10. Juli 2012 | Kategorie: Artikel, Aus "Die Fackel", Fortschritt
Die Fackel Nr. 275—276. 22. März 1909 S. 33 – 40 (Zuerst in: „Simplicissimus“ 1909 erschienen)
Ich habe mir eine Zeitungsphrase einfallen lassen, die eine lebendige Vorstellung gibt. Sie lautet: Wir stehen im Zeichen des Fortschritts. Jetzt erst erkenne ich den Fortschritt als das, was er ist — als eine Wandeldekoration. Wir bleiben vorwärts und schreiten auf demselben Fleck. Der Fortschritt ist ein Standpunkt und sieht wie eine Bewegung aus. Nur manchmal krümmt sich wirklich etwas vor meinen Augen: das ist ein Drache, der einen goldenen Hort bewacht. Oder es bewegt sich nachts durch die Straßen: das ist die Kehrichtwalze, die den Staub des Tages aufwirbelt, damit er sich an anderer Stelle wieder senke. Wo immer ich ging, ich müsste ihr begegnen. Ging ich zurück, so kam sie mir von der anderen Seite entgegen, und ich erkannte, dass eine Politik gegen den Fortschritt nutzlos sei, denn er ist die unentrinnbare Entwicklung des Staubes. Das Schicksal schwebt in einer Wolke, und der Fortschritt, der dich einholt, wenn du ihm auszuweichen wähnst, kommt als Gott aus der Maschine daher. Er schleicht und erreicht den flüchtigen Fuß und nimmt dabei so viel Staub von deinem Weg, als zur Verbreitung notwendig ist, auf dass alle Lungen seiner teilhaft werden; denn die Maschine dient der großen fortschrittlichen Idee der Verbreitung des Staubes. Vollends aber ging mir der Sinn des Fortschritts auf, als es regnete. Es regnete unaufhörlich und die Menschheit dürstete nach Staub. Es gab keinen, und die Walze konnte ihn nicht aufwirbeln. Aber hinter ihr ging ein radikaler Spritzwagen einher, der sich durch den Regen nicht abhalten ließ, den Staub zu verhindern, der sich nicht entwickeln konnte. Das war der Fortschritt.
Wie enthüllt er sich dem Tageslicht? In welcher Gestalt zeigt er sich, wenn wir ihn uns als einen flinkeren Diener der Zeit denken? Denn wir haben uns zu solcher Vorstellung verpflichtet, wir möchten des Fortschritts inne werden, und es fehlt uns bloß die Wahrnehmung von etwas, wovon wir überzeugt sind. Wir sehen von allem, was da geht und läuft und fährt, nur Füße, Hufe, Räder. Die Spuren verwischen sich. Hier lief ein Börsengalopin, dort jagte ein apokalyptischer Reiter. Vergebens … Wir können von Schmockwitz nach Schweifwedel telefonisch sprechen, wir wissen aber noch nicht, wie der Fortschritt aussieht. Wir wissen bloß, dass er auf die Qualität der Ferngespräche keinen Einfluss genommen hat, und wenn wir einmal so weit halten werden, dass man zwischen Wien und Berlin Gedanken übertragen wird, so wird es nur an den Gedanken liegen, wenn wir diese Einrichtung nicht in ihrer Vollkommenheit werden bewundern können. Die Menschheit wirtschaftet drauflos; sie braucht ihr geistiges Kapital für ihre Erfindungen auf und behält nichts für deren Betrieb. Der Fortschritt aber ist schon deshalb eine der sinnreichsten Erfindungen, die ihr je gelungen sind, weil zu seinem Betrieb nur der Glaube notwendig ist, und so haben jene Vertreter des Fortschritts gewonnenes Spiel, die einen unbeschränkten Kredit in Anspruch nehmen.
Besehen wir das Weltbild im Spiegel der Zeitung, so erweist sich der Fortschritt als die Methode, uns auf raschestem Wege alle Rückständigkeiten erfahren zu lassen, die in der weiten Welt vor sich gehen. Was mir jedoch den größten Respekt abnötigt, ist die Möglichkeit, bedeutende zeitgeschichtliche Tatsachen auf photographischem Wege dem Gedächtnis jener Nachwelt zu überliefern, die am Morgen des folgenden Tages beginnt und am Abend zu Ende ist. Der Fortschritt ist ein Momentphotograph. Ohne ihn wäre jener Augenblick unwiederbringlich verloren, da der König von Sachsen vom Besuche einer Sodawasserfabrik sich zu seinem Wagen begab. Wie sieht das aus? fragte man sich. Wie macht er das? Wie geht der König? Er setzt einen Fuß vor den andern, und der Momentphotograph hat es festgehalten. Aber dieser vermag vom Schreiten nur den Schritt zu erhaschen, darum wird das Gehen zum Gehversuch, und der Adjutant, der auf die Füße des Königs sieht, scheint die Schritte zu zählen, damit keiner ausgelassen wird: Eins, zwei, eins, zwei … So weiß man immerhin, wie die Sohle des Königs von Sachsen beschaffen ist; aber auch das mag dem Untertan genügen. Mehr bietet die Momentphotographie, wenn sie sich »in den Dienst des Sports stellt«, und ohne sie wäre der Sport am Ende gar kein Vergnügen. Eine Schlittenfahrt — hei, das macht Spaß! »Prinz Eitel Friedrich bremst.« Und was tut Prinz August Wilhelm? »Prinz August Wilhelm hilft als galanter Gatte seiner Gemahlin vom Schlitten.« Ist das Bild das offizielle Dementi eines Gerüchtes, dass Prinz August Wilhelm ungalant sei und bei Schlittenfahrten seine Gemahlin von allein aussteigen lasse? Hatte sich solcher Argwohn im Gefühlsleben des deutschen Volkes eingenistet? Nein, das deutsche Volk liebt es zu hören, dass Prinz August Wilhelm als galanter Gatte seiner Gemahlin vom Schlitten helfe, auch wenn es nie daran gezweifelt hat und das Gegenteil nicht behauptet wurde. Wäre das Gegenteil behauptet worden, so könnte man sagen, es sei kleinlich, solche Gerüchte zu widerlegen; das deutsche Volk glaubt sie ohnedies nicht. Es glaubt nur, was es sieht. Darum glaubt es an die Galanterie des Prinzen August Wilhelm, sobald es eine Probe zu sehen bekommt. Und es will sehen, wie sich dieser Prinz benimmt, wenn er mit seiner Gemahlin aus dem Schlitten steigt. Da es nun unmöglich ist, das deutsche Volk in seiner Gesamtheit zur Besichtigung des Vorgangs, wie Prinz August Wilhelm als galanter Gatte seiner Gemahlin vom Schlitten hilft, zuzulassen und die Versicherung der Berichterstatter, dass er als galanter Gatte seiner Gemahlin vom Schlitten half, nicht genügt, so stellt sich eben die Momentphotographie in den Dienst des Sports. Quälend wäre aber auch die Ungewissheit, ob der Badische Finanzminister anders geht, wenn er das Reichsschatzamt verlässt, als der Hessische Minister der Finanzen, wenn er desgleichen tut, oder ob Taft, die Grüße der Volksmenge erwidernd, den Mund weiter öffnet, als Roosevelt im gleichen Falle gewohnt war. Das eben ist der Fortschritt, dass solches Interesse heute schnellere Befriedigung findet als ehedem, ja dass sogar die schnellere Befriedigung solches Interesse heute erzeugen kann. Einst war der Geist auf Bücher angewiesen und der Atem auf Wälder. Wo sollen wir heute in Ruhe unsere Zeitung lesen? Die Papierindustrie blüht, aber sie gibt keinen Schatten. Und die Rotationsmaschine schleicht nachts durch die Straßen und wirbelt den Staub des Tages auf, um ihn für den kommenden Tag wieder abzusetzen.
Als ich ein Knabe war, sah ich den Fortschritt in der Gestalt eines deutsch-fortschrittlichen Abgeordneten. Er vertrat die Freiheit, er vertrat die böhmischen Landgemeinden, er vertrat die Stiefelabsätze. Was wollte ich mehr? Ich hörte zum ersten Mal, die Deutschen in Österreich seien von den Tschechen »vergewaltigt« worden. Ich verstand kein Wort davon, aber ich weinte vor Erregung. Es war eine Phrase, die mir einen Lebensinhalt offenbarte. Später, als die Vergewaltigung in eine Keilerei ausartete, sah ich selbst in dieser keine Äußerung natürlicher Kräfte, sondern die Folge einer Phrase. Da die Politik nicht mehr mein Gefühl ansprach, erkannte ich, dass sie nicht zu meinem Verstande spreche. Politik ist Teilnahme, ohne zu wissen wofür. Wenn sie aber nicht einmal das mehr ist, so kann es leicht geschehen, dass sich uns der Fortschritt als die Weltanschauung des Obmannes der freiwilligen Feuerwehr von Pardubitz enthüllt. Aus solcher Enttäuschung gewöhnte ich mich, das Prinzip der kulturellen Entwicklung nur noch in jenen Regionen des Lebens zu suchen, die dem Sprachenstreit entrückt sind. Ich fand den Fortschritt in allen, ohne in einer einzigen seine Physiognomie zu finden. Ich glaubte, ich sei in eine Maskenleihanstalt geraten. Jetzt war er ein Ausgleicher im sozialen Bankrott, jetzt ein Schaffner an jenem Zug des Herzens, der Hoheiten talwärts führt; bald Wahlagitator, bald Kuppler; hier Nervenarzt, hier Kolporteur. Rechts von mir sagte einer, der keine gerade Nase hatte: Ich sitze mit vier Reichsrittern, drei Markgrafen, zwei Fürsten und einem Herzog im Verwaltungsrat der Konservenfabrik … Das war der Fortschritt. Links von mir sagte eine Dame, die Boutons trug: Man kann die Neunte Symphonie am billigsten im Arbeiterkonzert hören, aber man muss sich dazu schäbig anziehen … Das war der Fortschritt.
