17. Juli 2015 | Kategorie: Artikel, Justiz
Berliner Zeitung 16.07.2015
Landgericht Berlin Baby blind und taub geschüttelt – fünf Jahre Haft für Vater
Mit fünf Wochen erleidet das Baby Rippenbrüche, mit sechs Monaten erblindet es und verliert das Gehör. Der Vater der kleinen Emilia wurde nun des versuchten Totschlags schuldig gesprochen.
Er schüttelte seine Tochter, bis sie taub und blind wurde: Dafür muss der Vater der kleinen Emilia aus Berlin – Pankow nun für f ü n f J a h r e hinter Gitter. Das Landgericht sprach den 26-Jährigen am Donnerstag der Misshandlung von Schutzbefohlenen sowie d e s v e r s u c h t e n T o t s c h l a g s schuldig. Emilia war sechs Monate alt, als sie im November 2014 heftig geschüttelt wurde. „Wer ein Kind derart schüttelt, der n i m m t b i l l i g e n d d e n T o d i n K a u f “, hieß es im Urteil. Der Vater hatte dies bestritten. Die mitangeklagte Mutter des Babys wurde zu einer Geldstrafe von 300 Euro verurteilt. Die 24-Jährige sei der fahrlässigen Körperverletzung durch Unterlassen schuldig, befand das Berliner Landgericht. Obwohl das Kind im Sekundentakt krampfte, habe sie mehrere Stunden vergehen lassen, ehe sie den Notarzt alarmierte, begründete das Gericht.
„Keinerlei Restzweifel“
Mit f ü n f W o c h e n schwebte Emilia zum ersten Mal in Lebensgefahr. Der Vater habe in der Nacht des 1. Juli 2014 überfordert reagiert, weil das Baby schrie. „Er drückt kräftig den Brustkorb, es kommt zu mehreren Rippenbrüchen“, sagte der Vorsitzende Richter Matthias Schertz. Danach sei gegen den 26-Jährigen wegen dringenden Tatverdachts ein H a f t b e f e h l ergangen. Weil aber k e i n e F l u c h t g e f a h r gesehen wurde, blieb er frei. Das Jugendamt habe „zunächst funktioniert“, sagte Schertz. Mutter und Kind seien in einer Einrichtung vom Vater getrennt untergebracht worden. „Doch schon im September wurde ihnen gestattet, in die Wohnung zum Angeklagten zurückzukehren.“ Dies sei unglaublich. Das Verfahren wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen sei zu dem Zeitpunkt nicht abgeschlossen gewesen.
Emilia war sechs Monate alt, als sie erneut lebensgefährlich verletzt in ein Krankenhaus kam. Es war zu starken Einblutungen in Gehirn und Augen gekommen. Zuvor sei der Vater für kurze Zeit allein mit dem Kind gewesen, so das Gericht. „Emilia schreit, er verliert die Geduld und schüttelt das Baby heftig“, sagte Schertz. An der Täterschaft würden nach dem achtwöchigen Prozess „keinerlei Restzweifel“ bestehen. Der Verteidiger des Vaters hatte erklärt, es sei völlig offen, wer das Kind schüttelte.
Das Mädchen kann nach Angaben von Ärzten bis heute nicht sehen und hören. Die Entwicklung sei ungewiss, hieß es. Mit dem Urteil entsprachen die Richter i m W e s e n t l i c h e n dem Antrag des Staatsanwalts. Die Verteidiger hatten Freisprüche verlangt.(dpa)
Immer wieder muss ich so etwas lesen. Was ist hier wesentlich und was für eine Welt liegt hier vor, in der Justiz solches Urteil nach Recht und Gesetz für angemessen halten darf? Wehe den Opfern zuerst der Gesellschaft und dann der Gerichte!
