Sein oder Design ist nicht mehr Frage, sondern schon Antwort. So schafft die entstellteste Menschheit das höchste Bruttosozialprodukt.

Notizen zur Zeit. Das rechte Auge ist braun. Von W.K.Nordenham

16. November 2011 | Kategorie: Artikel, Notizen zur Zeit

Die neuerlichen Mordtaten der Neonazis sind so unbegreiflich wie erwartet. Man hat sie wieder nicht beim Wort genommen. Sind 1500 Straftaten in den letzten Jahren nicht beweiskräftig genug, um diese Menschenverächter beim Wort zu nehmen? Seit Jahren ließ man Aufmärsche und Demonstrationen von Neonazis zu und zahlte aus dem Steuergeldtopf  an die rechten Parteien, die  damit  das Treiben finanzierten, welches nun in vielfachemMord gipfelt. Gutbezahlte V- Leute unterstützen mit Honoraren vom Verfassungsschutz die rechte Tätigkeit und waren wichtiger als ein Verbot der NPD.  Verfasst von mir vor langer Zeit, wird im Nachfolgenden ein Artikel aus traurigem Anlass erneut veröffentlicht. Er wurde im September 1992 nach Rostock, vor den Anschlägen in Mölln und Solingen geschrieben, als erste rechte Mordtaten sich ankündigten. Ein kritischer Kommentar zu den Auswüchsen, den der Stadtanzeiger Köln bis dahin schuldig geblieben war, wurde von mir damals als Leserbrief eingereicht und  da wohl zu lang, nicht abgedruckt. Auch eine zweite verkürzte Einsendung mit Hinweis auf die  Notwendigkeit scheiterte. Als ich dann an den Verleger Alfred Neven-Dumont persönlich sandte und eine Stellungnahme der größten Zeitung der Region anmahnte, äußerte er sich umgehend und unmissverständlich in einem Leitartikel zum rechten Treiben. Meinen Dankesbrief an ihn für die überfällige Stellungnahme hat die Redaktion, obwohl nicht an sie geschickt,  gern abgedruckt. Schon damals nahm man am Anfang nicht so ernst.  Dass die Ungeister aber ungerufen weiter machten, ist traurige Wirklichkeit. Wenn man das exzellente Phantombild eines der Täter  nach dem Bombenanschlag in der Keupstraße in Köln noch einmal anschaut und mit dem Passbild vergleicht, ist heute auch aus damaliger Sicht nicht zu verstehen, warum bereits zwei Tage nach dem Anschlag  jede rechte Verbindung in Abrede gestellt werden konnte. Wo waren und sind Verfassungsschutz und Staatsorgane? Seit den Tagen der braunen Apokalypse und trotz ihr hat sich in etlichen pensionsberechtigten Dumpfköpfen ein Gedanke nicht ausrotten lassen, der links immer für gefährlicher und rechts für nebulös staatstragend halten will, eingedenk der Debilität voraussetzenden Einlassung, wonach  bei „Adolf“ nicht alles schlecht gewesen sein soll. Stimmt! Nicht für die Verbrecherlumpe selbst. Aber das Kurz- und Langzeitgedächtnis des gemeinen Bundes-Bild-Bürgers hat an dieser Stelle seit jeher einen Ausfall zu vermelden,  den er nicht beklagen will und den auch die 68-er nicht komplett beheben konnten, wie man da sieht.Vor ein paar Monaten sollte das Erinnerungswerk für den Holocaust, die „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig, laut Finanzamt keine Kunst mehr sein. Ebenso erlaubte ein Gericht das Zeigen einer Plakatkarikatur eines Israelis, der ein palästinensisches Kind auf einem Teller zerlegt. Das hatte mit Nazitum nur scheinbar nichts gemein, aber auch hieraus sprach der Ungeist, der verdrängt, verharmlost und die Folgen insgeheim billigt. Nicht nur in der Vererbungslehre gilt braun als dominante Augenfarbe. Deshalb ist es  falsch, die Behörden auf dem rechten Auge für blind zu halten. Das rechte Auge ist braun.

Marsch ohne Ziel, Taumel ohne Rausch, Glauben ohne Gott“. Konrad Heiden (1901-1966) über den Nationalsozialismus. Prägnanter als Konrad Heiden kann man es nicht auf den traurigen Punkt bringen und nahtlos auf die heutige Rechtsszene übertragen. In der Zeit der Weimarer Republik war Heiden einer der frühesten publizistischen Beobachter der NS-Bewegung. 1936 schrieb er  in der Schweiz die erste bedeutende Hitlerbiographie, die mehr über die braunen Verbrecher aussagt als alle Nachfolgenden:

„Adolf  Hitler- Das Zeitalter der Verantwortungslosigkeit.“  Auszüge daraus sind in Vorbereitung.

