. Dezember 2011 | Kategorie: Artikel, Notizen aus Medienland, Notizen zur Zeit, Was man so lesen muss

„Was man so lesen muss, und wo man nicht weiter weiß. „, wird  Aufgefundenes, Kleines etwas größer darstellen, damit auch im Kleinen in ferner Zukunft mehr Sorgfalt herrsche.

Kölner Stadtanzeiger vom  2.12.11

Mann mit langem Atem

Elio Di Rupo kann Regierungschef in Belgien werden.

Es werde nur  noch ein paar Tage dauern, verkündete  Elio Di Rupo am vergangenen Sonntag, bis Belgien  endlich eine neue Regierung bekommt.der Designierte Ministerpräsident hatte sich zuvor in einem 17-stündigen Verhandlungsmarathon mit sechs Parteien auf einen gemeinsamen Sparhaushalt für das kommende Jahr geeinigt.

Zeit wird es, schließlich steht Belgien seit eineinhalb Jahren ohne Regierung da – ein neuer W e l t r e k o r d. (…) Der Sohn italienischer Einwanderer kann neuer Ministerpräsident werden.

Wenn es denn so kommt, gäbe es mit dem 60-jährigen Politiker  gleich  d r e i   R e k o r d e   zu vermelden. Er wäre der erste frankophone Regierungschef seit  drei Jahrzehnten, der Erste Sozialist in diesem Amt seit 1974  und weltweit der erste Männliche. Eine Frau gibt es schon, Islands l e s b i s c h e  Premierministerin …  .

Dass der studierte Chemiker   s c h w u l     ist , ist spätestens seit der D u t r o u x -Affäre 1996 bekannt. Im Zuge… ( Überflüssiger Bericht über Verleumdung Di Rupos. Anm. d. Red.denn: )  … konnte  der   V   e  r  d  a c h t   z  w   e  i  f  e  l  s  f  r  e  i     ausgeräumt werden. (…)

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So lässt ein gewisser  E l m a r   K r a u s h a a r, Journalist und Schriftsteller, sich rekordverdächtig vernehmen, der die Adjektive  frankophon  und sozialistisch offenbar für vergleichbar informativ und bemerkenswert hält wie etwa  lesbisch und männlich, und von dem ich  – bei meiner zufällig heterosexuellen Ehre! –  als einer, der sonst  jede beliebige Form echter Liebe von Herzen begrüßt, nicht weiß  und  auf  keinen Fall wissen will, ob der Herr schwul, bisexuell, asexuell,oder  Hermaphrodit ist und nur achtlos einen Artikel runtergeschrieben hat, in dem er lesbisch, sozialistisch und männlich für rekordfähig hält. Wenn man verwirrt von so vielen möglichen Rekorden weiterliest, erfährt man, worum es eigentlich geht und was man so wenig wissen wollte, wie die private Vorliebe der isländischen Ministerpräsidentin, dass  Elio Di Rupo schwul ist. Es folgt Unsägliches, unter absichtsvoller Verwendung des Namens  Dutroux, eines pädophilen Kindermörders, das mit einem z w e i f e l s f r e i e n   F r e i s p r u c h für Herrn Di Rupo geendet hat. Immerhin war er in dieser „A f f ä r e „ vor Gericht, will uns der Schreiber verdächtig zweifelsfrei und ohne jeden Skrupel vermelden, ungeachtet des unzweifelhaft erfolgten z w e i f e l s f r e i e n Freispruches. Was haben solche Nachrichten, um den Begriff Niveau zu vermeiden, in einer normalen Tageszeitung zu suchen? Nichts! Und das meiste Andere auch nicht! Es wäre ein paar bunten Gazetten oder wie derlei heißt, sicher ein paar schwul-sozialistisch-frankophone Zeilen wert gewesen und an der richtigen semivoyeuristischen Adresse bestens untergebracht, wo schwul und lesbisch für einen Rekord immer gut genug ist. Herrn Kraushaar durfte deshalb darauf hoffen, wie alle Nur-für-denTag-Scheiber, dass  keiner über die ersten Sätze hinweg käme, dass nämlich ein Papierkorb den Artikel vorher gnädig aufgenommen haben würde, wohin solche Art von „Information“ von vornherein gehört hätte. Leider habe ich weitergelesen.