10. August 2013 | Kategorie: Artikel, Justiz, Nazis
Kölner Stadtanzeiger 07.08.2013
Nazi-Parolen bleiben unbestraft
Krawallstimmung in der Straßenbahn am R o s e n m o n t a g , e s i s t s p ä t e r A b e n d. Vier angetrunkene Männer zwischen Mitte 20 und Mitte 50 sitzen jeweils zu zweit einander gegenüber, und statt Karnevalslieder zu singen, lassen sie braunes Liedgut hören. Und grölen Parolen wie „Deutschland den Deutschen“, „Ausländer raus“ und „Juden vergasen“. „Heil Hitler“ zu ausgestrecktem Arm darf auch nicht fehlen. Andere Fahrgäste sind verärgert oder v e r ä n g s t i g t, zumal solche a u s l ä n d i s c h e r Herkunft. Am beherztesten reagiert ein junges Paar: Die Frau fordert die Männer auf, mit dem „Scheiß“ aufzuhören, erntet aber bloß hämisches Gelächter. Der junge Mann verständigt an der Haltestelle „Zoo“ die Polizei. Die stoppt die Straßenbahn am Wiener Platz; den zwei Beamtinnen kommen verstörte Passagiere entgegen. D a n k d e r Z e u g e n a u s s a g e n d e s P a a r s w e r d e n d i e M ä n n e r, die sich verbal ausgetobt haben, i d e n t i f i z i e r t und bekommen eine Strafanzeige.
Hat sich dieser Vorfall am 11. Februar dieses Jahres nach 23 Uhr in einer Bahn der Linie 18 tatsächlich so abgespielt? Darum ging es am Dienstag vor dem Kölner Amtsgericht. Von den vier Beschuldigten machten drei von ihrem Schweigerecht Gebrauch. Nur der 30 Jahre alte Alexander G. (Name geändert) sagte aus, indem er einen Text verlas, den Richter Rolf Krebber als „ P a m p h l e t “ bezeichnete und der den V e r d a c h t d e r R e c h t s r a d i k a l i t ä t n u r s t ä r k e n k o n n t e . Darin ist die Rede von der „Intoleranz und Willkürhaltung unseres sogenannten Rechtsstaates“, in dem etwas eine „strafrechtliche Relevanz“ bekomme, das eine „Bagatelle“ sei. Das „Recht auf gesunden Nationalstolz“ werde den Deutschen verweigert: „Wir sind immer die Verfolgten mit dem Stempel der Nazi-Ideologie.“ (…) Das Paar, 26 und 27 Jahre alt, wiederholte im Zeugenstand, was es mitbekommen haben will. „Es war echt extrem“, sagte die Studentin; ihr Freund, ein Mediendesigner, gab an, „in so einer Form“ habe er rechte Pöbeleien noch nicht gehört: „Es war krass.“ (…) Wie die Studentin konnte er die gehörten Sprüche nicht einzelnen Personen zuordnen. Trotzdem sah die Staatsanwältin „ n i c h t d e n H a u c h e i n e s Z w e i f e l s “ an der Richtigkeit der Anklage und beantragte Freiheitsstrafen, im Fall von Alexander G., der m e h r f a c h v o r b e s t r a f t ist, sogar ohne Bewährung.
Richter Krebber aber sah aber keine andere Möglichkeit, als den Anträgen der Verteidigung zu folgen, und sprach alle Männer frei. In den 25 Jahren seines Dienstes sei ihm „noch keine Entscheidung so schwergefallen“. Doch für eine Bestrafung sei es nötig, „jede Äußerung jedem Einzelnen zuordnen zu können“. Der Rechtsstaat habe sich an Regeln zu halten und zeige sich „ a m s t ä r k s t e n d a n n, w e n n e r n a c h g i e b i g u n d e m p f i n d s a m i s t“.
Dass mir nicht die Tränen kommen! So empfindsam wie mit dem empfindsamen Alexander G. ging man mit der Linken nie um. Schwer ist es ihm gefallen, dem Richter. Das kann man verstehen, weil man es kaum begreift. Der NSU-Porzess war ihm vor lauter Empfindsamkeit nicht präsent. Am Rosenmontag zweifelsfrei erkannt, lässt sich nicht mehr sagen, wer was gesagt hat. Rosenmontag immerhin und einige Monate her. Alle haben was gesagt, das ist klar. Jetzt sagen drei von vieren nichts, nur einer entleert eine paar eindeutig braune Parolen. Es gibt ein Polizeiprotokoll des Vorgangs, das sollte für alle reichen, aber das reicht dem immer Richter nicht. Mir reicht´s. Es wird zu viel freigesprochen von deutschen Richtern, so lange, bis man nicht mehr frei sprechen kann. Es finden sich Orte in Deutschland, wo das schon erreicht ist, nachgiebig und empfindsam, versteht sich.