Das rechte Auge ist braun – Unbewältigte Gespenster von 1992

Eine glatte Stirn weist auf Unempfindlichkeit hin.   Berthold Brecht

Die Auseinandersetzung mit dem Rechtsradikalismus ist keine Herausforderung an den Staat allein, sondern an das Gewissen aller. Wenn menschliche Maßstäbe so deformiert werden, dass Verletzungen, Tod und Mord geschehen, dann genügt kein banges Erschrecken, garniert mit den gängigen Sprüchen von Politikern, deren Unverdrossenheit nur noch von der Verdrossenheit ihrer Zuhörer übertroffen wird. Rechtsradikalismus beschreibt nicht ein Gesellschaftsproblem, sondern ist Ausdruck eines menschlichen Analphabetismus, dem mit Tat und im Wort Rede und Antwort gestanden werden muss. Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus ist für diese Leute dumpfes Dogma. Sie wollen die Millionen Ermordeter und Verfolgter ihrer geistigen Vorbilder nicht kennen. Mag irgendwo in mir eine Spur zumindest von Toleranz deutschpatriotischer Überzeugung vorhanden sein, so verschließt sich dem Denken jegliche Einsicht in gehobene rechte Arme, wenn das Leid der Flüchtlingsmillionen, der seelisch Verstümmelten, der Krüppel  bedacht wird, das aus der Hasswelt der Nazis erstand. Aber welch sinnentleerte Ideologie, welche gedankenlose Wut, welche Menschenverachtung muss die  treiben, die den Tod von zehn Millionen durch Hitler in den Tod gehetzter deutscher Soldaten, die so jung waren wie jene sind, für zu gering hält, um sich daran zu hindern, den rechten Arm zu heben? Hat es diese nachweislich „deutschen“ Opfer für neofaschistische Köpfe etwa auch nicht gegeben, wo sie alle anderen schon leugnen?  Da gerät die gehobene rechte Hand zum Meineid auch an deren Schicksal und verhöhnt erneut jene Abermillionen Opfer in den KZ´s, in besetzten und verwüsteten Ländern. Wird nun Ausland in Deutschland verwüstet, bleibt verwüstetes Deutschland zurück.

Wenn dies an glatten Stirnen abprallt, die man > Skin Heads < nennt, dann fügt sich hinter den Stirnen glatte, platte Konsumphilosophie, deren Verdauungsfurz die Welt als Werbung verpestet, mit kapitalistisch, technogläubiger Ideenarmut zu der die Menschen abstumpfenden Sprachlosigkeit zusammen, von der es kaum ein Schritt ist zur menschenverachtenden Sprache der Rechtsszene. Unsere sinnabweisende Oberflächenhochglanzwelt wird auf nur Politur verzichten und Farbe bekennen müssen, will sie nicht die glatte Stirn als unbequemes Spiegelbild der eigenen Kälte erkennen. Der Fingerzeig auf rechte Gewalt und Rohheit weist auf das Pendant in uns, deren täglicher Geschäftigkeit und Fortschrittssucht, die Mitmenschlichkeit im eigenen Land, sowie hunderttausende verhungernder Kinder in allen Teilen der Welt, kaum eine Überlegung wert sind. So wird die beschädigte Humanität unserer Gesellschaft mühelos zum Geburtshelfer einer Verblendung, deren  fanatisierte Ausgeburt uns jetzt als Täter entsetzt. Wem da nichts Besseres einfällt, als aus der  zweiten Reihe  klammheimlich am Stammtisch mitzutun oder als Zuschauer zu verdecken, der ist nicht rechts, sondern  rektal. Man kann kein Auge mal eben zukneifen, wenn es rechts und braun ist. Nie hat Hass etwas aufgebaut, sondern immer alles für alle zerstört.

Die Antwort auf den Rechtsradikalismus kann nur eine kompromisslose Menschlichkeit sein, die das Gespräch mit den potentiellen Tätern nicht ausschließt. Das schlagende Argument der Demokratie muss Gewaltlosigkeit heißen, aber nur gegen die Gewaltlosen. Vom Rechtsterror bedrohte Menschen müssen um fast jeden Preis geschützt werden. Die gilt noch mehr für jüdische Menschen und  all jene, die schon einmal in Deutschland Angst haben mussten. Eine Regierung, die ihre Bevölkerung bei dieser Aufgabe im Stich ließe, würde zum Bankrotteur ihrer moralischen Grundsätze. Wer rechts wählt oder gedenkt es zu tun, wird mitschuldig. So paradox es klingt, diese menschenverletzende Ideologie gibt uns die Chance schon verlorene Menschlichkeit wiederzufinden, indem wir sie als Mahnung und Auftrag begreifen, gegen die Kälte eines computergesteuerten Zeitalters anzugehen, als dessen anachronistisches Überbleibsel der Mensch zu firmieren droht. Dass die Medien dabei helfen, muss Programm sein. Die an die Urgroßeltern und Großeltern oft gestellte Frage, warum sie damals nichts gegen Hitler getan hätten, kann heute von den Eltern überzeugend beantwortet werden, indem sie ihre Kinder zur demokratischen Ordnung notfalls nicht nur rufen sondern zwingen.