Was man so lesen muss.“Kauder“welsch.Von W.K. Nordenham

25. November 2011 | Kategorie: Artikel, Notizen aus Medienland, Notizen zur Zeit, Was man so lesen muss

“Was man so lesen muss, und wo man nicht weiter weiß. “, wird  Aufgefundenes, Kleines etwas größer darstellen, damit auch im Kleinen in ferner Zukunft mehr Sorgfalt herrsche.

Welt online 15.11.2011 über den CDU Parteitag

Kauder-Rede

„Auf einmal wird in Europa Deutsch gesprochen“

Schuldenbremse, Haushaltsdisziplin, stärkere Kontrolle: Unions-Fraktionschef Kauder fordert eine einheitliche Politik in Europa – und teilt gegen Erdogan aus.

Der Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Volker Kauder, hat vor einer    I s o l i e r u n g  e i n z e l n e r  S t a a t e  n   in der Europäischen Union gewarnt. Das wäre ein „verhängnisvolles Signal“, sagte Kauder am Dienstag beim CDU-Parteitag in Leipzig.

Volker Kauder sieht  M e r k e l s   P o l i t i k    als V o r b i l d   für andere EU-Länder.Er forderte Einsatz für eine einheitliche Politik der EU. Diese müsse lauten: „Schuldenbremse, Haushaltsdisziplin und stärkere Kontrolle.“

Ein Europa der Zeitenwende

Kauder sagte: „Wir befinden uns in Europa in  e i n e r   g e w i s s e n     Z e i t e n w e n d e .   (…)   W i r   s p ü r e n ,   d a s s     w i r             d i e s e s   E u r o p a   in eine  n e u e   Z e i t   f ü h r e n  müssen.“

Am Vortag hatten die Christdemokraten einen Leitantrag zur Europa-Politik beschlossen, wonach kein hoch verschuldetes Euro-Mitglied aus der Währungsunion ausgeschlossen werden soll. Hier grenzt sich die CDU von ihrer Schwesterpartei CSU ab, die einen Rauswurf nicht ausschließen will.

Kauder deklinierte den Beschluss noch einmal durch und bezog sich mehrfach auf die Rede von CDU-Chefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag. Er fügte hinzu: „ A u f    e i n  m a l   w i r d    i n   E u r o p a    D e u t s c h    g e s p r o c h e n.“

Das Peter- Prinzip besagt, dass jeder solange befördert wird, bis man merkt, dass er es nicht kann. Den überzeugendsten Beweis liefert Guido Westerwelle, aber jetzt legt Volker Kauder nach. Eigentlich hatte ich bisher eine ungefähre Vorstellung davon, was mit dem Wort  Kauderwelsch umschrieben wird. Die Frage, ob Politiker – mit Ausnahme von Helmut Schmidt – nachdenken oder sich der Meinungsumfragen als demokratische Legitimation bedienen, kann nach obiger Einlassung erneut kurz und knapp mit „Nein“  beantwortet werden.  Nach der Rede von CDU- Generalsekretär Volker  K a u d e r  habe ich für mich  als Erstes die Schreibweise korrigiert: „Kauder“welsch.  Denn darum handelt es sich, was er da den welschen , d.h. allen romanischen Völkern und was sonst noch rundherum irgendwelche europäischen Dialekte spricht, klar macht : Es wird ab  sofort   D e  u  t s c h  gesprochen. Nicht nur, dass er mit der berechtigten Warnung vor der    I s o l i e r u n g   e i n z e l n e r   S t a a t e n, in seinem folgenden Gedankenabgang mit dem untrüglichen Fingerspitzengefühl einer Drahtbürste ,   D e u t s c h l a n d umgehend verbal zu i s o l i e r e n  beginnt.  Er hätte sich  seine gefährlich – unsinnigen Bemerkungen verbieten müssen,  und sein  Gewissen, wenn schon nicht sein Wissen, würde eine nicht näher begründete  g e w i s s e  Z e i t e n w e n d e, auf ungewisse Zeit verschoben haben. Dann stolpert noch die aller Vernunft spottende, unsägliche Bemerkung  über einen Primat der deutschen Sprache  in Europa hinterdrein, der  angesichts der europäischen Geschichte idiotisch  klingen muss. Schon  einmal  wurde    i n  e i n e   n e u e   Z e i t  angeblich mit deutscher Sprache g e f ü h r t, aber die Erinnerung daran verbindet sich bei den Völkern Europas nicht mit Worten sondern Untaten. Das alles hat Volker Kauder offensichtlich nicht mit   s p ü r e n   gemeint, während er Europa  dank deutscher Sprache in eine n e u e   Z e i t  zu  f ü h r e n    gedenkt,  die einen Fürsprecher, wie ihn, weder braucht noch verdient hat.