24. März 2013 | Kategorie: Justiz, Randnotizen
Aus Neue Juristische Wochenschrift (NJW) – Entscheidung der Woche
Waidmanns Fahndungspech
Verwaltungsgericht Arnsberg, Urt. v. 18. 2. 2013 – 8 K 1999/12
Wer mit seinem Jagdgewehr Diebe auf frischer Tat stellt, muss damit rechnen, dass ihn ein solcher Einsatz die waffenrechtliche Erlaubnis kostet. Zwar honorierte das Gericht die ehrenvolle Absicht des Klägers; diese wiege aber nicht den Umstand auf, dass er jemanden mit seinem Jagdgewehr bedroht und die Waffe missbräuchlich eingesetzt habe.
Der Kläger war passionierter Jäger und ein Mann der Tat: Nach wiederholten Raubzügen von Schrottdieben legte er sich professionell ausgerüstet mit Tarnanzug, Gesichtsmaske und einem mit Platzpatronen geladenen Jagdgewehr auf einem Schrottplatz auf die Lauer. Das Jagdglück war ihm hold: An einen von drei Tätern pirschte sich der Kläger heran und forderte ihn mit der Waffe im Anschlag auf, sich mit ausgestreckten Armen und Beinen auf die Straße zu legen. Sodann verständigte er die örtliche Polizei, die den weiteren Einsatz und den Schrottdieb übernahm. Wenig später wurden sein Jagdschein und seine Waffenbesitzkarte eingezogen. Zwar stellte man ihm die Wiedererteilung der jagdrechtlichen Erlaubnis in Aussicht – jedoch nicht vor Ablauf von zehn Jahren. Für den Kläger war das nicht wirklich eine Perspektive. Die Justiz sollte es deshalb in seinem Sinne richten, was sie aber nicht tat.
Da staunte selbst die NJW. Es sei zur Vervollständigung der Geschichte hinzugefügt, dass der Waidmann der Polizei schon vorher den Tatzeitpunkt und sogar die Personen genannt hatte, die die Tat begehen würden. Die Beamten sahen sich aber außerstande, am fraglichen Abend, nämlich mangels offizieller Genehmigung, eine Überwachungsaktion mit Festnahme durchzuführen. So hatte der Bürger also einen erneuten Diebstahl zu erwarten und ggf. zu dulden. Das wäre offenbar rechtens gewesen, während die Verhinderung des Diebstahls und damit Schutz des Eigentums auf eigene Faust bzw. Schrotflinte mit Platzpatronen das eigentliche Unrecht darstellten. Nun muss ja beileibe nicht jeder wie in Amerika eine Waffe zu Hause haben und gar noch Platzpatronen und direkt von Diebstahl bedroht sein, aber in diesem Fall hätte die Justiz auch laut NJW in ihrem Urteil einfühlsamer sein sollen und können, wie sie es gewöhnlich gegenüber Tätern ist, die tatsächlich Gewalt gegen Personen ausgeübt haben, wegen des Erziehungsgedankens versteht sich. Aber dieser hier hatte ja nur gedroht, und gut erzogen war er auch schon mit seinen Platzpatronen. Der Erziehungsgedanke kam dem Gericht daher nicht in den Sinn, weshalb ihn die volle Strenge des Gesetzes traf.
Fazit: Wenn die Polizei den Bürger nicht schützen kann, dann darf der sein Eigentum noch lange nicht selbst schützen, es sei denn, er forderte den Dieb unbewaffnet und daher höflich auf, das Eintreffen der behördlichen Genehmigung samt Ordnungshütern doch bitte abzuwarten.
14. Juli 2012 | Kategorie: Artikel, Geld oder Leben, Justiz, Seelenmord, Was ein Mensch wert ist
Hier geht es ums Leben:
Hannoversche Allgemeine 22.05.2012
Hohe Strafe für Missbrauch der Tochter
Das Landgericht Hannover hat am Montag einen 38-Jährigen zu s e c h s J a h r e n u n d n e u n M o n a t e n Haft verurteilt, weil er sich 56-mal an seiner eigenen Tochter vergangen hat. Das Gericht befand ihn des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 49 Fällen und schweren sexuellen Missbrauchs in sieben Fällen für schuldig. Beim ersten Vorfall war das Kind gerade s i e b e n J a h r e a l t .
