Sein oder Design ist nicht mehr Frage, sondern schon Antwort. So schafft die entstellteste Menschheit das höchste Bruttosozialprodukt.

Notizen aus Medienland – Ein Grubenhund masturbiert. September 2011. Von W.K. Nordenham

27. Oktober 2011 | Kategorie: Grubenhund, Notizen aus Medienland

Den Grubenhund hat Karl Kraus 1911  erfunden und apostrophierte Erfundenes danach mit dem Wort „Grubenhund“. Heute würde man „Zeitungsente“ sagen. Aber Für Karl Kraus war es nicht eine lässliche Sünde, sondern die Regel, dass Alles und Jedes zur Lüge taugt, wie eine große Boulevardzeitung tagtäglich nachweist.

Ärzte Zeitung online     09.09.2011

16-Jähriger masturbiert 42 Mal in einer Nacht und stirbt – angeblich. Eine sehr traurige Geschichte: Ein 16-jähriger Junge aus Brasilien soll 42 Mal in einer Nacht masturbiert haben – und dann gestorben sein.

Das kann doch nicht wahr sein!

Eine britische Internetseite namens „The Morningstarr*“ berichtete am 4. September über einen bizarr anmutenden Todesfall. (…)

Doch die Räuberpistole über die tödliche Onanie-Orgie war zumindest für einen Leser zuviel. Er recherchierte – und fand die ursprüngliche Quelle, jene G17-Seite, eine Webseite, die erfundene Geschichten nur so zum Spaß online stellt. Immerhin hat es die Geschichte auch auf andere News-Seiten geschafft – etwa dnews.de. Das einzig halbwegs Spaßige daran sind einige der Leserkommentare.

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Man muss sich wundern, dass die wissenschaftlich sich gebärdende Ärzte-Zeitung sich mit solch publizistischer Einfalt einer fiktiven Masturbation annimmt. Aber zweiundvierzigmal in einer Nacht –  da wird selbst eine ernsthafte ärztliche Redaktion hellhörig, vor allem, wenn es nicht stimmt. Die Ärztezeitung weiß das sehr wohl, wie man dem weiteren Verlauf des Artikels entnehmen kann. Es handelt sich um einen „Grubenhund“, eine frei erfundene Geschichte und man druckt den Schwachsinn dennoch nicht nur ab, sondern liefert auch noch den Hinweis auf eine Seite mit, die halbwegs spaßige Leserkommentare verspricht. Die Frage erhebt sich, warum eine Ärzte-Zeitung mit dem Anspruch auf publizistische Ernsthaftigkeit diese Irrmeldung überhaupt aufnimmt. Damen waren bei dem Beschluss vermutlich nicht anwesend und auch keine Herren, sondern nur Männer. Offenbar war die Onanienachricht in ihrem herausstehenden Charakter geeignet, das redaktionelle Ejakulationspotential so in Aufruhr zu versetzen, dass man den Papierkorb vergaß, in den diese Meldung umgehend gehört hätte, zumal es angeblich doch auch nur die Leserkommentare waren, die halbwegs spaßig sein sollten und nicht etwa die Meldung selbst. Die werden dann wohl für einen internen Männerabend aufgehoben oder den nächsten Urologenkongress.

Wie bemerkte Karl Kraus zutreffend:

Das Niveau ist hoch, aber es ist niemand drauf.