Notizen zur Zeit. Kasse machen geht immer.

17. November 2011 | Kategorie: Notizen zur Zeit, Was man so lesen muss
Ärzte Zeitung, 15.11.2011

Rechnungshof klopft Kassen auf die Finger

Der Bund schiebt Schulden von 1,3 Billionen Euro vor sich her, doch bei manchem im Gesundheitswesen sitzt der Euro noch locker: In seinem jüngsten Bericht knöpft sich der Bundesrechnungshof die Übeltäter vor – vor allem die Kassen bekommen ihr Fett weg.

BERLIN (fst). Der Bund sitzt auf einem Schuldenberg von 1,3 Billionen Euro – doch im Gesundheitswesen sitzt bei vielen Akteuren der Euro noch locker.Der Bundesrechnungshof hat in seinem am Dienstag vorgestellten Bericht für 2011 Missmanagement angeprangert und Einsparpotenziale aufgezeigt. Beispiel Gesetzliche Krankenversicherung: Hier mieteten Krankenkassen in mehreren Fällen zu große und zu teure Immobilien an.

Sechs Millionen Euro Schaden

Eine Kasse hat sich für 15 Jahre verpflichtet, ein Bürogebäude mit 20.000 Quadratmetern zu mieten – nur 8000 Quadratmeter benötigt die Kasse selber. Durch den Leerstand ist ein Schaden von bisher sechs Millionen Euro entstanden. Der Bundesrechnungshof dringt darauf, Kassen gesetzlich zu verpflichten, Aufsichtsbehörden vorab Mietvertragsentwürfe vorzulegen. Doch dies lehnt das Bundesgesundheitsministerium ab.Auch beim Thema Kassenfusionen mahnt der Bundesrechnungshof einen härteren Kurs an. Dazu haben die Prüfer jede vierte Kassenfusion zwischen 2007 und 2009 ausgewertet.

Höhere Verwaltungsausgaben nach Fusion

Fazit:   Leistungsausgaben   wurden   bei   fusionierten   Kassen   nur   in   wenigen   Fällen   gesenkt. Dafür stiegen regelmäßig die Verwaltungsausgaben, in  jedem  zweiten  Fall  nahmen die   Vorstandsvergütungen  um  bis  zu  25  Prozent zu.

In einem Fall erhielt eine externe Unternehmensberatung    14,3    Millionen   Euro   für   die   Begleitung   von   Fusionen.

Der Rechnungshof dringt darauf, dass die Aufsichtsbehörden die Fusionskonzepte der Kassen inhaltlich vorab auf ihre Schlüssigkeit prüfen.