Dann sah ich ihn als Ingenieur am Werke. Wir verdanken ihm, dass wir schneller vorwärts kommen. Aber wohin kommen wir? Ich selbst begnügte mich, es als das dringendste Bedürfnis zu empfinden, zu mir zu kommen. Darum lobte ich den Fortschritt und wollte in einer Stadt nicht fürder leben, in der mir Hindernisse und Sehenswürdigkeiten den Weg zum Innenleben verstellen. Eines Tages begann ich aber neuen Mut zu schöpfen, weil das Gerücht zu mir drang, in Wien sei eine Automobildroschke zu sehen gewesen. Die wird wohl schwer zu haben sein, dachte ich, aber wenn ich sie doch einmal erwische, so wird es ein anderes Leben werden! Im Sausewind an den Individualitäten vorbei, die mich an jeder Straßenecke belästigen, — das allein ist schon ein anregendes Erlebnis. Ich machte mich auf, den Fortschritt zu suchen: und fand ihn auf dem Standplatz. Die Automobildroschke stand da als eine Verlockung zu einem Leben ohne Hindernisse, der jeder Wiener aus dem Wege ging. Aber wenn ein solcher geahnt hätte, dass auch sie ihm allen Reiz des Umständlichen bieten konnte, den zu entbehren ihm so schwer fallt, er hätte eine Fahrt riskiert, umso mehr als der Chauffeur durch die Frage: »Fahr’n m’r Euer Gnaden?« das sympathische Bestreben verriet, an die Tradition anzuknüpfen und über den Mangel an Pferden taktvoll hinwegzutäuschen. Ich, ein Freund des Fortschritts, ließ mich nicht lange bitten, und ich kann heute sagen, dass jeder Wiener es bedauern kann, meinem Beispiel nicht gefolgt zu sein. Alle Befürchtungen, es könnte am Ende glatt gehen, sind überflüssig und getrost darf man sich dem neuen Fuhrwerk anvertrauen. Vor allem gab es viel zu sehen. Denn zehn unbeschäftigte Kutscher halfen dem Chauffeur, den Wagen flott zu machen, und hier zeigte es sich, dass unser Fortschritt keineswegs durch die Feindschaft des Alten gehemmt wird, sondern im Gegenteil durch dessen Unterstützung. Ein Wasserer eilt herbei, um nach dem Rechten zu sehen. Er will nach alter Gewohnheit den Wagen waschen, ehe man fahrt. Aber als er dann auch den Pferden den Futtersack reichen wollte, stellte es sich heraus, dass keine da waren. Man konnte sie also nicht einmal abdecken und, schlimmer als das, man hatte nichts bei der Hand, um den Taxameter zuzudecken. Nachdem sich der Wasserer, der die Welt nicht mehr verstand, kopfschüttelnd entfernt hatte, setzte sich trotz alledem wie durch ein Wunder das Automobil in Bewegung, nicht ohne dass es mir aufgefallen war, wie der Chauffeur mit einem fremden Manne geheimnisvoll einige Worte wechselte. Als ich am Ziel ausstieg, sah ich denselben Mann wieder mit dem Chauffeur sprechen. Er war vorausgegangen und hatte das Automobil erwartet. Ich beruhigte mich bei dem Gedanken, dass es ein Vertreter der Firma sein könnte, die es erzeugt hatte, und fand nun Gefallen an der Vorstellung, dass ich als Vertreter des Fortschritts ausersehen war, die Probefahrt zu bestehen. Den Ovationen der Menge, die sich inzwischen angesammelt hatte, entzog ich mich, indem ich zu dem benachbarten Standplatz ging, um die Rückfahrt im Einspänner anzutreten. Der Standplatz war aber leer, weil sämtliche Kutscher zu dem Automobil geeilt waren. Nur einer war auf seinem Bock, der aber schlief, und als ihm ein Polizist, den ich schon aufgeweckt hatte, dieses Benehmen verwies, murmelte er aus dem Schlaf die Worte: »Jetzt könnts mi alle mitananda —« Er meinte hauptsächlich den Fortschritt.
Nun erst war ich begierig, diesen kennen zu lernen. Ich reiste, und wirklich, ich habe ihn oft genug in jener Tätigkeit gesehen, zu der er sich hierzulande nun einmal nicht schicken wollte: als Förderer des Fremdenverkehrs. Ich kam schneller vorwärts, aber zumeist auf falschem Wege, und so wurde ich in der Vermutung bestärkt, der Fortschritt sei ein Hotelportier. Und überall schien um seines Ehrgeizes willen jedes bessere Streben der Menschheit zu stocken. Es war, als ob nicht ein Ziel die Eile der Welt geboten, sondern die Eile das Ziel der Welt bedeutet hätte. Die Füße waren weit voran, doch der Kopf blieb zurück und das Herz ermattete. Weil aber so der Fortschritt vor sich selbst anlangte und schließlich auf Erden nicht mehr ein noch aus wusste, legte er sich eine neue Dimension bei. Er begann Luftschiffe zu bauen; doch an Garantien der Festigkeit konnte er es mit jenen, die bloß Luftschlösser bauen, nicht aufnehmen. Denn die haben die Phantasie, mit der sie selbst dann noch wirtschaften können, wenn alles schief geht. Was immer aber der Fortschritt weiter beginnen mag, ich glaube, er wird sich bei den Katastrophen des Menschengeistes nicht anstelliger zeigen, als ein Geolog beim Erdbeben. Er wird uns, wie hoch er sich auch versteige, keine Himmelsleiter errichten. Wenn er jedoch als Roter Radler Briefe befördert, könnte er immerhin von den Dienstmännern als Satan verschrien werden. Auch mag er dazu helfen, dass die Eifersucht der Weltstädte wachse und sie zu Kraftleistungen sporne. Etwa so: Berlin hat heute schon fünfhundert Messerstecher, Wien ist ein Krähwinkel dagegen; wenn man hier wirklich einmal einen braucht, ist keiner da! … Schließlich überlebt sich auch diese Mode. Nur der Tod stirbt nicht aus. Denn der Fortschritt ist erfinderisch, und dank ihm bedeutet das Leben keine Kerkerhaft mehr, sondern Hinrichtung mit Elektrizität. Wer es aber nicht erst darauf ankommen lassen will, den ganzen Komfort der Neuzeit zu erproben, der hat rechtzeitig Gelegenheit, von jener primitiven Erfindung Gebrauch zu machen, die ihm die erbarmungsvolle Natur an die Hand gegeben hat: von der Schnur, mit der der Mensch auf die Welt kommt!
10. Juli 2012 | Kategorie: Artikel
Die Fackel Nr. 324-25, XIII. Jahr 2. Juni 1911.
Die Transvestiten
sind Leute, deren Geschlecht sich in der Tracht des andern Geschlechtes wohl fühlt. Ein Berliner Arzt, dessen Spezialität es ist, die lebenden Minderwertigkeiten durch die historischen Genies zu entschuldigen und zu dessen ständigen Patienten Michelangelo, Shakespeare und Friedrich der Große gehören, hat ein Buch über die Transvestiten geschrieben. Was wird nun vollends aus dieser Wissenschaft, wenn sie in die Hände der Feuilletonisten gerät? Da gerät einer in meine Hände, der sich in der ‚Zeit‘ bemüht, sich mit fremden Kompilationen zu schmücken, und dem es richtig gelingt, die Geschlechter durcheinanderzubringen. Die Wissenschaft ist ihrer Popularisatoren würdig; sie gehören in eine Miszelle. Was ist ein Transvestit? Einer, der Frauenkleider anzieht, also ein Homosexueller. Der erfreute Betrachter dieser Verwandlung aber ist kein Homosexueller und jedenfalls kein Transvestit. So wenig, wie der Besucher eines Strichmädchens ein Prostituierter ist.« Von Nero ist es bekannt«, schreibt der Feuilletonist, der es gestern gelesen hat, »dass er seinen Lieblingssklaven Sporus als Kaiserin verkleiden ließ und ihn erst dann liebte. Das ist nun einer jener transvestitischen Wünsche..« Vermutlich hält auch die Wissenschaft, aus der der Feuilletonist schöpft, Neros Wunsch für einen Beweis des Tranvestitentums. Tatsächlich ist er die denkbar stärkste Betonung des eigenen Geschlechts, der männlichste Ausdruck geistiger Verantwortlichkeit, die nicht sich zum Weib macht, sondern den Mann zum Weib, die die Zone der Männlichkeit erweitert, indem sie die Grenzen des Weibseins erstreckt. Die Psychiatrie aber exkulpiert die nicht anders Könnenden mit Hilfe der alles Könnenden, die sie freilich, soweit sie nicht historische Beispiele sind, erbarmungslos der Kriminalität überläßt. Aber so seicht kann diese Wissenschaft gar nicht sein, dass sie nicht immer noch vom Journalismus mißverstanden werden könnte, und für manche zierliche Wendung, die in jenem Feuilleton steht, ist der Gelehrte gewiß nicht haftbar zu machen. »Es ist wohl ganz klar, dass Menschen, die die Neigung haben, weibliche Kleider anzuziehen, eine starke feminine Komponente haben müssen. Viele von ihnen führen ein ganz merkwürdig wüstes und romantisches Abenteurerleben; es sind Frauen darunter, die als Matrosen unzählige Male ausgemustert wurden, als Heizer und Stewards durch die Meere fuhren. Es sind Männer darunter, die jahrelang als Kammermädchen lebten.« Wenn unter jenen, die die Neigung haben, weibliche Kleider anzuziehen, Frauen sind, so ist der Fall von Transvestitentum nicht besonders krass. Dagegen ist es kein Zweifel, dass unter jenen, die die Neigung haben, Hosen anzuziehen, Feuilletonisten vorkommen.
03. Juli 2012 | Kategorie: Artikel, Justiz, Was ein Mensch wert ist
Kölner Stadtanzeiger 29.06.2012
Versuchter Totschlag – Sechs Jahre Haft für Recep K.
Besinnungslos stach Recep K. auf seine Ex-Frau ein, bis die Klinge sich verbog. Nun wurde er vor dem Kölner Landgericht wegen versuchten Totschlags zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt.
Seine Ex-Frau lag schon bewusstlos vor ihm, da zog Recep K. sie hoch und wollte noch einmal zustechen. Die K l i n g e w a r j e d o c h s c h o n s o v e r b o g e n , dass es dem 26-Jährigen nicht gelang, sie an ihrem Hals anzusetzen. „S i e h a b e n z u m G l ü c k v e r s a g t “, sagte der Anwalt der Ex-Frau am Montag vor dem Landgericht. Die 25-Jährige überlebte den Angriff mit insgesamt zehn Messerstichen. (…) Recep K. wurde vor allem von seiner Verzweiflung getrieben. Er wollte die Trennung von seiner Frau nicht akzeptieren – trotz Scheidung. Das Paar näherte sich immer wieder an, die 25-Jährige verweigerte ihm aber das Besuchsrecht für die beiden Töchter (fünf und sechs Jahre), zog sich schließlich zurück. „Er war durch dieses Hin und Her in einem Wechselbad der Gefühle“, sagte sein Verteidiger. Vor den Augen der Töchter schlug Recep K. seiner Ex-Frau zwei Tage vor der Tat im Dezember 2011 so heftig ins Gesicht, dass ihr Nasenbein brach. Am 5. Dezember wollte er sich laut eigener Aussage bei ihr entschuldigen. Es kam zum Streit, sie lief weg, er verfolgte sie und stach schließlich „blindwütig“ zu,wie der Staatsanwalt sagte. Er sieht ein „h o h e s M a ß a n V e r r o h u n g“ darin, dass Recep K. ihr offenbar die Kehle durchschneiden wollte – „wie einem Tier“. Die 25-Jährige hat ein sc h w e- r e s T r a u m a e r l i t t e n u n d i s t i n p s y c h o l o g i s c h e r B e h a n d l u n g. Auch eine Zeugin, eine 44 – jährige Imbissbesitzerin, ist traumatisiert .