Kölner Stadtanzeiger 09.07.2012
Hohe Haftstrafe für Kinderschänder
Klaus W. (Name geändert) aus Bergisch Gladbach muss für f ü n f J a h r e u n d s e c h s M o n a t e hinter Gitter. Der Vorsitzende Richter der Zweiten Großen Strafkammer am Kölner Landgericht verurteilte den Rentner wegen sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung in mindestens 28 Fällen zu der mehrjährigen Freiheitsstrafe.
Begonnen hatte der Missbrauch an den Kindern seiner Verlobten im Oktober 2009. Rund zwei Jahre verging sich Klaus W. immer wieder an den zum Zeitpunkt der ersten Taten n e u n und z w ö l f Jahre alten Mädchen. Laut der Staatsanwaltschaft wurden die Taten meist unter Alkoholeinfluss begangen. (…) St r a f v e r s c h ä r f e n d war nach Ansicht von Staatsanwaltschaft und Richter, dass der Missbrauch an den beiden Mädchen u n g e s c h ü t z t verlief.
Das G e s t ä n d n i s w i r k t e s i c h s t r a f m i l d e r n d auf das Urteil aus, ersparte es den Kindern doch die belastende Aussage vor Gericht. „ Die Mädchen befinden s i c h i n p s y c h i a t r i s c h e r B e h a n d l u n g , haben in der Schule nachgelassen, klagen über Schlafstörungen und Albträume“, sagte die S t a a t s a n w ä l t i n in ihrem Plädoyer. „Eines der Mädchen leidet unter nächtlichen Essattacken, ihre Schwester hat sich zurückgezogen und ist sozial isoliert“, berichtete die Vertreterin der Anklage weiter. (…) Verteidiger Bode hatte ein ähnliches Strafmaß erwartet: „Ein angemessenes Urteil für eine schlimme Tat.“
Hier geht es um Geld:
Frankfurter Rundschau 27.06.2012
Gerhard Gribkowsky Bayern LB Ex-Top-Banker muss hinter Gitter
Das Landgericht München hat den früheren BayernLB-Vorstand Gribkowsky zu acht Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Der Vorsitzende Richter sprach ihn der Bestechlichkeit, Steuerhinterziehung und Untreue schuldig. Der ehemalige Landesbanker Gerhard Gribkowsky muss für a c h t e i n h a l b Jahre ins Gefängnis. Er habe keinen Zweifel, dass sich der 53-jährige mit hoher krimineller Energie der Bestechlichkeit, Untreue und Steuerhinterziehung jeweils gewaltiger Millionensummen schuldig gemacht hat, sagte Richter Peter Noll bei seinem Urteilsspruch am Landgericht München. Als Höchststrafe wären 15 Jahre möglich gewesen. Die Staatsanwaltschaft hatte z e h n e i n h a l b Jahre Haft gefordert.
Herr Gribowski hat akzeptiert.Fünfzehn Jahre hätten es sein können für jenen Herrn, so wird getönt, der sich doch nur der Bestechlichkeit, Steuerhinterziehung und Untreue schuldig gemacht hat. Menschen hat er insoweit nicht geschadet, außer sich selbst möglicherweise. Das Leben der Kinder, die missbraucht wurden, ist zerstört, der Seelenmord vollendet. Doch machen weder Strafen nichts auch nur annähernd gut, noch nützt Vergebung, und so kommt es regelmäßig zu Urteilen, die das unversehrte Leben dem Recht auf Besitz strafgemildert nachordnen. Oben hält daher ein Verteidiger die Strafe für angemessen. An welcher Stelle des Urteils im zweiten Fall nicht verwendete Präservative sich strafverschärfend auswirkten, habe ich trotz intensiven Nachdenkens nicht herauszufinden vermocht. Wer sollte hier wovor zusätzlich geschützt werden, wo doch Schutzlosigkeit Bedingung für die Schandtat war? Da hier eine Staatsanwältin von Amts wegen tätig war und keine Hodenträger, die Anklage und Urteil zu vertreten hatten, muss ich mich korrigieren, der ich ausschließlich die Hodenträger verdächtigte, den Missbrauch der Kinder gegenüber dem Vergehen am Gelde zu mild zu beurteilen. Offensichtlich ist diese Haltung Programm. Vor Jahren las ich einen kurzen Artikel in der Ärztezeitung, dass drei Viertel der drogenabhängigen Frauen einen Missbrauch hinter sich haben. Der Artikel erlitt selbstverständlich das Schicksal jeder Randnotiz. Er wurde überlesen und vergessen – nicht von mir.