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Ich finde das alles schlüssig. Weil das letzte Hemd keine Taschen hat und braucht, werden die Taschen des Vorletzten ausgiebig gefüllt. Da müssen schon mal 25 Prozent mehr her. Das ist für einen Vorstand eigentlich  noch zu wenig, wenn schon die unternehmerische Begleitagentur, die sich mit Service auskennt, für 14,3 Millionen €  begleitmittelerprobt alles fusioniert.  Wen wundert´s, haben doch die Vorstände und höheren Chargen ungezählter Behörden, der Kommunalverbände, Krankenkassen, kommunaler Krankenhäuser, der Verkehrs- und Abfallbetriebe als Passepartout ein Parteibuch ins vorletzte Hemd eingenäht, das als Nachweis zur Befähigung vor allem der des Taschenfüllens und zum Aufstieg in die Pfründeränge unabdingbar ist. Da wird Proporz und Prozent schon mal verwechselt. Dem Argument, dass diese Leute etwas leisten, kann man entgegnen, dass sie zuallererst sich selbst etwas geleistet haben. Echte Pfründe stonn´zusamme, wie man in Köln sagt.


Notizen aus Medienland – Der Tod ist das Geschäft. Oktober 2011. Von W.K.Nordenham

24. Oktober 2011 | Kategorie: Artikel, Journalisten, Notizen aus Medienland, Was man so lesen muss

Gaddafi ist tot. Die Bild-Zeitung und Spiegel  zeigen das Bild des Erschossenen. Dazu die

Süddeutsche Zeitung.

Toter Gaddafi im „Spiegel“. Wenn ein Diktator zur Trophäe wird 24.10.2011

Von wegen kritische Distanz im Journalismus: Im aktuellen „Spiegel“-Heft ist ein Foto zu sehen, das den toten Muammar al-Gaddafi als Trophäe zeigt. Und auf eigenartige Weise an Hemingway erinnert. Das höchste  Glück des Großwildjägers ist das Foto zum Schluss. Es zeigt den Waidmann mit Gewehr neben dem erlegten Tier, der Trophäe. Hemingway ließ sich so gerne ablichten (mit Leopard). Der Trophäen-Journalismus dieser Tage lebt davon, tote Gruselgestalten abzubilden, Diktatoren etwa.   Im  aktuellen   „Spiegel“  posiert,  gleich  vorn  in  der  „Hausmitteilung“,  eine  Redakteurin  neben  dem  toten  Muammar  al-Gaddafi. Der libysche Schreckensherrscher liegt auf einer Matratze, in einem „gut  gekühlten  Raum  von  den  Ausmaßen  einer  Autogarage“, wie  es  hausmitteilt;  die  Reporterin  trägt  eine  Art  Shopper-Bag. Keine Rolle spielen ethische Fragen, die Agentur AFP hat sich sogar des „weltweiten Scoops“ gerühmt, die Fotos des Toten verbreitet zu haben. Der Deutsche Journalistenverband hat einst festgehalten, Journalisten sollten zu Akteuren „kritische Distanz“ bewahren, sich politisch nicht instrumentalisieren lassen. Die Würde der betroffenen Menschen sei zu achten, hieß es.

Das war 2002, in der Steinzeit des „modernen Journalismus“.

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Wenigstens gut gekühlt hatte es die Redakteurin, deren Namen die „Süddeutsche“ nicht mitteilt und die wohl eiskalt genug für den Auftrag war. Das sei der Grundparagraph solcher Journalisten :

Die Würde des Menschen ist antastbar. Sie zu missachten und zu benutzen ist Aufgabe aller medialen Gewalt.

Dass sie keinen Respekt vor einem toten Gaddafi haben, der sicherlich ein Verbrecher war und dem sie als bedrohlich Lebenden zu seinen Machtzeiten doch sonst wohin hinterher- und  hineingekrochen wären, verwundert nicht. Aber die Achtung vor der Würde eines Toten und vor allem der Majestät des Todes hätten die Veröffentlichung eines solchen Bildes verboten. Mich werden sie dafür als weltfremd abtun und machen doch mir die Welt fremd.