Kölner Stadtzeiger 29.06.2012
Recep K. (26) ist nach Überzeugung des Bonner Psychiaters und Neurologen Wolf Gerlich (64) strafrechtlich voll verantwortlich für seine Tat. (…)
Der Gutachter machte in seinen Ausführungen keinen Hehl aus seiner Überzeugung, d a s s d e r b i s h e r i g e U m g a n g d e r J u s t i z mit den z a h l r e i c h e n G e w a l t t a t e n d e s A n g e k l a g t e n „n i c h t n a c h v o l l z i e h b a r “ s e i . In dessen Vorstrafenregister sind zehn Eintragungen mit einschlägigen Delikten aufgelistet. So habe der Angeklagte „nie gelernt, mit seinen Aggressionen umzugehen“. Der Psychiater nannte als Beispiel eine „merkwürdige Sozialprognose“ des Landgerichts aus dem Jahr 2004, die von einem positiven Zukunftsverhalten des Angeklagten ausging. Diese Begründung hatte die Strafkammer damals in der Berufungsinstanz dazu bewogen, K. noch einmal Bewährung zu geben. Obwohl das Amtsgericht in vorangegangener Instanz eine einjährige Haftstrafe für angemessen hielt. Der Angeklagte hatte damals erklärt, er habe sich in der Türkei verlobt. Mit der Frau, mit der er in Deutschland zwei Kinder hat und einen jahrelangen Rosenkrieg führte, der in den beinahe tödlichen Messerstichen im Dezember 2011 gipfelte.
Ich habe ein gestörtes Verhältnis zur Gewalt. Ich kann sie einfach nicht ertragen und noch weniger ertragen kann ich ein Verständnis, welches den Täter verstehen möchte auf Kosten des Opfers und in dem Tötungsversuch mit zehn Messerstichen einen versuchten Totschlag erkennt, den das Opfer nur dank verbogener Klinge überlebt. Wenn der Anwalt der Frau folgert, der Täter habe „zum Glück versagt“, so fragt man sich: Zu wessen Glück? Dass die Frau nicht tot ist oder dass der Täter mit zwei Jahren mehr hätte rechnen müssen? „Ein hohes Maß an Verrohung“ erkenne auch ich, allerdings im Umgang der Justiz bei Körperverletzung. Dass aus bagatellisierter Gewalt in unserer Zeit eine Aufforderung zur Tat erwächst, die sich einer gewisser Toleranz sicher sein darf und zum Amüsement der Täter über die Justiz geführt hat, scheint noch nicht bis zu den Stühlen der Richter vorgedrungen zu sein, deren sie sich zum Teil in ihren Urteilen zu entledigen scheinen. W. K. Nordenham
29. Juni 2012 | Kategorie: Artikel, Geld, Justiz, Notizen zur Zeit
Handelsblatt 1.8.2011
Urteil gegen Ex-IKB-Chef rechtskräftig – BGH verwirft Revision.
Karlsruhe/Düsseldorf (dpa) – Die Strafe gegen den Ex-Chef der Mittelstandsbank Stefan Ortseifen, ist rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof verwarf die Revision der Verteidigung, wie ein Sprecher des Gerichtshofs am Montag in Karlsruhe mitteilte (Az.: 3 StR 506/10). Ortseifen war wegen v o r s ä t z l i c h e r Marktmanipulation zu z e h n M o n a t e n H a f t a u f B e w ä h r u n g und zur Zahlung von 1 0 0 0 0 0 Euro verurteilt worden. Damit war er der e r s t e d e u t s c h e S p i t z e n b a n k e r, der für sein Fehlverhalten in der Finanzkrise schuldig gesprochen worden war. Mit dem Bekanntwerden der dramatischen Schieflage der IKB hatte die internationale Finanzkrise 2007 Deutschland erreicht.
Er war der Erste und Einzige bis dato der Letzte. Ich habe auf weitere Urteile gewartet, aber nichts geschah. Die Macht und das Recht tun sich nichts, weil die Macht das Recht hat. Für Herrn Ortseifen sind 100 000 € angesichts des angerichteten Schadens von 10 Mrd. € so zuverlässig zu verschmerzen, wie sie es für den Steuerzahler nicht sind. Die Westdeutsche Landesbank, in deren Aufsichtrat die Vertreter der Politik von Steinbrück bis Rütgers die Aufsicht innehatten, gab sich mit solchen Beträgen nicht zufrieden. Der Stadtanzeiger Köln vermeldete im April 2011 in Sachen West LB, dass 77 Mrd. Euro in eine Abwicklungsgesellschaft „ausgelagert“ wurden. Dazu kamen im Mai noch 15 Mrd. dazu. Vor Jahren wurden schon mal 6 Mrd. im Investmentsumpf versenkt. Das summiert sich zu einem 1 0 0 – Milliarden Euro Deal mit Totalverlust und ein Ende scheint nicht abzusehen. Da haben Banker oder soll man sagen „Bankgster“, unter stetiger gutbezahlter Aufsicht und mit Wissen der Landesregierung einen Supergau hingelegt, und fragt man nach konkreter Verantwortlichkeit, so beherrscht allgemeines Achselzucken die Szene. Ich weiß woher das Achselzucken kommt. Da wurde mal wieder eben schnell die Verantwortung von den Schultern abgeworfen, und es „zuckt“ noch nach. Die soeben noch stolz sich mit der Verantwortung brüsteten, ergreifen umgehend die Flucht in den gut gepolsterten Ruhestand oder auf andere Posten, wo einmal vor dem Wähler Haltung gezeigt werden sollte. Aber das sieht die Regie im Schauspiel Politik nicht vor. Mit jeder Vorstellung gerät die Aufführung erbärmlicher und könnte vergessen werden, hätte man nicht mit den verspielten Milliarden alle nur denkbaren Kitas bezahlen können, Lehrer in Masse einstellen, Schulen und Unis ausbauen und die halben Schulden von NRW begleichen. Wie gesagt, man fasst es ebenso wenig wie man die Täter nicht fasst, vielmehr einfach laufen lässt. Was ist ein Aufsichtsrat? Das ist ein Rat, der rät was Aufsicht ist.
24. Juni 2012 | Kategorie: Artikel, Journalisten, Notizen zur Zeit
Süddeutsche Zeitung 05.05.2012
Medienpreis für Sprachkultur
Marietta Slomka und Stefan Niggemeier ausgezeichnet
ZDF-Moderatorin Slomka und Medienjournalist Niggemeier sind für ihre „hervorragenden Verdienste um die Sprache und Sprechkultur“ ausgezeichnet worden. In Wiesbaden hat die Gesellschaft für deutsche Sprache ihnen die Auszeichnung übergeben. Auch eine Nachwuchsjournalistin wurde geehrt.
ZDF-Moderatorin Marietta Slomka und Medienjournalist Stedan Niggemeier. haben den diesjährigen Medienpreis für Sprachkultur erhalten. Beide werden damit für ihre „hervorragenden Verdienste um die Sprache und Sprechkultur“ ausgezeichnet, sagte der Vorsitzende der Gesellschaft für deutsche Sprachkultur, Armin Burkhardt, zur Begründung bei der Verleihung am Samstag in Wiesbaden.
Beinahe hätte ich vergessen dieses Ereignis dem geneigten Publikum mitzuteilen. So ist das mit den Preisen. Irgenjemand muss sie bekommen. Niggemeyer mag eine gewisse Berechtigung zugestanden sein, aber wie kommt die Gesellschaft für deutsche Sprachkultur – ich lese da immer Sprachklistier – auf „hervorragende Verdienste“ von Marietta Slomka? Es kann sich eigentlich nur um den Verdienst für eine journalistische Sprachkultur handeln, die zwischen der und das Verdienst im Allgemeinen sowieso keinen Unterschied mehr kennen muss und jenen deshalb nicht macht. Der Rheinländer hat die Antwort: „Mer weiß et nit!“
24. Juni 2012 | Kategorie: Artikel, Journalisten, Richard Schuberth
Zwei Formen der Verdummung: Keine Information und Information ohne Maß und Ziel. Für die zweite Möglichkeit sind die Medien zuständig, die täglich den Nachweis ihrer Verdummungseffizienz führen. W.K. Nordenham
Der folgende Artikel ist vor allem jenen ans Herz zu legen, die da glauben, ungezählte Fernsehprogramme mit ausufernder Information oder das Internet sorgten mit einem Mehr an Wissen für ein Mehr an Denkvermögen. Das Gegenteil ist für die überwiegende Mehrheit als gegeben zu betrachten.
Richard Alexander Schuberth ist Schriftsteller – unter anderem – und lebt in Wien. Die Lektüre seiner Schriften sei dem empfohlen, der den Kopf nicht nur als Huthalter oder Frisierobjekt missbraucht. Der Text, dem weitere folgen werden, wird hier mit seiner ausdrücklichen Genehmigung abgedruckt. Er entstammt dem Buch
Richard Schuberth 30 Anstiftungen zum Wiederentdecken von Karl Kraus
238 S. , EUR 24,-
Broschur mit Fadenheftung
ISBN 978-3-85132-531-7, 2008
Von Reiseschriftstellern, Bildungs- und Wissenschaftlhubern.
„Gelehrsamkeit, die –
Staub, aus einem Buch in einen leeren Schädel geblasen.“
Ambrose Bierce
„Es hat jemand mit großem Grunde der Wahrheit behauptet, dass die Buchdruckerei Gelehrsamkeit zwar mehr ausbreitet, aber im Gehalt vermindert hätte. Das viele Lesen ist dem Denken schädlich. Die größten Denker (…) waren grade unter allen den Gelehrten, die ich habe kennen gelernt, die, die am wenigsten gelesen hatten.“
Georg Christoph Lichtenberg
„Jedes Ereignis, über das ich nichts lese, ist Ruhe, jedes Gebiet, das ich nicht betrete, Erholung. Je weniger ich weiß, desto besser errate ich.“
Karl Kraus
Zu den zeitlos wertvollen Anregungen des Kraus’schen Vermächtnisses zählt seine Respektlosigkeit gegen alles, was die bürgerliche Gesellschaft für Geist und Intellekt hält. Nicht nur bietet jene der Nachwelt ein weites, gut ausgeleuchtetes Tor in sein Denken, sondern die letzte Möglichkeit, gründlich zu revidieren, was sie für gescheit hält. Dies gelingt aber erst nach Revidierung des abgelutschten Vorurteils, solch Radikalität der Kritik an Wissenschaft, Bildung und Empirie sei Ausdruck seiner narzisstischen Originalitätssucht gewesen. Denn hat man einmal kapiert, welchen Spott Kraus auch dieser entgegenbringt, wird man verstehen, welch gründlicher ethischer Ernst seine Abneigung nährt.