03. Juli 2012 | Kategorie: Artikel, Justiz, Was ein Mensch wert ist
Kölner Stadtanzeiger 29.06.2012
Versuchter Totschlag – Sechs Jahre Haft für Recep K.
Besinnungslos stach Recep K. auf seine Ex-Frau ein, bis die Klinge sich verbog. Nun wurde er vor dem Kölner Landgericht wegen versuchten Totschlags zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt.
Seine Ex-Frau lag schon bewusstlos vor ihm, da zog Recep K. sie hoch und wollte noch einmal zustechen. Die K l i n g e w a r j e d o c h s c h o n s o v e r b o g e n , dass es dem 26-Jährigen nicht gelang, sie an ihrem Hals anzusetzen. „S i e h a b e n z u m G l ü c k v e r s a g t “, sagte der Anwalt der Ex-Frau am Montag vor dem Landgericht. Die 25-Jährige überlebte den Angriff mit insgesamt zehn Messerstichen. (…) Recep K. wurde vor allem von seiner Verzweiflung getrieben. Er wollte die Trennung von seiner Frau nicht akzeptieren – trotz Scheidung. Das Paar näherte sich immer wieder an, die 25-Jährige verweigerte ihm aber das Besuchsrecht für die beiden Töchter (fünf und sechs Jahre), zog sich schließlich zurück. „Er war durch dieses Hin und Her in einem Wechselbad der Gefühle“, sagte sein Verteidiger. Vor den Augen der Töchter schlug Recep K. seiner Ex-Frau zwei Tage vor der Tat im Dezember 2011 so heftig ins Gesicht, dass ihr Nasenbein brach. Am 5. Dezember wollte er sich laut eigener Aussage bei ihr entschuldigen. Es kam zum Streit, sie lief weg, er verfolgte sie und stach schließlich „blindwütig“ zu,wie der Staatsanwalt sagte. Er sieht ein „h o h e s M a ß a n V e r r o h u n g“ darin, dass Recep K. ihr offenbar die Kehle durchschneiden wollte – „wie einem Tier“. Die 25-Jährige hat ein sc h w e- r e s T r a u m a e r l i t t e n u n d i s t i n p s y c h o l o g i s c h e r B e h a n d l u n g. Auch eine Zeugin, eine 44 – jährige Imbissbesitzerin, ist traumatisiert .
Kölner Stadtzeiger 29.06.2012
Recep K. (26) ist nach Überzeugung des Bonner Psychiaters und Neurologen Wolf Gerlich (64) strafrechtlich voll verantwortlich für seine Tat. (…)
Der Gutachter machte in seinen Ausführungen keinen Hehl aus seiner Überzeugung, d a s s d e r b i s h e r i g e U m g a n g d e r J u s t i z mit den z a h l r e i c h e n G e w a l t t a t e n d e s A n g e k l a g t e n „n i c h t n a c h v o l l z i e h b a r “ s e i . In dessen Vorstrafenregister sind zehn Eintragungen mit einschlägigen Delikten aufgelistet. So habe der Angeklagte „nie gelernt, mit seinen Aggressionen umzugehen“. Der Psychiater nannte als Beispiel eine „merkwürdige Sozialprognose“ des Landgerichts aus dem Jahr 2004, die von einem positiven Zukunftsverhalten des Angeklagten ausging. Diese Begründung hatte die Strafkammer damals in der Berufungsinstanz dazu bewogen, K. noch einmal Bewährung zu geben. Obwohl das Amtsgericht in vorangegangener Instanz eine einjährige Haftstrafe für angemessen hielt. Der Angeklagte hatte damals erklärt, er habe sich in der Türkei verlobt. Mit der Frau, mit der er in Deutschland zwei Kinder hat und einen jahrelangen Rosenkrieg führte, der in den beinahe tödlichen Messerstichen im Dezember 2011 gipfelte.