Nun gehörte Würde und Achtung noch nie zum Anstandskatalog der Bild-Zeitung und wie man da sieht,  auch  nicht zu der des „Spiegel“, dessen Journaille- Ethos, falls es so etwas überhaupt gibt, vor dem Bild des toten Gaddafi ungerührt kollabiert. Das fällt sogar der Münchner Konkurrenz auf.  Leider verharmlost die „Süddeutsche“ unzulässig. Sie macht eine journalistische Würde im Jahr 2002 aus, in der Fehleinschätzung, der Journalismus habe  damals die zu achtende Würde noch zu berücksichtigen gehabt, die er doch längst auf dem Boulevard erledigt hatte. Vermutlich wurde sie im dafür besonders erwähnten Shopper-Bag mitgeführt.  Der noch an jedem Thema oder Foto sich willig prostituierende journalistische Informationsgehalt, der schon beim toten Saddam als rechtfertigende Notwendigkeit herhalten musste, fände das passende Spiegelbild in einem abfälligen Grinsen aus den Redaktionszellen, an dem solcher Einwand abtropfte. Dort sitzt beisammen, was eine Klientel bedient, der gleich ihnen von jeher der Geifer zu leicht von den Lefzen troff, zurechtgeknüppelt mit  den Schlagzeilen ungezählter Millionenauflagen, gepresst noch aus jedem Kadaver, zum tagtäglichen Abfüllen der Großbuchstabenkonsumos.

Um den Wegstrecke der Zeitungskilometer zu ermessen, die bis in die Untiefen solchen Geschmacks führte, sei eine kurze Bemerkung eingefügt. Ein NDR-Redakteur berichtete von einem Geburtstag seiner etwa zehnjährigen Tochter, als Fernsehen noch nicht überall die Schule der Nation darstellte. Es waren Kinder vom Dorfe eingeladen und der Vater besaß ein Filmvorführgerät. Zur Feier des Tages wurde ein Film gezeigt, der die Dorfkinder mehrfach dazu veranlasste, aus Angst vor den sie aufregenden Bildern, das Gesicht hinter den Händen zu verbergen.  Der Titel des Film lautete: „Der gestiefelte Kater“.

Welche Seelenverbildung, welche optischen Grausamkeiten sind zu erdulden, bis sich eine Leserschaft zu Leichenbildern z. B. ein Mittagessen servieren lässt, um nebenbei ganz angenehm bei laufendem Fernsehbild über Brutalität und Menschenverachtung der Welt zu räsonieren? Hinter jedem Täter, der auf einem Bahnsteig in der U-Bahn einen Mitmenschen erledigt, steht eine lange Reihe von Schreiberlingen und Bildmachern, die den Boden bereiteten auf dem das wuchs. Das Bild des erschossenen Gaddafi passt nahtlos in diesen Kontext. Eine Menschheit daran gewöhnt zu haben, bezeichnet eine Sünde, die nicht vergeben werden kann.

*

Aus DIE FACKEL  Nr. 418—422 8. APRIL 1916 XVIII. JAHR

Wehe, wehe über die Tagespresse! Käme Christus jetzt zur Welt, so nähme er, so wahr  ich lebe, nicht Hohepriester aufs Korn, sondern die Journalisten!

*

Gott im Himmel weiß: Blutdurst ist meiner Seele fremd, und eine Vorstellung von einer Verantwortung vor Gott glaube ich auch in furchtbarem Grade zu haben: aber dennoch, dennoch wollte ich im Namen Gottes die Verantwortung auf mich nehmen, Feuer zu kommandieren, wenn ich mich nur zuvor mit der ängstlichsten, gewissenhaftesten Sorgfalt vergewissert hätte, daß sich vor den Gewehrläufen kein einziger anderer Mensch, ja auch kein einziges anderes lebendes Wesen befände als — Journalisten.

Sören Kierkegaard, 1846.

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Und nach siebzig Jahren, wo es um so viel siebzigmal wünschenswerter wäre, als es siebzigmal mehr Gewehrläufe und Journalisten gibt, stehen sie nicht vor ihnen, sondern dahinter, haben sie laden geholfen und sehen zu, man zeigt ihnen, wie es schießt und fließt, und wartet, bis sie kommen, es zu beschreiben.

Welche Verantwortung nimmt die Erde, die solches will und erträgt, im Namen Gottes auf sich!

Karl Kraus