Sein oder Design ist nicht mehr Frage, sondern schon Antwort. So schafft die entstellteste Menschheit das höchste Bruttosozialprodukt.

Heine und die Folgen. Von Karl Kraus

06. Oktober 2011 | Kategorie: Aus "Die Fackel", Heine und die Folgen

Heine und die Folgen erschien erstmals im Dezember 1910 im Verlag Albert Langen, München. Karl Kraus veröffentlichte den Aufsatz später in der Zeitschrift  Die Fackel Nr. 329/330, S. 1-33, 1910  mit dem Vorwort. Ein Schlusswort  >Zwischen den Lebensrichtungen < erschien später  in Die Fackel 462-471, S. 76-78.   im Oktober 1917. Nie wurde dem Dichter Heine so auf den poetischen Zahn gefühlt, nie des Dichters Spreu klarer vom Weizen getrennt und ungezählte bewusste und unbewusste Epigonen entlarvt. Die im Vorwort noch festgestellte mangelnde Akzeptanz durch den Leser, muss im Schlusswort der Feststellung weichen, dass die Schrift mehrere Auflagen und großes Interesse erfuhr. Das >Vorwort< zählt zum Persönlichsten, was von Karl Kraus je niedergeschrieben  wurde. Seine darin geäußerte abwertende Einstellung zum Roman ist bekannt. Elias Canetti hat sie in seinem Buch „Die Fackel im Ohr“ angemessen kritisch beurteilt. Wer den ganzen  Aufsatz lesen will, möge im Fackel-Archiv (siehe link) nachlesen. Nicht etwa wegen einer der Ablehnung des Inhalts  und seiner Schlussfolgerungen,  sondern aus persönlichen Gründen wurden nur Vorwort und Nachlese abgedruckt. Auf eine zunächst angekündigte Begründung dafür habe ich verzichtet, weil sie vom folgenden Test abgelenkt hätte .

DIE FACKEL


Nr. 329/330 31. AUGUST 1911 XIII. JAHR


Heine und die Folgen

Von Karl Kraus

Vorwort

Die tiefste Bestätigung dessen, was in dieser Schrift gedacht und mit ihr getan ist, wurde ihr: sie fand keine Leser. Ein Gedrucktes, das zugleich ein Geschriebenes ist, findet keine. Und mag es sich durch alle äußeren Vorzüge: den bequemen, noch in feindlicher Betrachtung genehmen Stoff, ein gefälliges Format und selbst durch den billigsten Preis empfehlen — das Publikum lässt sich nicht täuschen, es hat die feinste Nase gegen die Kunst, und sicherer als es den Kitsch zu finden weiß, geht es dem Wert aus dem Wege. Nur der Roman, das  Sprachwerk, das in seiner ungreifbarsten Reinheit noch dem gemeinen Verstande irgend Halt und Hoffnung lässt, nährt heute seinen Mann. Sonst haben vor dem Leser jene, die ihm mit dem Gedanken im Wort bleiben, einen unendlich schweren Stand gegen die, welche ihn mit dem Wort betrügen. Diesen glaubt er sofort, den andern erst nach fünfzig Jahren. Und keine irdische Träne aus den Augen, die das Leben vom Tod begraben sehen, verkürzt die Wartezeit. Nichts hilft. Die Zeit muss verstinken, um jene, die das sind, was sie können, so beliebt zu machen, wie diese da, welche können, was sie nicht sind. Nur dass dieses Heute noch den besondern Fluch des Zweifels trägt: ob der Kopf, der die Maschine überlebt, auch ihre Folgen überstehen wird. Nie war der Weg von der Kunst zum Publikum so weit; aber nie auch hat es ein so künstliches Mittelding gegeben, eins, das sich von selbst schreibt und von selbst liest, so zwar, dass sie alle schreiben und alle verstehen können und bloß der soziale Zufall entscheidet, wer aus dieser gegen den Geist fortschreitenden Hunnenhorde der Bildung jeweils als Schreiber oder als Leser hervorgeht. Die einzige Fähigkeit, die sie als Erbteil der Natur in Ehren halten: von sich zu geben, was sie gegessen haben, scheint ihnen auf geistigem Gebiet als ein Trick willkommen, durch den es gelingen mag, zwei Verrichtungen in einer Person zu vereinigen, und nur weil es noch einträglichere Geschäfte gibt als das Schreiben, haben sich bisher so viele unter ihnen Zurückhaltung auferlegt und begnügen sich damit, zu essen, was die andern von sich gegeben haben. Wie derselbe Mensch sich in einer Stammtischrunde vervielfacht hat, in der ein Cellist, ein Advokat, ein Philolog, ein Pferdehändler und ein Maler sitzen, durch den Geist verbunden und nur vom Kellner nach den Fächern unterschieden, so ist zwischen Autor und Leser kein Unterschied. Es gibt bloß noch Einen, und das ist der Feuilletonist. Die Kunst weicht vor ihm zurück wie der Gletscher vor dem Bewohner des Alpenhotels. Einst konnte man den, so rühmten die Führer, mit Händen greifen. Wenn der Leser heute ein Werk mit Händen greifen kann, dann muss das Werk eine üble Seite haben. Der Herausgeber dieser Zeitschrift ist sich durchaus bewusst, dass sie ihr Ansehen großenteils jener Empfänglichkeit verdankt, die sich etwa dem vorzüglichen Romanautor nicht gleich darum entzieht, weil sie vom Hörensagen weiß, dass er auch ein Künstler ist. Er darf sich diese Nachsicht getrost zunutze machen. Der Herausgeber der Fackel hat nicht selten das Gefühl, dass er an ihr schmarotzt. Sie würde ihm unwiderruflich verweigert, wenn die Leser gar erführen, in welchem Stadium der Unzurechnungsfähigkeit solch witzige Anlässlichkeiten entstehen, von welcher Kraft der Selbstvernichtung diese Treffsicherheit lebt und wie viel Zentner Leiden eine leichte Feder tragen kann. Und wie düster das ist, was den Tagdieb erheitert. Das Lachen, das an meinen Witz nicht heranreicht, würde ihnen vergehen! Sähen sie, dass der kleine Stoff, der ihnen zu Gesicht steht, nur ein schäbiger Rest ist von etwas, das sie nicht betasten können, sie gingen endlich davon. Ich bin bei denen, die sich einbilden, meine Opfer zu sein, nicht beliebt; aber bei den Schadenfrohen noch immer weit über Verdienst.