Ich habe ein gestörtes Verhältnis zur Gewalt. Ich kann sie einfach nicht ertragen und noch weniger ertragen kann ich ein Verständnis, welches den Täter verstehen möchte auf Kosten des Opfers und in dem Tötungsversuch mit zehn Messerstichen einen versuchten Totschlag erkennt, den das Opfer nur dank verbogener Klinge überlebt. Wenn der Anwalt der Frau folgert, der Täter habe „zum Glück versagt“, so fragt man sich: Zu wessen Glück? Dass die Frau nicht tot ist oder dass der Täter mit zwei Jahren mehr hätte rechnen müssen? „Ein hohes Maß an Verrohung“ erkenne auch ich, allerdings im Umgang der Justiz bei Körperverletzung. Dass aus bagatellisierter Gewalt in unserer Zeit eine Aufforderung zur Tat erwächst, die sich einer gewisser Toleranz sicher sein darf und zum Amüsement der Täter über die Justiz geführt hat, scheint noch nicht bis zu den Stühlen der Richter vorgedrungen zu sein, deren sie sich zum Teil in ihren Urteilen zu entledigen scheinen. W. K. Nordenham
29. Juni 2012 | Kategorie: Artikel, Geld, Justiz, Notizen zur Zeit
Handelsblatt 1.8.2011
Urteil gegen Ex-IKB-Chef rechtskräftig – BGH verwirft Revision.
Karlsruhe/Düsseldorf (dpa) – Die Strafe gegen den Ex-Chef der Mittelstandsbank Stefan Ortseifen, ist rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision der Verteidigung, wie ein Sprecher des Gerichtshofs am Montag in Karlsruhe mitteilte (Az.: 3 StR 506/10). Ortseifen war wegen v o r s ä t z l i c h e r Marktmanipulation zu z e h n M o n a t e n H a f t a u f B e w ä h r u n g und zur Zahlung von 1 0 0 0 0 0 Euro verurteilt worden. Damit war er der e r s t e d e u t s c h e S p i t z e n b a n k e r, der für sein Fehlverhalten in der Finanzkrise schuldig gesprochen worden war. Mit dem Bekanntwerden der dramatischen Schieflage der IKB hatte die internationale Finanzkrise 2007 Deutschland erreicht.
Er war der Erste und Einzige bis dato der Letzte. Ich habe auf weitere Urteile gewartet, aber nichts geschah. Die Macht und das Recht tun sich nichts, weil die Macht das Recht hat. Für Herrn Ortseifen sind 100 000 € angesichts des angerichteten Schadens von 10 Mrd. € so zuverlässig zu verschmerzen, wie sie es für den Steuerzahler nicht sind. Die Westdeutsche Landesbank, in deren Aufsichtrat die Vertreter der Politik von Steinbrück bis Rütgers die Aufsicht innehatten, gab sich mit solchen Beträgen nicht zufrieden. Der Stadtanzeiger Köln vermeldete im April 2011 in Sachen West LB, dass 77 Mrd. Euro in eine Abwicklungsgesellschaft „ausgelagert“ wurden. Dazu kamen im Mai noch 15 Mrd. dazu. Vor Jahren wurden schon mal 6 Mrd. im Investmentsumpf versenkt. Das summiert sich zu einem 1 0 0 – Milliarden Euro Deal mit Totalverlust und ein Ende scheint nicht abzusehen. Da haben Banker oder soll man sagen „Bankgster“, unter stetiger gutbezahlter Aufsicht und mit Wissen der Landesregierung einen Supergau hingelegt, und fragt man nach konkreter Verantwortlichkeit, so beherrscht allgemeines Achselzucken die Szene. Ich weiß woher das Achselzucken kommt. Da wurde mal wieder eben schnell die Verantwortung von den Schultern abgeworfen, und es „zuckt“ noch nach. Die soeben noch stolz sich mit der Verantwortung brüsteten, ergreifen umgehend die Flucht in den gut gepolsterten Ruhestand oder auf andere Posten, wo einmal vor dem Wähler Haltung gezeigt werden sollte. Aber das sieht die Regie im Schauspiel Politik nicht vor. Mit jeder Vorstellung gerät die Aufführung erbärmlicher und könnte vergessen werden, hätte man nicht mit den verspielten Milliarden alle nur denkbaren Kitas bezahlen können, Lehrer in Masse einstellen, Schulen und Unis ausbauen und die halben Schulden von NRW begleichen. Wie gesagt, man fasst es ebenso wenig wie man die Täter nicht fasst, vielmehr einfach laufen lässt. Was ist ein Aufsichtsrat? Das ist ein Rat, der rät was Aufsicht ist.
