Notizen zur Zeit. Nachgiebig und empfindsam.
10. August 2013 | Kategorie: Artikel, Justiz, NazisKölner Stadtanzeiger 07.08.2013
Nazi-Parolen bleiben unbestraft
Krawallstimmung in der Straßenbahn am R o s e n m o n t a g , e s i s t s p ä t e r A b e n d. Vier angetrunkene Männer zwischen Mitte 20 und Mitte 50 sitzen jeweils zu zweit einander gegenüber, und statt Karnevalslieder zu singen, lassen sie braunes Liedgut hören. Und grölen Parolen wie „Deutschland den Deutschen“, „Ausländer raus“ und „Juden vergasen“. „Heil Hitler“ zu ausgestrecktem Arm darf auch nicht fehlen. Andere Fahrgäste sind verärgert oder v e r ä n g s t i g t, zumal solche a u s l ä n d i s c h e r Herkunft. Am beherztesten reagiert ein junges Paar: Die Frau fordert die Männer auf, mit dem „Scheiß“ aufzuhören, erntet aber bloß hämisches Gelächter. Der junge Mann verständigt an der Haltestelle „Zoo“ die Polizei. Die stoppt die Straßenbahn am Wiener Platz; den zwei Beamtinnen kommen verstörte Passagiere entgegen. D a n k d e r Z e u g e n a u s s a g e n d e s P a a r s w e r d e n d i e M ä n n e r, die sich verbal ausgetobt haben, i d e n t i f i z i e r t und bekommen eine Strafanzeige.
Hat sich dieser Vorfall am 11. Februar dieses Jahres nach 23 Uhr in einer Bahn der Linie 18 tatsächlich so abgespielt? Darum ging es am Dienstag vor dem Kölner Amtsgericht. Von den vier Beschuldigten machten drei von ihrem Schweigerecht Gebrauch. Nur der 30 Jahre alte Alexander G. (Name geändert) sagte aus, indem er einen Text verlas, den Richter Rolf Krebber als „ P a m p h l e t “ bezeichnete und der den V e r d a c h t d e r R e c h t s r a d i k a l i t ä t n u r s t ä r k e n k o n n t e . Darin ist die Rede von der „Intoleranz und Willkürhaltung unseres sogenannten Rechtsstaates“, in dem etwas eine „strafrechtliche Relevanz“ bekomme, das eine „Bagatelle“ sei. Das „Recht auf gesunden Nationalstolz“ werde den Deutschen verweigert: „Wir sind immer die Verfolgten mit dem Stempel der Nazi-Ideologie.“ (…) Das Paar, 26 und 27 Jahre alt, wiederholte im Zeugenstand, was es mitbekommen haben will. „Es war echt extrem“, sagte die Studentin; ihr Freund, ein Mediendesigner, gab an, „in so einer Form“ habe er rechte Pöbeleien noch nicht gehört: „Es war krass.“ (…) Wie die Studentin konnte er die gehörten Sprüche nicht einzelnen Personen zuordnen. Trotzdem sah die Staatsanwältin „ n i c h t d e n H a u c h e i n e s Z w e i f e l s “ an der Richtigkeit der Anklage und beantragte Freiheitsstrafen, im Fall von Alexander G., der m e h r f a c h v o r b e s t r a f t ist, sogar ohne Bewährung.
Richter Krebber aber sah aber keine andere Möglichkeit, als den Anträgen der Verteidigung zu folgen, und sprach alle Männer frei. In den 25 Jahren seines Dienstes sei ihm „noch keine Entscheidung so schwergefallen“. Doch für eine Bestrafung sei es nötig, „jede Äußerung jedem Einzelnen zuordnen zu können“. Der Rechtsstaat habe sich an Regeln zu halten und zeige sich „ a m s t ä r k s t e n d a n n, w e n n e r n a c h g i e b i g u n d e m p f i n d s a m i s t“.
Dass mir nicht die Tränen kommen! So empfindsam wie mit dem empfindsamen Alexander G. ging man mit der Linken nie um. Schwer ist es ihm gefallen, dem Richter. Das kann man verstehen, weil man es kaum begreift. Der NSU-Porzess war ihm vor lauter Empfindsamkeit nicht präsent. Am Rosenmontag zweifelsfrei erkannt, lässt sich nicht mehr sagen, wer was gesagt hat. Rosenmontag immerhin und einige Monate her. Alle haben was gesagt, das ist klar. Jetzt sagen drei von vieren nichts, nur einer entleert eine paar eindeutig braune Parolen. Es gibt ein Polizeiprotokoll des Vorgangs, das sollte für alle reichen, aber das reicht dem immer Richter nicht. Mir reicht´s. Es wird zu viel freigesprochen von deutschen Richtern, so lange, bis man nicht mehr frei sprechen kann. Es finden sich Orte in Deutschland, wo das schon erreicht ist, nachgiebig und empfindsam, versteht sich.