Sein oder Design ist nicht mehr Frage, sondern schon Antwort. So schafft die entstellteste Menschheit das höchste Bruttosozialprodukt.

Notizen zur Zeit. Wenn die Stunde schlägt. Von W.K. Nordenham

19. Februar 2012 | Kategorie: Journalisten, Notizen zur Zeit, Wulff

Der Parlamentarismus ist die Kasernierung der politischen Prostitution.      Karl Kraus

Der Satz von Karl Kraus trifft, wie man da sieht,  zu. Wer sich prostituiert, verlangt einen Gegenwert und sei es ein Ehrensold. Der sich verkauft hat,  hat auf jeden Fall einen zu hohen  Preis bezahlt. Deshalb ist das Vertrauen in die per se unglaubwürdige Aussage, man mache es im Grunde umsonst, schnell futsch, wenn man es dann zu auffällig treibt. Da reicht der Verdacht, und die Generalbeauftragten der Presse für  jede Art Verdacht, bei denen die Absicht  seit jeher Handlungsweise bestimmt, um einen Verdacht zu erzeugen und die noch aus jedem Verdacht eine Tat zu konstruieren wissen, die  nicht begangen worden sein muss, um vollbracht worden zu sein. Keine nachgeschobene Unschuldsvermutung oder nachgewiesene Unschuld kann sie ungeschehen machen, denn das „semper aliquid haeret“, dass nämlich immer etwas hängen bleibt, gehört zum stillschweigend akzeptierten Grundkonsens  boulevardjournalistischer Ethik , die als  Phantom den Ungeist begleitet, dem keine Jauchegrube den Geruchsnerv abtötet und der  das Licht des Tages nicht mehr zu scheuen hat, seit er mit  Präsidialem sein Wesen trieb. Aber es bedurfte schon des Signals einer Staatsanwaltschaft, die sich der  publizierten Meinung annahm und wegen Anfangsverdachtes der Vorteilsnahme ermittelt, nicht gegen die Journaille, sondern gegen einen bevorteilten und überforderten Präsidenten. Wohl angemerkt, die unerlaubte Vorteilsnahme, im Privatleben angenehm, im Geschäftsleben gang und gäbe, für Journalisten mit ihren Firmenrabatten und Freikartenabonnements Bedingung, ist in der Politik nur dann unerwünscht, wenn sie öffentlich wird und für einen Bundespräsidenten obsolet, dem eine Bildzeitung vordem  holder war, als es der Anstand erlaubt hätte. Der Wulff, als er den Schafspelz ablegte, hat sich  als Schaf erwiesen. Nachdem der Boulevard ihm den Vorteil strich, erwies er sich reif für die Schlachtbank des Tagesjournalismus, vermutlich als  Unschuldslamm. Nun hat ihm die Stunde geschlagen und  das Halali einer Hetze mit allen Mitteln darf  geblasen werden, das das vorläufige Ende der Jagd bestätigt. Denn wer wollte schon von sich behaupten, sauber bleiben zu wollen, wenn erneut der nächste erste Stein geworfen wird, vor allem dann,  wenn es sich um einen der Kotsteine der Bildzeitung handelt. Lange hat sich die bilderprobte, bundesdeutsche Öffentlichkeit vorgegaukelt, man sei in deutschen Landen von der  Unart eines Journalismus à la „News of the  world“ noch weit entfernt. Das war ein Irrtum, und bei der größten Boulevardzeitung Deutschlands wird man klammheimlich die Korken knallen lassen und sich bestätigt sehen auf einem Umweg, der  direkt mit den Ratten durch die Kanalisation bis in die Privatsphäre nunmehr eines jeden  Berufspolitikers führen wird, die zwar durch das Grundgesetz geschützt ist, aber nicht vor Kloakenjournalismus bewahrt, der  pseudoinvestigativ daherschleicht. Ohne den Wulff  fängt nicht nur in den vorgeblich seriöseren Redaktionsstuben das Nachdenken darüber an, ob denn ab sofort jeder Amtsträger durch den Nacktscanner einer Journaille gejagt wird, die noch den letzten Flecken auf der  Weste immer des Anderen sichtbar macht und vor dem Blick in die herunter zu lassende Hose nicht zurückschreckt, in die zu guter Letzt alles gegangen sein wird. Wenigstens einer soll so sein, wie man selbst sein sollte, wenn man so wäre, wie man gern wäre, also anständig, ehrlich, edel, hilfreich und gut, dazu überparteilich, mit messbarem Intelligenzquotienten, erlesenen Manieren, also  jemand, der im Dutzend die Gänge der Parlamente des Landes bevölkert. Das fällt die Auswahl schwer. Viele werden dennoch ablehnen, weil sie begründet um den letzten Rest an Privatleben fürchten, indem  ihnen zum Beispiel nachgewiesen wird, dass sie seinerzeit in der Schule vom Klassenprimus abschreiben durften, nachdem sie ihn mit einem Bier bestochen hatten. Ich warte gespannt auf die journalistische Nachlese in den Fußnoten der Lebensläufe von Ministern und Abgeordneten, mit ihren Nebeneinkünften, mit  ihrem Bundestags-Golf, Bundestags-Tennis und sonstigem Tourismus im Namen des Sponsors und des Volkes.