07. Mai 2012 | Kategorie: Artikel, Justiz, Menschenwürde, Seelenmord, Was ein Mensch wert ist
Spiegel-online 12.3.2012
Kind für Missbrauch gezeugt – Langjährige Haftstrafen für Paar aus NRW
Die Vorwürfe waren ungeheuerlich: Melanie R. und Benjamin P. sollen ein Kind gezeugt haben, nur um es später sexuell zu missbrauchen. Das tat der Vater dann auch, als das Baby fünf Wochen alt war. Jetzt muss das Paar ins Gefängnis.
Essen.- Der Plan war so entsetzlich, die Umsetzung so grausam, dass die Tat „außerhalb des Bereichs unserer Vorstellung“ liege, betonte Staatsanwalt Gabriel Wais am Landgericht Essen. Melanie R., 26, und Benjamin P., 27, sollen ein Kind gezeugt haben – aus einem einzigen Grund: Sie wollten es sexuell missbrauchen.
Am Montag wurde das Urteil in dem Fall gesprochen. Der 27-jährige Angeklagte aus Gelsenkirchen wurde zu a c h t , seine ein Jahr jüngere Partnerin zu f ü n f J a h r e n Haft wegen schweren sexuellen Kindesmissbrauchs verurteilt. D i e R i c h t e r b l i e b e n m i t d e m S t r a f m a ß für Benjamin P. u n t e r d e n von Staatsanwalt Wais g e f o r d e r t e n z e h n J a h r e n . Ein Gutachter hatte beide Angeklagten für v o l l s c h u l d f ä h i g erklärt.(…)
„Die Angeklagten haben einen schutzlosen Säugling zum bloßen Objekt ihrer sexuellen Begierde degradiert und seine M e n s c h e n- w ü r d e m i t F ü ß e n g e t r e t e n „, sagte der Vorsitzende Richter Heinz – Günter Busold in der Urteilsbegründung. Die Richter hätten im Verlauf des Prozesses in Abgründe menschlichen Handelns und Denkens geblickt, die sie “ f a s s u n g s l o s und b e t r o f f e n machen“, so der Vorsitzende.(…)
Wenn irgendjemand Zweifel an Sinn und Zweck der Frage gehabt hat, zu was eine human sich nennende Spezies nicht nur fähig, sondern auch imstande sei, welche Schandtat sie nie und nimmer begehen würde und was ihr unbedingt zuzutrauen sei, hier wird ihm Antwort zuteil. Das schlimmste Vorstellbare greift zu kurz, der Schrecken trifft mitten ins Herz. Sei es der schriftstellerische Auswurf des kranksten Gehirns oder seien es die Phantasieauswürfe psychopathischer Filmemacher, nichts, aber auch gar nichts, vermag die Ungeheuerlichkeit zu einzuholen, die durch die obige Mitteilung belegt wird und vor der noch der ärgste Alptraum kapitulieren muss. Der Artikel geht ins Detail. Ich sehe mich nicht in der Lage mehr von dem wiederzugeben, was niemand wissen will und keiner sich vorstellen kann. Lange habe ich gezögert überhaupt zu schreiben, da mir das Wort fehlte während der Zorn wuchs. Es gibt Ereignisse, die den Geist lähmen, in Lethargie verfallen lassen, wo man den Aufschrei der geschundenen Weltseele zu hören glaubt und sich das Bewusstsein aus Selbstschutz der Mitteilung verweigern will. Beim Ausbruch des 1.Weltkrieges, des großen aus einer Sektlaune begonnenen Völkermordens und als die Zeit durch die Nazis 1933 in Blut getaucht wurde, da wieder niemand Einhalt geboten hatte, gab es diese Momente für Karl Kraus. Das große Grauen beschreibt auf alle Zeit Auschwitz. Aber im scheinbar menschlich Kleinen, welches eben darum für groß zu gelten hat, wiederholt sich der tägliche Schrecken oder vielmehr, er setzt sich fort.