Mag nun die Fackel sich auch zumeist in den unrechten Händen befinden: wenn sich das, was von mir geschrieben ist, in einen andern Druck wagt, so langt überhaupt keine Hand
darnach. Für eine Sammlung von Satiren oder Aphorismen soll das nicht gelten. Eine solche ist mit den seltenen Lesern zufrieden, denen die textliche Veränderung ein neues Werk bedeutet. Aber an der Schrift »Heine und die Folgen«, die als Manuskript in den Buchverlag kam, hat es sich gezeigt, dass es nicht mehr Leser gibt, als jene wenigen. Und diese Erfahrung kann gerade sie nicht schmerzlos hinnehmen. Denn ihr Wille ist, Leser zu schaffen, und das könnte ihr nur gelingen, wenn sie Leser findet. Sie trägt den Jammer des deutschen Schrifttums aus, und sie ist nicht zufrieden damit, dass ihre Wahrheit sich an ihr selbst erfülle. Darum betritt sie den Weg der Reue, der aus dem Buch zurück in die Zeitschrift führt, und auch diese Notwendigkeit sei ihr gefällig, die Perversität des geistigen Betriebs unserer Tage zu erweisen. Hier, im vertrauten Kreis, wird sie wenigstens den Versuch machen, zu mehr tauben Ohren zu sprechen, als in der großen deutschen Öffentlichkeit zu haben sind.