Da es sich für Kraus nur in und nicht mit der Sprache denken lässt, stehen die Geistes- und Kulturwissenschaften auf der Liste der zu bestrafenden Sprachvergewaltiger ganz oben, nicht nur wegen ihrer Jargons, sondern auch aufgrund ihrer Entkoppelung von Form und Inhalt zugunsten größerer Objektivität. Der Einwand von Wissenschaftsseite her, es ginge zunächst um Faktizität und Schlüssigkeit der Theorie, Arbeit an der Form sei eine Stilfrage, ästhetische Fleißaufgabe, ließe Kraus niemals gelten. Wer an der Form nicht hart arbeitet, bleibt auch der Wahrheit fern und setzt bloß die nach den wissenschaftlichen Moden wechselnden Analysebausteine immer wieder neu zusammen. An der positivistischen Vereinheitlichung der Sprache zu methodischen Instrumenten lässt sich das Verhältnis allgemein des Forschergeistes zum Erforschten ablesen, nämlich nicht das des Verstehens, sondern des Beherrschens. Jene „hoffnungslose Intelligenz, die alles Geistige nach seinem Wert fürs Fortkommen abschätzt“, kann sich nur per Obduktion vom Innenleben einer lebendigen Wirklichkeit Begriffe machen. Dabei hält Kraus stets an der kritischen Rationalität fest und verordnet selbst der Kunst, dass ihr die „Logik einmal geschmeckt haben“ müsse. Auch wissenschaftliche Systematik, so ließe sich seine Allegorik frei variieren, schadet nicht, zumindest zur Disziplinierung sich naturgemäß überschätzender adoleszenter Individualität. Nur sollte man rechtzeitig aus dem Wissenschafts-Internat türmen, ehe einem nicht nur die Adoleszenz, sondern auch gleich die Individualität ausgetrieben wird, man sich für die Fähigkeit, auch ohne akademische Gehhilfen voranzukommen, zu genieren beginnt.
Die wissenschaftliche Initiation erfolgt stets nach demselben biographischen Muster. Vor der Universität reagiert man auf alles Denken, das die Frechheit besitzt, von einem nicht verstanden zu werden, mit Minderwertigkeitsgefühlen, Ablehnung und schließlich Anpassung. In diesem frühen Stadium sind akademische Geheimsprache und wahrer Tiefsinn noch nicht voneinander zu unterscheiden, doch man wird sich später immer mit Ersterer gegen Letzteren verbünden. Der Hausverstand kann sich mit dem Campusverstand stets besser arrangieren als mit dem Geist, und je obskurer der Fachjargon, desto besser lässt sich mit ihm bluffen, und die, welche durch dessen Beherrschung dem Magister- bzw. Doktorvater gefallen wollen, werden jenen, die allein Form und Sache verpflichtet sind, immer Selbstgefälligkeit vorwerfen.
Kraus propagiert Kunst mit einem Erkenntnisinteresse, das wissenschaftlicher Exaktheit nicht fern ist. Nur vor dem Hintergrund seiner nahezu religiösen Verehrung sprachlichen Denkens, das kritische Rationalität mit schöpferischer Phantasie versöhnt, ist seine herablassende Haltung gegenüber den „Wissenschaftlhubern“ verständlich. Diese lässt er zumindest als Zuträger von Fakten gelten. „Die Wissenschaft könnte sich nützlich machen. Der Schriftsteller braucht jedes ihrer Fächer, um daraus den Rohstoff seiner Bilder zu beziehen, und oft fehlt ihm ein Terminus, den er ahnt, aber nicht weiß. Nachschlagen ist umständlich, langweilig und lässt einen zu viel erfahren. Da müssten denn, wenn einer beim Schreiben ist, in den andern Zimmern der Wohnung solche Kerle sitzen, die auf ein Signal herbeieilen, wenn jener sie etwas fragen will. Man läutet einmal nach dem Historiker, zweimal nach dem Nationalökonomen, dreimal nach dem Hausknecht, der Medizin studiert hat, und etwa noch nach dem Talmudschüler, der auch das philosophische Rotwälsch beherrscht. Doch dürften sie alle nicht mehr sprechen als wonach sie gefragt werden, und hätten sich nach der Antwort sogleich wieder zu entfernen, weil ihre Nähe über die Leistung hinaus nicht anregt. Natürlich könnte man auf solche Hilfen überhaupt verzichten, und ein künstlerischer Vergleich behielte seinen Wert, auch wenn in seiner Bildung die Lücke der Bildung offen bliebe und einem Fachmann zu nachträglicher Rekrimination Anlass gäbe. Aber es wäre eine Möglichkeit, die Fachmänner des Verdrusses zu überheben und sie schon vorher einer ebenso nützlichen wie bravourösen Beschäftigung zuzuführen.“
Von denen, die leibhaftig dort waren
Die Entbehrungen und Gewinne des sprachlichen Denkens ersetzen tausende Weltreisen und Feldstudien. Nicht dass Karl Kraus die unmittelbare Erfahrung gering schätzen würde, den Beweis ihrer Intensität kann der Autor ja im adäquaten Ausdruck nachliefern. Der Bluff beginnt erst dort, wo sich der Künstler mittels interessanter Themen vor dem eigentlichen Tagwerk und somit der eigentlichen Erfahrung, der Komposition, drückt. „Den Autoren wird jetzt geraten, Erlebnisse zu haben. Es dürfte ihnen nicht helfen. Denn wenn sie erleben müssen, um schaffen zu können, so schaffen sie nicht. Und wenn sie nicht schaffen müssen, um erleben zu können, so erleben sie nicht.“
Der nach wie vor grassierenden Vergötzung des welterfahrenen Reiseschriftstellers hätte Kraus einiges entgegenzusetzen. Wer von seinem Schreibtisch aus die Galaxien der Sprache durchmessen hat, dem sind die fünf Erdteile nur noch Provinzen, und eine Wellnessreise wäre die Durchquerung der Atacamawüste gegen die Höllen und Erlösungen der sprachlichen Gestaltung. Karl Kraus reiste gerne, aber nur um sich von den wahren Abenteuern, die in seinem Schreibzimmer stattfanden, zu erholen, und entgegen der Unterstellung der Askese suchte er im Geschlechtsakt Entspannung von den Ausschweifungen des künstlerischen Schöpfungsaktes. Doch dem Spießer ist schon jeder Teufelskerl und somit irgendwie Künstler, der mehr schnackselt als er selbst, in Kneipen verkehrt, in die er sich nie traut, und mit exotischen Spießern per du ist. Das intellektuelle Spießerbedürfnis nach Authentizität bedient der Kulturmarkt en masse mit literarischen Bosnientagebüchern, Donaureiseimpressionen und „Ich war ganz alleine dort“-Reportagen. „Nach wie vor ist es das fremde Milieu, was sie für Kunst halten“, erkennt Kraus. „In den Dschungeln hat man viel Talent, und das Talent beginnt im Osten etwa bei Bukarest. Der Autor, der fremde Kostüme ausklopft, kommt dem stofflichen Interesse von der denkbar bequemsten Seite bei. Der geistige Leser hat deshalb das denkbar stärkste Misstrauen gegen jene Erzähler, die sich in exotischen Milieus herumtreiben. Der günstigste Fall ist noch, dass sie nicht dort waren; aber die meisten sind leider doch so geartet, dass sie wirklich eine Reise tun müssen.“
Dass geistiger Provinzialismus durch physische Standortveränderung zwingend überwunden würde, ist leider nicht wahr. Vielmehr neigt er dazu, sich mit exotischen Provinzialismen zu verbiedern. Niemand ist dadurch interessanter, dass er viel herumgekommen ist. Es muss in ihm viel herumgekommen sein. Mit seinem Interesse an der Fremde hebt sich der aufgeklärte Spießer vom xenophoben Spießer ab, doch beide bekunden sie, wie fremd ihnen die Welt ist. Denn zwischen dem Großgöpfritzer, der den anderen Großgöpfritzer darum beneidet, in den Salons von Zwettl ein- und auszugehen, und der Bewunderung des Hietzingers für den Balkanexperten und der des Belgraders für den Schulfreund, der sich in den Hindukusch, nach Hietzing oder gar Großgöpfritz wagte, bestehen nur graduelle Unterschiede. Wer die Welt nicht konsumierend, sondern geistig, das heißt schöpferisch – und das heißt immer sprachschöpferisch – durchdrungen hat, dem ist irgendwann nichts mehr fremd außer der befremdliche Missstand geistiger und materieller Not. Nicht die Welt, wie sie woanders ist, sondern wie sie überall sein könnte, reizt den Denker, bei dem Scharfsinn und Ethik gemeinsam auf Reisen gehen. „Die Realität nicht suchen und nicht fliehen, sondern erschaffen und im Zerstören erst recht erschaffen: wie sollte man damit Gehirne beglücken, durch deren Windungen zweimal am Tag der Mist der Welt gekehrt wird.“
Von denen, die viel lesen und viel wissen
Dem Alltagsverstand ist die sprachliche Form bekanntlich nur Ausschmückung des Inhalts, für Kraus verhält es sich genau umgekehrt, und seine Argumente sind schwer von der Hand zu weisen. Nur lächerlich findet er Menschen, die durch Anhäufung von Faktenwissen Intellektualität reklamieren und das auch noch als literarischen Wert behaupten. Dumm sind niemals die Ungebildeten, sondern die, die so was für gescheit halten. „Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen?“, spottet er dem Vielleser und Vielwisser indirekt, für den er auch direktere Aphorismen im Ärmel hat. „Die Bildung hängt an seinem Leib wie ein Kleid an einer Modellpuppe. Bestenfalls sind solche Gelehrte Probiermamsellen der Fortschrittsmode“ und „Der Vielwisser ist oft müde von dem vielen, was er wieder nicht zu denken hatte“ und „Vielwisser dürften in dem Glauben leben, dass es bei der Tischlerarbeit auf die Gewinnung von Hobelspänen ankommt.“