Die abgenutzte Metapher vom menschlichen Abgrund kann im vorliegenden Fall in ihrer Bedeutung vollendet und dem Wortsinn getreu erfahren werden, weil erst das Adjektiv „menschlich“ den Abstieg in die tiefsten Tiefen des Ekels und der Widerwärtigkeit beglaubigt und man allein deshalb dem Abgrund die Bodenlosigkeit zutraut, in die ein Tier sich nie je verirren würde. Kein noch so abgründiges Höllenwerk scheint der Unnatur des Menschen wesensfremd, eben gerade weil sie menschlich ist. Das ewig Menschliche zieht nicht hinan, sondern hinab. Die dünne Schicht kultureller Errungenschaften, welche die humane Unzulänglichkeit als Zivilisation ausgibt, kaschiert notdürftig, was dem Tier an Natur verloren ging, als es Mensch ward. Ohne das Menschsein je erlangt zu haben, gedachte dieser Missgriff der Schöpfung das scheinbar Animalische von sich abwerfen zu dürfen ohne sich über die Folgen Rechenschaft zu geben, die bloßes Menschsein nach sich ziehen würde. Nichts einfacher und daher unnützer als mit dem Kulturmäntelchen zudecken zu wollen, was selbst durch ein Zaubergewand nur unsichtbar, aber niemals ungeschehen gemacht werden könnte. Sophokles Wort aus Antigone – “ Ungeheuer ist viel, doch nichts ist ungeheurer als der Mensch“- habe ich immer so verstanden, dass im Ungeheuer Mensch nicht nur Ungeheures sondern vor allem Ungeheuerliches angelegt ist.
Der Abscheu wird verstärkt durch die Tatsache, dass die Justiz selbst dieses unfassbare Delikt nicht des Höchstmaßes der Strafe für würdig erachtete, sondern Gründe fand, die offenbar Gelegenheit zu Milde boten. Die Würde des schutzlosen Säuglings sei „mit Füßen getreten“ worden, so der Richter. Selten klang eine Phrase so dümmlich und deplaziert. Wenn doch nur dieses geschehen wäre! Und zwischen den sodann aufgebotenen Befindlichkeitsadjektiven „fassungslos und betroffen“ scheint mir sehr wohl ein wertiger Unterschied, wobei man auf die Reihenfolge achte, welche die Floskel zuverlässig von echter Empfindung scheidet und den Mangel an Tiefe aufdeckt. Es ist das Urteil des Gerichtes, das die Würde des Kindes nochmals missachtete, als es die Tat der Höchststrafe für unwürdig befand. Schon lange – spätestens seit dem Versagen der belgischen Justiz im Falle Dutroux – bedrängt mich eine perfide Ahnung, als ob nämlich ein Hodenträger dem anderen aus unbewusstem Skrotalkonformismus nolens-volens etwas nachzusehen hätte, wenn es um Missbrauch geht, der ja durchweg von Männern ausgeführt wird oder wurden schon einmal vermehrt weibliche Päderasten entdeckt, die sich an Kindern oder gar Säuglingen vergingen? Vergewaltigen Frauen reihenweise Jungen und Mädchen oder hat auch hier die Riege der Hodenträger inklusive der per ordre Vaticano Depravierten die absolute Hoheit? Viel zu oft habe ich noch nach Jahrzehnten den Schmerz der Opfer miterleben müssen, als sie mir davon sprachen, wie wenn es gestern gewesen wäre, da man ihre Seele mordete. Im Talmud und später im Koran heißt es, dass wenn jemand einen Menschen tötet, so solle es sein, als hätte er die ganze Menschheit getötet. Es ist an der Zeit, dass sich die Hodenträger aus der Gesetzgebung für männliche Sexualtäter heraushalten und bei der Aburteilung dieser Taten vom Richteramt wegen Befangenheit zurücktreten, vielmehr dies Frauen überlassen, in der zugegeben vagen Hoffnung, dass Würde nicht noch mehr beschädigt und der Seelenmord, den jede dieser Taten unstrittig zur Folge hat, als solcher wahrgenommen wird und strafrechtlich im Sinne des Opfers wahrhaft gewürdigt.