Denn es ist nicht zu denken, dass sie just für den Gegenstand taub waren, von dem zu ihnen die Rede ging. Von Heine hören sie noch immer gern und wenn sie auch nicht wissen,
was soll es bedeuten. Sicherlich würde die Schrift, wenn sie bloß die Lebensfülle seiner Kunst verneinte, jenem Zeitgefühl nichts Neues sagen, das sich selbst durch die Verabredungen der Intelligenz nicht betrügen lässt. Sicherlich lässt es sich eher zur Bettelei für ein Heine-Denkmal als zur Lektüre seiner Bücher herumkriegen. Und dem Hass, der dort ansetzte, wo nicht Liebe, nur intellektuelle Heuchelei die Grabeswacht hält, würde zwar einige Erbitterung, aber kein allgemeines Interesse antworten. Diese Schrift indes, so weit entfernt von dem Verdacht, gegen Heine ungerecht zu sein, wie von dem Anspruch, ihm gerecht zu werden, ist kein literarischer Essay. Sie erschöpft das Problem Heine nicht, aber mehr als dieses. Der törichteste Vorwurf: dass sie Heine als individuellen Täter für seine Folgen verantwortlich mache, kann sie nicht treffen. Die ihn zu schützen vorgeben, schützen sich selbst und zeigen die wahre Richtung des Angriffs. Sie sollen für ihre Existenz verantwortlich gemacht werden, und der Auswurf der deutschen Intelligenz, der sich sogleich geregt hat, bewies, dass er sich als die verantwortliche Folge fühle. Es waren Individuen, die durch ihre eigene Lyrik schwer genug gestraft sind oder durch ihre eigene Polemik zu sehr insultiert waren, als dass sie einer besondern Abfertigung bedurft hätten. Die wenigen, die sich geärgert und die vielen, die nicht gelesen hatten, haben bestätigt, was geschrieben war. Nicht die Gefahr, eine Entweihung Heines zu erleben, wohl aber die Furcht, das Feindlichste zu hören, was diesem Zeitalter der Talente gesagt werden kann, hat dem Ruf ein stärkeres Echo ferngehalten. Nicht eine Wertung Heine’scher Poesie, aber die Kritik einer Lebensform, in der ein für allemal alles Unschöpferische seinen Platz und sein glänzend elendes Auskommen gefunden hat, wurde hier gewagt. Nicht die Erfindung der Pest, nicht einmal ihre Einschleppung wurde getadelt, aber ein geistiger Zustand beschrieben, an dem die Ornamente eitern. Das hat den Stolz der Bazillenträger beleidigt. Hier ist irgendwie die Sprache von allem, was sie einzuwickeln verpflichtet wurde, gelöst, und ihr die Kraft, sich einen bessern Inhalt zu schaffen, zuerkannt. Hier ist in dieser Sprache selbst gesagt, dass ihr der kalligraphische Betrug fremd sei, der das Schönheitsgesindel zwischen Paris und Palermo um den Schwung beneidet, mit dem man in der Kunst und in der Hotelrechnung aus dem Fünfer einen Neuner macht. Das haben sie nicht verstanden, oder als bedenklich genug erkannt, um es nicht hören zu wollen.

Um aber die Unfähigkeit, die eine redliche Wirkung des begabten Zeitgeistes ist, nicht schwerer zu belasten als die Bosheit, die in allen Zeiten die sozialen Möglichkeiten gegen den Gedanken mobilisiert hat, muss gesagt werden, dass noch ein besonderer Verdacht den Autor dazu bestimmt hat, vom Verlag Albert Langen das Recht des Wiederabdruckes dieser Schrift zu erbitten. Sein bekannter Verfolgungswahn, der ihm sogar zugeflüstert hat, dass es ihm in zwölf Jahrgängen nicht gelungen sei, sich angenehm zu machen, ließ ihn an eine absichtliche Unterdrückung der Broschüre glauben. Stellte ihm vor, dass die aufgestöberten Wanzen aus der Matratzengruft sich in Bewegung gesetzt und just dort angesiedelt hätten, wo der ihnen bekannte Weg vom Gedanken weg in den Handel führt. Die Furcht vor der Presse kann Berge versetzen und Säle verweigern: vielleicht bedarf es nicht einmal der Agitation, um einen Wiener Buchhändler im Vertrieb einer gefährlichen Broschüre, von der nur ein kleiner Gewinn abfällt, lau zu machen. Zumal einen von jenen, die noch heute der Fackel
einen autorrechtlichen Prozess verübeln, den ihr erster Drucker geführt hat. Ist es denn nicht eine Wiener Tatsache besonderster  Art, dass nicht nur den Blicken der spazierenden City das Ärgernis meiner Bücher entzogen wird, sondern dass die Hefte der Fackel, die in einer Zeile mehr Literatur enthalten als die Schaufenster sämtlicher Buchhandlungen der Inneren Stadt, und an deren letztes Komma mehr Qual und Liebe gewendet ist als an eine Bibliothek von Luxusdrucken eines Insel-Verlags — gezwungen sind, zwischen Zigarren, Losen und Revolverblättern ihre Aufwartung zu machen, um die Kosten zu decken, die eine nie belohnte und nie bedankte Mühe verursacht, während im Chor das Ungeziefer des Humors die Sache für lukrativ hält und sich an dem Begriff der »Doppelnummer« weidet! Eine Zeitschrift, welche die legitimsten administrativen Hilfen wie den Aussatz flieht, so aus sich selbst leben möchte, um so gegen sich selbst zu leben, buchgeboren wie kaum ein Buch im heutigen Deutschland, muss die Stütze des zuständigen Handels, die ihm Pflicht wäre, entbehren und in der österreichischen Verbannung jene Schmach verkosten, die den wegen eines politischen Delikts Verurteilten in die Zelle der Taschendiebe wirft. Ahnt die freigesinnte Bagage, deren kosmisches Gefühl die Gewinnsucht ist und von der man die Gnade erbetteln muss, für irrsinnig gehalten zu werden, wenn man keinen Profit macht: wie viel Genüsse sie sich mit dem Geld erkaufen könnte, das mein Werk des Hasses verschlingt, bis es die Gestalt hat, mit der ein Selbstverherrlicher nie zufrieden ist — weil es erst dann ihm die Fehler enthüllt, die die andern nicht merken? Aber hier, in sein Archiv, nimmt er, was ihm beliebt, und zieht er ein, was andernorts nicht beliebt hat. Hier kann ihn nichts enttäuschen. Eine Arbeit, die statt zwanzig Auflagen nicht die zweite erlangt hat: hier kann ihr nichts geschehen. Ihr Verfasser, dessen Lust es ist, in die Speichen seines eigenen Rads zu greifen, sich selbst und die
Maschine aufzuhalten, wenn ihm ein Pünktchen missfällt, wird nie mehr einem fremden publizistischen Betrieb seine Hilfe gewähren. Er wirbt nicht um neues Publikum. Die Fackel ist ihm nicht Tribüne, sondern Zuflucht. Hier kann ihn das Schicksal einer Arbeit nur bis zur Vollendung aufregen, nicht bis zur Verbreitung. Was hier gelebt wird, mag im Buche wiedererstehen. Aber es ist Lohn genug, unter dem eigenen Rad zu liegen.