„Ein Bildungskünstler presst die Leckerbissen von zehn Welten in eine Wurst.“ Doch räumt Kraus der Bildung durchaus ihren Wert ein, so sich diese nicht als Eigenwert vor Gedanke und Empfindung drängt und der durch Wissen breitere Horizont nicht nur ausgewalzte Oberfläche ist: „Nun muss gesagt sein, dass diese Art, das Leben zu umschreiben oder um das Leben herumzuschreiben, immerhin einer Anschauung dienen könnte. Diese Umständlichkeit wäre Verkürzung oder die Verkürzung wäre sinnvoll, wenn die für die Dinge gesetzten Chiffren zugleich den Inhalt brächten, der von den Dingen ausgesagt werden soll, oder die Beziehung, in welche die Dinge gestellt werden sollen.“
Als Präzendenzfall, als Mutter aller Bildungshuberei führt Kraus in der „Fackel“ über Jahre hinweg den Berliner Starpublizisten Maximilian Harden vor, dessen gestelzter Bildungsbürgerjargon um 1900 Schule zu machen beginnt. „Man muss nachdenken; das ist eine harte Forderung, meist unerfüllbar. Aber die Forderung, die der Berliner Bildungsornamentiker stellt, ist bloß lächerlich: Man muss Spezialist in allen Fächern sein oder zum Verständnis eines Satzes zehn Bände eines Konversationslexikons wälzen. Der eine schlägt auf den Fels der nüchternsten Prosa, und Gedanken brechen hervor. Der andere schwelgt im Ziergarten seiner Lesefrüchte und in der üppigen Vegetation seiner Tropen. Hätte ich mein Leben damit verbracht, mir die Bildung anzueignen, die jener zu haben vorgibt, ich wüsste vor lauter Hilfsquellen nicht, wie ich mir helfen soll. Ein Kopf, ein Schreibzeug und ein Fremdwörterbuch — wer mehr braucht, hat den Kopf nicht nötig!“
Doch die Ungebildeten ließen sich durch Kraus nicht trösten – Faktenkenntnisse lassen sich aus der Illustrierten ausschneiden wie Gutscheine, denken muss man selbst. Doch Denken dotiert auf dem Markt nicht hoch. Denn schon in der Schule wurde einem eingebläut, dass Wissen Macht bedeute. So sinnlos eine Bildung, die nicht an ein Erkenntnisinteresse, zumindest eine emotionelle Erfahrung geknüpft ist, auch sein mag, die Gesellschaft sanktioniert anders. Faktenbildung, die über den praktischen Nutzen im Berufsleben hinausreicht, bringt zumindest soziales Prestige. Und so sehr Kraus’ Aphorismus zutreffen mag, dass „Bildung (…) eine Krücke“ ist, „mit der der Lahme den Gesunden schlägt, um zu zeigen, dass er auch bei Kräften sei“, so könnte auch stimmen, dass dieser „Gesunde“ schon zum Krüppel deklariert wurde, bevor die Gebildeten ihn zu einem solchen schlagen konnten, vielmehr dass die Gesundheit, für die sie den wahren Denker beneiden, zugleich Krankheit ist, denn die Stärke, aus Liebe zu Denken und Wahrheit auf das zu verzichten, worum jene einzig konkurrieren, nämlich soziales Prestige und materiellen Besitz, muss von ihnen als Schwäche ausgelegt und folglich getögelt werden.
Ob im Kampf um die knappen Ressourcen das ziellose Anhäufen von Bildungsgütern nützt, bleibt allerdings fraglich. Immerhin bietet die Kulturindustrie zur allgemeinen Ergötzung diesen Lumpenintellektuellen die Chance, in der Manege der „Millionenshow“ mit der gleichzeitigen Kenntnis von Pophits, Philosophennamen und Motorersatzteilen nach einzelnen Happen zu schnappen.
16. Juni 2012 | Kategorie: Artikel, Geld oder Leben, Seelenmord, Was ein Mensch wert ist
Hier geht es ums Leben:
Berliner Kurier Freitag, 23. September 2011
Waldorf-Lehrer wegen Kindesmissbrauchs verurteilt.
Ein Pädagoge der miesen Sorte: Den Biedermann gab er in einer Waldorfschule im Märkischen Viertel. 2 0 M a l aber machte er sich in seiner Wohnung an J u n g s r a n . (…) Er ließ seine Verteidigerin reden: „Die Vorwürfe treffen zu.“ Kein Bedauern, aber Jammern über seine Lage in fünf Monaten U-Haft. Alles begann mit Ermittlungen gegen einen mutmaßlichen Kinderschänder -Ring. Pädophile sollen unter dem Deckmantel eines Hilfsvereins Waisenkinder aus Haiti s e x u e l l m i s s b r a u c h t haben.(….) E. ist Englisch-Lehrer seit 43 Jahren, die Waldorfschule hatte ihn nach bekannt werden der Vorwürfe entlassen. Urteil: z w e i J a h r e a u f B e w ä h r u n g und 3000 Euro Buße.
Der Westen – WAZ-Gruppe online 16.3. 2012
Bochum. „Das sind schwere Verbrechen“, sagte Richter Johannes Kirfel im Urteil am Freitag. Seine Strafkammer hatte soeben zwei 19 und 20 Jahre alte Bochumer w e g e n E i n b r u c h s , s c h w e r e r B r a n d s t i f t u n g u n d R a u b e s verurteilt. Der 20 – Jährige bekam d r e i J a h r e und z e h n Monate Jugendstrafe, der 19-Jährige e i n J a h r w e n i g e r. (…)
Wie berichtet, hatten der Lehrling und der Aushilfsarbeiter in der Nacht des 28.11.2011 die Wohnung eines Bekannten im Ehrenfeld aufgebrochen (…) Nachher legten sie in der Wohnung … Feuer. (…) In derselben Nacht zogen die Täter weiter zur Castroper Straße und raubten dort einen anderen Bekannten (26) in seiner Wohnung aus. Der 20-Jährige, damals alkoholisiert, packte das arglose Opfer von hinten mit einer Hand gegen die Stirn und zog mit der anderen Hand ein Messer an seinem Hals entlang. Er soll richtig durchgezogen haben. Weil d i e K l i n g e o f f e n b a r n i c h t s c h a r f w a r, ü b e r l e b t e d a s O p f e r , e r l i t t a b e r ä u ß e r s t t i e f e S c h n i t t – w u n d e n a m O h r . Nach der Messerattacke hatten die Täter d i s k u t i e r t , ob sie d a s O p f e r t ö t e n s o l l e n. Die Staatsanwältin wollte für den Älteren w e g e n d e r M e s s e r – a t t a c k e (…) s e c h s Jahre Haft. D e m f o l g t e n d i e R i c h t e r a b e r n i c h t .
come-on.de 20.03.12
Sexueller Kindesmissbrauch: Halveraner verurteilt
HALVER ▪ Am Ende glaubte das Gericht der 14-jährigen Zeugin und nicht dem Angeklagten: W e g e n s c h w e r e n s e x u e l l e n M i s s b r a u c h s e i n e s K i n d e s , N ö t i g u n g u n d K ö r p e r v e r l e t z u n g v e r u r t e i l t e die erste große Strafkammer des Landgerichts Hagen einen 44-Jährigen aus Halver zu einer Haftstrafe von f ü n f J a h r e n .(…)
Short news 23.04.11 09:11
Ehemaliger DSDS-Kandidat wegen Kindesmissbrauch verurteilt
Vor dem Landgericht Rostock musste sich der 22-jährige Sven B. verantworten. Vor Gericht wurde ihm der Missbrauch eines neunjährigen Mädchens und eines zwölfjährigen Jungen vorgeworfen. Die Taten ereigneten sich im Frühjahr 2010. (…) Der 22-Jährige wurde zu einer Freiheitsstrafe v o n d r e i J a h r e n u n d a c h t M o n a t e n verurteilt.
Bild- online 29.03.2012
Giuseppe M. (23) in den Tod gehetzt U-Bahn-Schläger kommen mit Bewährung davon.
Berlin – Erst prügelten sie, dann hetzte einer der U-Bahn-Schläger den 23-Jährigen Giuseppe M. auf die Straße. Dort wurde der flüchtende Mann von einem Auto erfasst und getötet. Am Donnerstag wurde das Urteil gegen die Gewalttäter gefällt. Für den 21-jährigen Haupttäter hatte die Staatsanwaltschaft viereinhalb Jahre Gefängnis gefordert. Stattdessen bekam Ali T . (21) eine B e w ä h r u n g s s t r a f e v o n z w e i J a h r e n . Der Mitangeklagte Baris B. (22) wurde zu 4 M o n a t e n B e w ä h r u n g verurteilt. Das Urteil lautete auf K ö r p e r v e r – l e t z u n g m i t T o d e s f o l g e .
Soester Anzeiger 30.01.12
Körperverletzung mit Todesfolge bei Abi-Fete in Soest. Dreieinhalb Jahre Haft für Kayahan B.
SOEST ▪ Genau ein Jahr und einen Tag nach der tödlichen Messerattacke im Anno hat das Landgericht einen juristischen Schlussstrich gezogen und den Schüler Kayahan B. wegen K ö r p e r- v e r l e t z u n g m i t T o d e s f o l g e zu einer Jugend-Haftstrafe von d r e i J a h r e n u n d s e c h s M o n a t e n verurteilt.
Jetzt geht es um Geld:
Kölner Stadtanzeiger 23.1.2012 MAMMUTPROZESS
Wiederholungstäter prellt seine Opfer um 2,7 Millionen Euro.
Der Serienbetrüger Ralf J. ist wegen Betrugs in 38 Fällen mit einem Gesamtschaden v o n 2, 7 M i l l i o n e n E u r o z u s i e b e n J a h r e n und z e h n M o n a t e n Gefängnis verurteilt worden.
Die Welt kompakt 28.03.12
Lange Haft für „Netto-Räuber“(…)
Die beiden „Netto-Räuber“ sind am Dienstag in Köln zu hohen Haftstrafen verurteilt worden. Der 38 Jahre alte Haupttäter erhielt unter anderem wegen schweren Raubes und Betrugs a c h t e i n h a l b , sein 40-jähriger Komplize muss für s i e b e n J a h r e ins Gefängnis. Damit ging das Kölner Landgericht noch über d i e F o r d e r u n g d e r S t a a t s a n w a l t s c h a f t h i n a u s . Mehreren traumatisierten Opfern müssen die Täter außerdem bis zu 4000 Euro Schadensersatz zahlen.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die zwei Männer sechs Jahre lang mehr als 30 Discounter und Supermärkte in ganz Deutschland überfallen hatten. Ihre Beute: rund 750 000 Euro.