Ein Schlusswort zum Nachtrag von »Heine und die Folgen«, (Nr. 329—330, August 1911), für das Werk »Untergang der Welt durch schwarze Magie« verfasst im Mai 1917

Zwischen den Lebensrichtungen

Nicht die Feststellung der unerheblichen Tatsache, dass die Schrift »Heine und die Folgen« neben der Verbreitung durch die Fackel nun doch im siebenten Jahr bei der dritten Auflage hält, erfordert die Ergänzung. Ein anderes sei nachgetragen, das gleichfalls, indem es scheinbar berichtigt, einer tieferen Betrachtung erst die Richtigkeit zu erkennen gibt. Alles, was hier und in allen Kapiteln über den Lebensverlust des heutigen Lebens und den Sprachverrat deutscher Menschheit gesagt ist, hat die gedankliche Spur, die bis zum Rand dieses Krieges führt, der meine Wahrheit auch zur Klarheit gemacht hat. Nur dort bedarfs eigener Klarstellung, wo gerade der Drang, der Maschine zu entrinnen, einer schon völlig entmenschten Zone den Vorzug vor jenem Schönheitswesen gab, das dem unaufhaltsamen Fortschritt noch weglagernde Trümmer von Menschentum entgegensetzte. In den späterhin geschriebenen Aphorismen ist die zum Krieg aufgebrochene Antithese zugunsten eben jener Lebensform entschieden, als einer, welche die Sehnsucht nach Leben und Form hatte und eben um solcher Sehnsucht, um eines selbstretterischen Instinktes willen, die Notwehr gegen die Tyrannei einer wertlosen Zweckhaftigkeit auf sich nehmen sollte, gemäß der das Leben Fertigware ist und die Kultur die Aufmachung. Demnach muss die Frage, »in welcher Hölle der Künstler gebraten sein will«, abdanken vor der zwingenden Entscheidung, dass der Mensch in dieser Hölle nicht gebraten sein will, durch die richtende Erkenntnis des Künstlers selbst, der nun nicht mehr das Recht und nicht mehr die Möglichkeit hat, die sichere Abschließung seines Innern zu suchen, sondern nur noch die Pflicht, zu sehen, welche Partie der Menschheit gleich ihm um die Erhaltung solchen Glückes kämpft und gegen den Zwang einer Lebensanschauung, die aus dem Leben alle Triebe gepresst hat, um es einzig dem Betrieb zu erhalten. Dass es aber jene Regionen sind, von deren Wesensart in ruhiger Zeit die Störung kam, darüber sich einem Zweifel hinzugeben, wäre Kriegsverrat an der Natur, die sich der Maschine erwehrt. Sie tut’s, und tue sie’s auch mit Hilfe der Maschine, dem Künstler gleich, der das Vehikel der Zeit nicht verschmäht hat, um ihr zu sich zu entfliehen. Er bejaht vor der Unvollkommenheit des Lebens den Lebensersatz und vor den halben Individualitäten das System des ganzen patentierten Persönlichkeitsersparers. Der sich der Maschine bedient, gewinnt in dem Maße, als sie alle verlieren, die die Maschine bedienen. Denn diese macht den Menschen nicht frei, sondern zu ihrem Knecht, sie bringt ihn nicht zu ihm selbst, sondern unter die Kanone. Der Gedanke aber, der nicht wie die Macht eine »Neuorientierung« braucht, um sich am Ruder wieder zu finden, weiß: Er schuf sich nur den Notausgang aus dem Chaos des Friedens, und was an der Wertverteilung »deutsch-romanisch« widerspruchsvoll schien, war nur der Widerspruch des neuen Daseins gegen sich selbst, der heute ereignishaft seine Lösung erfährt. Die Auffassung, die den »Lazzaroni als Kulturideal neben dem