B.Z. (Berliner Zeitung) 03. April 2012
Brandstifter André H. zündete letztes Jahr 102 Autos an. Nun muss er für 7 Jahre ins Gefängnis.
André H. (28), Berlins schlimmster Hass-Zündler, fackelte im Sommer vergangenen Jahres 102 Luxusautos ab. Aus Neid auf Leute, die reicher sind als er. Aus Geltungssucht. Und aus Liebeskummer. Das Landgericht der Hauptstadt sprach ihn am Dienstag schuldig. Er muss für s i e b e n J a h r e ins Gefängnis.
Die oben aufgelisteten Urteile beweisen nur eines: Geld hat sich das Leben untertan gemacht. Wer sich am Geld vergreift, muss mit härterer Strafe rechnen, als der, der unter Anwendung schlimmster Gewalt mit Leib und Leben anderer spielt, obwohl eines unbestritten bleibt: Auf jedem Missbrauch folgt ein zerstörtes Leben. Das ist nicht in Euro zu beziffern und noch weniger mit Euro oder Haft gutzumachen, woraus bei den Gerichten Ratlosigkeit durch ein Verständnis sich ergänzt sieht, das mit der Milde gegenüber dem Täter sich selbst als Teil einer gewalttätigen Gesellschaft zu exkulpieren versucht, zumal jede Sühne angesichts der seelischen Verletzung immer zu gering erscheinen muss. Der Sühnegedanke unseres Rechtssystems auch einer erzieherisch gedachten Strafe für den Täter verblasst vor dem von ihm vollbrachten Seelenmord. Für Angriffe mit gefährlichen Waffen und schwere Körperverletzung gilt Ähnliches. Alle Tat benötigt einen Täter, der Täter benötigt ein Opfer, und Opfer aber auch Täter erwarten dann so etwas wie Gerechtigkeit in einer Zeit, die körperliche und seelische Unversehrtheit des Anderen für vernachlässigbar und Verantwortungskultur für Schwäche hält. Die Schwelle zur Gewaltanwendung ist dank medialer Gehirnwäsche auf Bagatellniveau. Gewaltbereitschaft und -anwendung ist gerade nicht unabwendbarer gesellschaftlicher Prozess, sondern Folge ständiger Gewöhnung in Wort und Bild bei Tag und bei Nacht. Was geschieht mit einem Zehnjährigen, dem bis zum zwanzigsten Lebensjahr in jedem zweiten Krimi Tritte gegen Kopf und Leib realistisch vorgeführt werden, neben Mord und Totschlag mit unterschiedlichsten Utensilien ? Wie Menschen in unserer Zeit inzwischen mal eben nebenbei mit einem Messer traktiert und dabei oft genug zu Tode gebracht werden, bestürz mich. Werden Messer in unserer Gesellschaft nicht mehr als Mordinstrument wahrgenommen, sondern etwa als Mittel zur Selbstverteidigung? Was unterscheidet einen Revolverschuss von einem Messerstich? Gar nichts! In beiden Fällen muss mit dem Tod des Verletzten gerechnet werden und der Täter nimmt dies billigend in Kauf. Scheinbar sind wir auf dem Wege zu einem Kollektiv von Messerträgern, und Justiz fügt sich ins Vermeidliche, um das Vermeidbare dann zielsicher pejorisierend abzuurteilen. Das ist mit den obigen Urteilen bewiesen, denen man täglich neue hinzufügen könnte, ohne dass es weiterer Erläuterungen bedürfte. Aber wenn der Täter die Tat hinter sich hat, dann ist das Opfer entweder tot oder es hat die Tat vor sich, nämlich im schlimmsten Falle ein Leben lang. Während sich die Justiz, vom Gesetz dazu bestimmt, sich mit dem Täter intensiv befasst, bleibt dem Opfer eben nur diese eine Rolle. Sobald das Voyeuristische des Tathergangs aus dem veröffentlichten Gedächtnis weicht, durch neuerliche Täter/Opfer Geschichten dazu genötigt, ist der Aufschrei im Opfer lange nicht verhallt. Welche Strafe oder Sühne muss hier greifen? Was ist ein Mensch wert? Nicht genug ! Buße tun oder Strafe sollte schon als solche deutlich erkennbar sein. Es kein Privileg allein der Jugendjustiz, Gewaltvergehen für ein Kavaliersdelikt zu halten, indem man mit gehobenem Zeigefinger gesellschaftsimmanente Strömungen mitverantwortlich macht ohne gleichzeitig etwas dagegen unternehmen wollen, beispielsweise durch angemessene Urteile. Der Hinweis auf eine schwere Kindheit – gibt es überhaupt eine Leichte? – oder Alkoholgenuss spielen aus Opfersicht keine Rolle. Vor 2 Jahren wurde ein Freund vor Zeugen vollkommen grundlos in ein Schädeltrauma geschlagen. Die Richterin stellte den Angeklagten im Prozess vor dem dergestalt Opfer zur Rede, dass er hätte jenen ja auch totschlagen können, und er habe noch einmal Glück gehabt, der Täter also. Die Staatsanwaltschaft Köln hatte – dem Anlass offenbar angemessen – einen Referendar geschickt. Das Urteil lautete entsprechend auf sage und schreibe 650 € Geldstrafe. Für das Opfer ein Hohn. Der Stadtanzeiger Köln berichtete konsterniert. An Revision hatte niemand Interesse. Was kann man daraus lernen? Jeder hat zumindest einen Gewaltversuch frei, als Jugendlicher mehrere. Für die Opfer vor allem bei sexueller Gewalt reicht immer schon der Erste. Sollte ich demnächst als Opfer eines Überfalls ein paar Leute erstechen, weil ich vorsichtshalber neuerdings politisch korrekt ein Messer mitführen könnte, darf ich wegen Notwehr mit Freispruch rechnen, es sei es handelte bei den Opfern ich um Richter, Politiker oder Prominenten. Da würde der Staat dann noch mal hellhörig. Aber diese Herrschaften bewegen sich dem Leben entzogen in anderem Umfeld. Ist diese Gesellschaft überhaupt noch satisfaktionsfähig?
04. Juni 2012 | Kategorie: Seelenmord
Kölner Stadtanzeiger
Achtjährige Tochter missbraucht
Urteil Fünfeinhalb Jahre für den tyrannischen Vater
von Harriet Dräcke
Ein Vater von acht Kindern ist vor dem Kölner Landgericht wegen sexuellen Missbrauchs seiner damals achtjährigen Tochter für fünf Jahre und sechs Monate in Haft geschickt worden. der Angeklagte habe „in einem hermetisch abgeschlossenen System geherrscht wie ein Patriarch“ und “ Angst und Schrecken in der Familie verbreitet“, sagte der Vorsitzende Richter. Die heute zwölfjährige Theresa (Name geändert), die wie ihre Geschwister jetzt in einem Heim lebt, habe den Missbrauch trotz erheblicher “ E i n s c h r ä n k u n g e n d e r g e i s t i g e n F ä h i g k e i t e n “ derart “ b r i l l a n t und d e t a i l – r e i c h “ geschildert, dass an der Glaubwürdigkeit für die Kammer kein Zweifel bestand.
Zum Glück lässt der Artikel den Leser über die Detailliertheit der Darstellung im Unklaren, indem er die Einzelheiten zu Recht verschweigt, die einen weiteren Seelenmord beglaubigen. Der Name des vorsitzenden Richters wird nicht genannt, obwohl er einer brillanten und detailreichen Schilderung lauschen durfte, damit das Urteil für eine solche Untat, welche offen lässt, wodurch sich das Kind die geistige Behinderung zugezogen hat, auf nur fünfeinhalb Jahre lauten konnte. Bei guter Führung kann die Strafe für den Täter entsprechend früher ein vorzeitiges Ende finden, trotz der Brillanz und des Detailreichtums der Darstellung, die an der Glaubwürdigkeit des geschundenen Kindes so wenig Zweifel ließen, wie an der Glaubwürdigkeit und den geistigen Fähigkeiten der Kammer angesichts der Wortwahl und des Strafmaßes bleiben. Ich wiederhole:
Es ist an der Zeit, dass sich die Hodenträger aus der Gesetzgebung für männliche Sexualtäter heraushalten und bei der Aburteilung dieser Taten vom Richteramt wegen Befangenheit zurücktreten, vielmehr dies Frauen überlassen, in der zugegeben vagen Hoffnung, dass Würde nicht noch mehr beschädigt und der Seelenmord, den jede Tat dieser Art unstrittig zur Folge hat, als solcher wahrgenommen wird und strafrechtlich im Sinne des Opfers wahrhaft gewürdigt.
Siehe auch http://www.das-rote-heft.de/artikel/was-ein-mensch-wert-ist-von-w-k-nordenham/002523/
27. Mai 2012 | Kategorie: Artikel, Journalisten, Richard Schuberth
Richard Alexander Schuberth ist Schriftsteller – unter anderem – und lebt in Wien. Die Lektüre seiner Schriften sei dem empfohlen, der den Kopf nicht nur als Huthalter oder Frisierobjekt missbraucht. Der Text, dem weitere folgen werden, wird hier mit seiner ausdrücklichen Genehmigung abgedruckt. Er entstammt dem Buch
Richard Schuberth 30 Anstiftungen zum Wiederentdecken von Karl Kraus
238 S. , EUR 24,-
Broschur mit Fadenheftung
ISBN 978-3-85132-531-7, 2008
Was ich will, ist, dass die Presse aufhöre zu sein – Kraus und der Journalismus.Von Richard Schuberth
„Du brauchst nicht mehr zu wissen noch zu denken,
Ein Tagblatt denkt für dich nach deiner Wahl.
Die Weisheit statt zu kaufen steht zu schenken,
Zu kaufen brauchst du nichts als das Journal.“
Franz Grillparzer (aus „Dem internationalen Preßkongreß“)
Auf dem Höhepunkt des bürgerlichen Zeitalters, in der Periode zwischen 1848 und 1914, profiliert sich die Zeitung als Medium der Emanzipation und Bildung. Feuilletonisten und Leitartikler machen den seit der Aufklärung heroisierten Dichtern und Denkern Konkurrenz. Besonders die Ästhetizisten als Künder des ewig Wahren und Schönen wehren sich gegen die Anmaßungen des täglich neu gedruckten und weggeworfenen Worts. Hugo von Hofmannsthal z. B. gefällt es gar nicht, dass auf den „elendsten Zeilenschreiber etwas vom Glanz der Dichterschaft abfällt“. Dem hätte Karl Kraus wohl zugestimmt – und von Hofmannsthal und seinesgleichen gleich den Glanz mit runterpoliert.