deutschen  Schutzmann« scheinbar nicht gelten lassen wollte, sie bestätigte ihn darin mehr als jene, die es — im Sinne des »Malerischen« — wollten und die die eigentlichen Deutschen sind. Das Wort vom »Schönheitsgesindel zwischen Paris und Palermo« mag auf jene Hunnenhorde der Bildung zurückfallen, die an der Verwandlung von Lebenswerten in Sehenswürdigkeiten schuld ist. Was hier von der Sprache und dem Menschen gedacht war, ist dem Typus, der tieferer Zwecklosigkeit nachhangend in der Sonne lungern kann, blutsverwandter als dem unerträglichen Eroberer eines Platzes an der Sonne, dessen Geistesart es freilich entsprochen hat, ein bunteres Dasein ornamental zu entehren und damit den Untergang zu beschönigen. In jenem Goethe’schen Sinne, der die basaltfreie Ordnung und Zweckhaftigkeit wahrlich nur zu dem höheren Zwecke will, um ungestörter die Schlösser und Wunder der Seele zu betreuen, musste ich die Umgebung solches Warenpacks vorziehen, weil es die besten Instrumente abgab, um sich Ruhe vor einer lärmvollen Welt zu schaffen, in der sie, nur weil sie keine Menschen mehr waren, selbst nicht mehr stören konnten. Aber die andern taten es, weil sie’s halb waren. Es war mir einst zu wenig, und jetzt ist es doch so viel. Und an dieses Problem, in welchem ganz ähnlich auch die Antithese Berlin-Wien zu Gunsten Wiens bereinigt wird, wirft der Zusammenbruch noch die Erkenntnis, dass gerade in der Sphäre der Lebensmechanik der ganze Widerspruch selbst enthalten war. Dass es nicht allein um »deutsch-romanisch«, sondern um »deutsch-weltlich« geht, zeigt sich, indem die bunte Welt auf Farbe dringt. Amerika, das es besser, nein am besten hat, und die Welt der alten Formen vereinigen sich, um mit einem Kunterbunt fertig zu werden, das von dort die Sachlichkeit, von da die Schönheit zusammenrafft und immerzu in der tödlichen Verbindung von Ware und Wert, in der furchtbaren Verwendung der alten Embleme für die neuen Realien durchzuhalten hofft. Der Angelsachse schützt seinen Zweck, der Romane seine Form gegen den Mischmasch, der das Mittel zum Zweck macht und die Form zum Mittel. Da hier die Kunst nur Aufmachung ist; da diese Sachlichkeit, diese Ordnung, diese Fähigkeit zum Instrument einem auf Schritt und Tritt den Verlust an Menschentum offenbart, den es gekostet hat, um ein so entleertes Leben dem Volkstum zu erringen; da es selbst die Oberflächenwerte, für die alle Seelentiefe und alle Heiligkeit deutschen Sprachwerts preisgegeben wurde, im Zusammenstoß der Lebensrichtungen nicht mehr gibt; da der Deutsche eben doch kein Amerikaner war, sondern nur ein Amerikaner mit Basalten: so taugt der Zustand nicht mehr zum Ausgangspunkt der Phantasie. Weil sie Geist und Gott und Gift benützen, um das Geld zu erraffen, so wendet sich eben jene von der entmenschten Zone einem Schönheitswesen zu, das gegen den unerbittlichen Lauf der Zeit seine Trümmer verteidigt. Auf der Flucht aus ihr habe ich Unrecht tun müssen. Die Partei der  Menschenwürde habe ich nie verleugnet und jetzt, wo, ach, der Standpunkt erreicht ist, sie nehmen zu können, habe ich dem Weltgeist nichts abzubitten als die Schuld, in solcher Zeit geboren zu sein, und den wang, sichs auf der Flucht häuslich einzurichten.