Dass Karl Kraus in der „Journaille“, wie er das journalistische Gewerbe nannte, seinen Hauptfeind bekämpfte, ist beinahe eine Untertreibung. Mehr noch war die 1899 gegründete „Fackel“ die unversöhnliche Antithese zur Presse schlechthin, in ihrem Titel schon leuchtet die Doppelbedeutung von Erhellung und Brandlegung auf, jener „Productivkraft schöpferischer Zerstörarbeit“, deren deklariertes Ziel die „Trockenlegung des weiten Phrasensumpfes“ war.
Karl Kraus kannte die Produktionsbedingungen des bürgerlichen Journalismus gut genug, schrieb er doch seit 1892 selbst für die damals wichtigste meinungsbildende Kraft Mitteleuropas, die „Neue Freie Presse“ sowie in der Wochenschrift „Die Wage“. Als das Gerücht, der begabte junge Autor wolle eine eigene Zeitschrift gründen, auch in die Redaktion der „Neuen Freien Presse“ drang, wollte die ihn als Redakteur an sich binden. Karl Kraus’ Selbstbewusstsein war indessen stark genug für die Gewissheit, dass er nicht reif für die „NFP“ sei, sondern diese reif für ihn. Er gründete 1899 die „Fackel“ und formulierte bereits in der Nullnummer sein Programm: „… kein tönendes ‚Was wir bringen’, aber ein ehrliches ‚Was wir umbringen’ hat sie sich als Leitwort gewählt.“
… beim Morgenkaffee plötzlich Daliegendes
Kraus’ Kampf gegen den Journalismus ist ein vielschichtiges Unternehmen und es bedarf profunden Studiums, bis sich einem die disparaten Elemente seiner Kritik als schlüssiges Ganzes offenbaren. Seine Pressekritik beherbergt sprach- und moralkritische, politische, ökonomische und medienphilosophische Aspekte. Diese aber sind so klug ineinander verzahnt, dass jeder Versuch ihrer analytischen Trennung von ihrem Verständnis wegführte. Hier nur der Anflug eines Versuchs, Eckpunkte eines Lebenswerkes zu skizzieren.
Der Sprachverfall ist zugleich Ursache, Folge und Symptom all dessen, was Kraus verabscheut und apokalyptisch überhöht, die Presse sein Brennglas.
Zunächst ist Kraus nur daran gelegen, den Schuster bei seinem Leisten bleiben zu lassen. Als sachlicher Informationsdienst ist ihm die Zeitung durchaus willkommen, eine knappe unprätentiöse Sprache sogar literarisch inspirierend. Störend wird der Journalismus erst, wenn er sich mit dem Anspruch von Objektivität und – schlimmer noch – als Meinungsbildner zwischen den denkenden Menschen und die Wirklichkeit stellt, und ihm die Möglichkeit autonomer Reflexion durch die Fütterung mit dem selbstgerechten Meinungsbrei des Leitartikels abnimmt.
Mit selten einfühlsamer Pädagogik fordert Kraus den Leser zur Mündigkeit auf: „Freundlicher Leser! Der du noch immer die Zeitung für ein von geheimnisvoller Macht Erschaffenes, aus pythischem Munde Weisheit Kündendes, beim Morgenkaffee plötzlich Daliegendes hältst, der du vom Offenbarungsschauer dich angewehet und der Ewigkeit näher fühlst, wenn Löwy oder Müller im Wir-Ton leitartikeln …, werde misstrauisch, und einer von Druckerschwärze fast schon zerfressenen Kultur winkt die Errettung. Lasse den Zeitungsmenschen als Nachrichtenbringer und kommerziellen Vermittler sich ausleben, aber peitsche ihm den frechen Wahn aus, dass er … berufen sei, geistigen Werten die Sanction zu erteilen. Nimm das gedruckte nicht ehrfürchtig für baare Münze! Denn deine Heiligen haben zuvor für das gedruckte Wort baare Münze genommen.“
Schon früh läutet Kraus eine Revolution in der Medienkritik ein. Beschränkte sich diese vor ihm zumeist auf Bildungsdünkel oder Entsetzen über die Verflachung der Sprache, so wirft Kraus sein satirisches Schlaglicht auf die politischen und ökonomischen Bedingungen der Wirklichkeitsproduktion. Und findet seinen Erzfeind nicht in den Pöbelblättern der Deutschnationalen, sondern im vorgeblich kleineren Übel, der liberalen, fortschrittlichen „Neuen Freien Presse“.
Den Schlüssel zur Heuchelei der interesselosen Meinungs- und Faktenfabrikation findet Kraus in den üppigen Inseratenteilen der Zeitungen. Sein Zeitgenosse, der Nationalökonom Karl Bücher definierte die moderne Zeitung als „Erwerbsunternehmen, das Annoncenraum als Ware verkauft, die nur durch einen redaktionellen Teil verkäuflich wird.“ Diese scharfsinnige Spitze mag heute nicht mehr stechen, so selbstverständlich ist die Verabsolutierung kapitalistischer Marktprinzipien geworden.
Auch der „Arbeiter Zeitung“, der er zwischen Wohlwollen und Distanz verbunden blieb, rechnete Kraus früh die Widersprüche zwischen Absicht und Tat auf:
„Aufsehen erregt haben seinerzeit die Artikel der Arbeiter-Zeitung über die ‚Mordschiffe der Donau-Dampfschiffahrt-Gesellschaft’ durch die Kühnheit ihrer Sprache. Seit damals – Herbst 1898 – erscheinen statt der ‚Mordschiffe’ in kleinen Intervallen ‚Mordsinserate der Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft’. (…) Die ‚Mordschiffe’ werden allerdings nicht angegriffen; sie sind zwei Jahre älter geworden.“ Und zeigte mit dieser Sentenz, wie brillant sich das als seicht verschriene satirische Mittel des Kalauers mit einer Sache gegen eine Sache rüsten ließ.
Kraus ging jedoch einen bedeutenden Schritt weiter und wurde nicht müde nachzuweisen, dass der redaktionelle Teil selbst geheimer Umschlagplatz der Warenform ist. Nicht nur dem heuchlerischen Nebeneinander von Geist und Kommerz gilt seine Kritik, sondern der schleichenden Kommerzialisierung des Geistes, die er am Sprachgebrauch diagnostiziert.
Die Presse als Bote, Partei und Ereignis
Damals wie heute wirkt Kraus’ Totalisierung des „Pressunwesens“, ihre Hypostase zur Hauptursache aller gesellschaftlichen Übel, als überspannt, gerade so, als hätte sich ein narzisstischer Kritiker eine freie Nische gefunden, deren Bedeutung er zur Überhöhung der eigenen überhöhen muss.
Wohl ist er sich bewusst, wo die Basis, wo der Überbau ist: „Ich habe die Presse nie als Ursache, sondern immer nur als Wirkung verklagt. (…) Ich weiß schon, dass die Nässe nicht am Regen schuld ist; aber sie informiert mich darüber, dass es regnet.“
Und doch bildet die Nässe Dunst, der aufsteigt, um zu neuen Regenwolken sich zu ballen. Im Frühjahr 1908 nennt der konservative Abgeordnete Gröber die anwesenden Journalisten im deutschen Reichstag „Saubengels“. Aus Protest stellen diese die Berichterstattung über den Reichstag ein, was die vorübergehende Einstellung der parlamentarischen Tätigkeit zur Folge hat. Kraus dazu in der „Fackel“: „Die Öffentlichkeit hat wieder einmal dazugelernt und weiß jetzt, dass die Weltgeschichte aufhören muss, wenn sich’s die Staatsmänner mit den Stenographen verderben.“
Bei Kraus’ Fehde mit der Presse verhält es sich wie bei den anderen Feldern seiner Kritik. Ganz dem Grundsatz gemäß, dass nur die Übertreibung der Realität gerecht wird, lässt ihn sein kritischer Geist, gerade dort, wo er am verschrobensten wirkt und durch keine Sache mehr gedeckt scheint, Mauern vor der Wahrnehmung einreißen, wofür die damalige Wissenschaft und Gesellschaftskritik der Methoden entbehrte. Als erster Mensch der Geschichte formuliert er Zusammenhänge, welche zum wesentlichen Topos der Medien- und Kulturkritik des 20. Jahrhunderts avancieren würden, ohne dass die es ihm je gedankt hätten. Karl Kraus kommt dem Prinzip der Substitution der Wirklichkeit durch die Medien auf die Schliche.
Seinen Zeitgenossen evident wird diese Macht spätestens durch die Rolle der Presse im I. Weltkrieg: Längst nicht mehr ist sie Vollzugsorgan politischer Macht, sondern lenkt die Ereignisse selbst kraft ihrer Deutungshegemonie.
Schon 1909, als ein gewisser Minister Aerenthal der bereits damals kriegsbegeisterten „NFP“ durch den Historiker Friedjung Falschinformationen über eine Verschwörung Kroatiens mit Belgrad zuspielen lässt und somit einen Krieg gegen Serbien vom Zaun brechen will, erkennt Kraus die Omnipotenz der Presse als Wirklichkeitsmanipulator. Er verfolgt diesen Pfad bei der Berichterstattung über die Balkankriege und findet seine anfänglich polemische Position durch die Rolle der Presse im I. Weltkrieg bestätigt:
„ … die Presse ein Bote? Nein, das Ereignis. Eine Rede? Nein, das Leben. Sie erhebt nicht nur den Anspruch, dass die wahren Ereignisse ihre Nachrichten über die Ereignisse seien, sie bewirkt auch diese unheimliche Identität, durch welche immer der Schein entsteht, dass Taten erst berichtet werden, ehe sie zu verrichten sind …“
Hiermit nimmt Karl Kraus, der sich längst nicht auf Sprache beschränkt, sondern Photographie, Reklame und Film in sein Denken mit einbezieht, die größten Leistungen der späteren Kulturindustrie- und Medienkritik vorweg, wie Sigfried Kracauers Analyse der Photographie in den 20er Jahren etwa („In den Illustrierten sieht das Publikum die Welt, an deren Wahrnehmung es die Illustrierten hindern.“), oder Günther Anders’ Analyse des Fernsehens („Am Anfang war die Sendung, für sie geschieht die Welt.“) oder die schwachbrüstigere Medienkritik eines Marshal MacLuhan, weitschichtig auch die Simulakrentheorie von François Baudrillard.
Kraus contra Békessy, Thurnherr und Sperl
Nach dem Krieg sieht sich Kraus einem neuen Typus von Journaille gegenüber: In den Revolverblättern des Erpressers und Medientycoons Imre Békessy wird die idealistische Maske fallen gelassen, auf welche die „NFP“ noch Wert legte, und der Prototyp des populistischen Boulevardjournalismus geschaffen, der auch heute noch den Zeitungsmarkt beherrscht. Die Dramaturgie des folgenden Kampfes nimmt jene des Westerns „High Noon“ vorweg. Dass Békessy mit offenen Karten spielte, Korruption und Lüge als journalistisches Prinzip ehrlich zugab – „Niedertracht unter dem Vorwand der Niedertracht“ –, mag den Dialektiker Kraus sogar amüsiert haben, ehe sich dieser wieder mit dem Ethiker zugesellte und mit den donnernden Worten „Raus mit dem Schuft aus Wien!“ einem Schieberimperium, dem sich Kraus’ alte Feinde wie Felix Salten und Anton Kuh nur zu gerne andienten, den Krieg erklärte. Ein Krieg, den er völlig alleine führen würde. „Ich kenne keine Parteien mehr. Ich kenne nur Feiglinge.“ Zwei Jahre später, 1926, ergriff Békessy die Flucht nach Paris. Einer der wenigen Erfolge, den Satire je gezeitigt haben dürfte.
Wie sehr den Zeitungsintellektuellen unserer Tage die Angst vorm „Fackelkraus“ im Nacken sitzt, beweist die magische Praxis des Zitats. Man zitiert Kraus, weil er nicht mehr lebt – und damit er nicht mehr lebt. Der rituell-magische Charakter des Zitats funktioniert auf zwei Ebenen. Das Krauszitat lässt den Journalisten magisch an dessen geistiger Autorität teilhaben und dient zugleich als Schutzzauber. Wogegen? Gegen Kraus selbst, dessen Geist ja noch immer durch die Redaktionsstuben spuken und die eigenen Texte ihrer ganzen Dürftigkeit überführen könnte.
Die Frage indes, wie Karl Kraus sich zur heutigen Presselandschaft äußern würde, zählt selbst schon zu den automatisierten Phrasen des Feuilletons oder Impulsreferats. Sicher ist, dass er sich nicht mit Peanuts abgeben, sondern seine Kritik erst bei jenen so genannten Qualitätsblättern ansetzen würde, deren vorgebliches Niveau sich hierzulande aus der Distanz zur „Kronen Zeitung“ ableitet. Die Chefredakteure, Leitartikler und Feuilletonisten von, „Presse“, „Profil“, besonders aber „Standard“ und „Falter“, die sich aus Mangel an Alternativen den Lesern als das äußerst Mögliche an kritischem Geist aufdrängen, lebten in ständiger Angst – und Hoffnung, dass sich die Privatwirtschaft ihrer erbarmte, wenn der Redakteurssessel zu heiß würde.
21. Mai 2012 | Kategorie: Annoncen, Artikel, Aus "Die Fackel"
Für „Ein Organ der Intelligenz“ hält sich heutezutage „Die Zeit“. Man kann nicht sagen, dass deren Anzeigen intelligenter geworden wären im Vergleich mit den von Karl Kraus Veröffentlichten. Eigentlich klingen sie genauso direkt und absichtsvoll und haben meist nichts mehr mit Kuppelei zu tun sondern mit eindeutiger Absicht. Noch eindeutiger wird es beim Druckprodukt für den Boulevard. Da bieten Dominas Überstunden an, Edelpuffs für die letzten Wünsche florieren wie nie, und die erforderlichen Organe benötigen nur ausnahmsweise im Vorfeld die Hilfe bescheidener Intelligenz, wenn etwa über den Preis einer zeitlich begrenzten Organspende verhandelt wird.Wie lautete eine treffende Floskel: Alles ist schlechter geworden, nur eines ist besser geworden: die Moral, die ist auch schlechter geworden. W. K. Nordenham
Die Fackel 1927XXIX. JAHR, Heft 759 S. 88-93
Ein Organ der Intelligenz
Das Organ der Herren Hacsak & Herczeg, von sozialdemokratischer Seite wegen des Verdachts der Erpressung verfolgt, hat sich in Wahlzeiten aushilfsweise mit einem Eifer betätigt, dem nur der gute Zweck die Befreiung von den Lasten des Kreuzelparagraphen im Leitartikel sichern konnte. Die Aufgabe der ‚Wiener Allgemeinen Zeitung‘ war es, vornehmlich die Intelligenzkreise, denen sonst mit den Sensationen eines abgehackten Beins, einer Giftmordverleumdung oder anderer publizistischen Alkoholexzesse streitbarer Ritter gedient wird, sozialen Interessen in einem edleren Sinne zugänglich zu machen, die herabzusetzen noch kurz zuvor keine weißgardistische Verleumdung schmutzig genug erschienen war. Ob es derselbe Brillantenschmock ist, der früher rechts geschrieben hat, oder ein neuer, der nur links schreiben kann, jedenfalls war auf demselben Papier nunmehr zu lesen:
Unser Blatt ist nicht dazu da, parteiliche Wahlparolen auszugeben. W i r s i n d e i n O r g a n d e r I n t e l l i g e n z, ein Blatt f r e i e r K ö p f e, die jedem geistigen Zwang und daher auch dem Parteizwang inneres Widerstreben entgegensetzen. Darum unterlassen wir den aussichtslosen Versuch, unsere Leser in einen Parteipferch sperren zu wollen. Wir sagen ihnen nicht, stimmt für diese oder jene Liste, s o n d e r n w i r s a g e n i h n e n e t w a s a n d e r e s.
U n s e r L e s e r k r e i s , das dürfen wir wohl behaupten, umfasst d i e g e i s t i g e E l i t e d i e s e s L a n d e s , jene Bürger, die das stärkste Interesse am öffentlichen Geschehen bekunden und sich mit der publizistischen Hausmannskost des Morgens und Mittags nicht zufrieden geben. Diesen unseren Lesern rufen wir zu: Seht sie euch an, die berühmte Einheitsliste! Seht sie euch an, die Einheitskandidaten von Kink bis Riehl und von Blasel bis Jerzabek! … Das also sind die erhabenen Führer, die leuchtenden Vorbilder bürgerlicher I n t e l l i g e n z ! So sehen sie aus, die Herolde der österreichischen Geistigkeit!
Ohne Zweifel ist die Geistigkeit der genannten Herren keine solche, mit der man einen andern Staat als den österreichischen machen könnte, und selbst dieser Versuch ist ja größtenteils misslungen. Was aber die Intelligenz anlangt, deren eigentliches Organ die ‚Wiener Allgemeine Zeitung‘ ist, so konnte man wahrnehmen, dass jene dem Ruf, der an sie von leitender Stelle erging, noch in derselben Nummer und zwar auf der letzten Seite gehorsamt hat. Denn da finden sich, heute wie täglich, die fast immer intelligenten Herren und Damen zusammen, die, anpassungsfähig bis zum Äußersten, »Gegenpol« suchen, sei es, dass ein sympathischer ernster Künstler streng seriösen Einzelunterricht an Dame im Privatatelier unter »Ars severa« anbietet, sei es das eine sensible oder energische, rassige, jedoch zielbewusste Dame sich als »Domina« offeriert. Die Chiffren, nur den Intelligenzkreisen verständlich, schwanken zwischen »Kallipygos« oder der Umkehrung eines Begattungswortes oder etwa »S. M.«, was aber, wenn ein noch junger, anpassungsfähiger Mann eine energievolle Dame sucht, und zumal in einem den republikanischen Interessen zugewendeten Blatt keineswegs als Ausdruck einer monarchistischen Sehnsucht aufgefasst werden könnte, obschon ein gewisser Drang nach Unterwerfung unverkennbar hervortritt. Nicht minder verständlich, als dass eine energische Dame noch einige Schüler zum Sprachunterricht wünscht, die ihre Methode durch die Chiffre »O. W.« andeutet, oder dass eine routinierte Lehrerin gesucht wird, wobei Energie Bedingung ist und die Offerte demgemäß unter »Strenge Disziplin« erfolgen muss, »da es sich um einen sehr zerstreuten und unaufmerksamen Jungen handelt«. Die Aufmerksamkeit der geistigen Elite zu fesseln dürfte aber insbesondere gelingen, wenn ein »Imperativus« oder eine »Dominatrix« aufmarschiert. Dass da nicht gut Kirschen essen ist, wiewohl es manche gerade wollen, beweisen auch Chiffren wie »Dominiert«, »Dominierend« und »Domination«. Da gibt es große, schlanke Herrennaturen, ja sogar gutsituierte Gentleman-Herrennaturen, von denen man nicht gleich weiß, ob sie Herren- oder Damennaturen sind, weil die Gegensätze ja auch innerhalb des gleichen Geschlechts Ergänzung suchen; es wäre denn, dass ein Intelligenzler solche unter der Chiffre »Gebund en« erwartet oder eine Fesche angibt, sie sei »Noch vom alten Schlag«. So unerbittlich da aber vorgegangen wird, so geht doch auch das Gemüt nicht leer aus, wie der folgende Fall dartut:
31jährige, häusliche, intelligente, gebildete Dame aus der Provinz sucht aus Mangel an Bekanntschaft auf diesem Wege ernste Ehebekanntschaft mit Akademiker, höherem Beamten oder größerem Geschäftsmann. Besitze nach dem Tode meiner Eltern, welche schon in vorgerücktem Alter sind, schöne Villa, welche bei Ehe umgeschrieben wird, nebst schöner Friedensausstattung und Möbel. Nur ernstgemeinte, ausführliche Anträge unter »Häusliches Glück« an die Exp.
Einen noch höheren Grad von Selbstlosigkeit zeigt ein Akademiker, der »Gesonderte Kosten« anbietet, wie auch ein seriöser Herr (Doktor gar), der eine Reisebegleiterin nach Monte Carlo sucht unter »Geteilte Rechnung, gemeinsames Glück«, während ihr wahrscheinlich gemeinsame Rechnung, geteiltes Glück lieber wäre. Hohe Intelligenz ist im Kreise der ‚Wiener Allgemeinen Zeitung‘ oft mit tiefer Gemütsart gepaart. »Redoutenmüde«, ersehnt ein 29jähr. Geistesmensch ein »Coeur en cuirasse«, während andere wieder unter »Apartesse«, »Extraordinaire« »Diskrete Siesta« das Äußerste gewähren oder begehren. Ja, délices inespérés auf einer Reise autour du monde sur une route pavée d’aventures amoureuses verheißt einer unter »Plaisir sensuell«, was will eine mehr? Ich vermute, dass es derselbe Schlankl ist, der, als »Adam« entkleidet, cherche Eve pour gouter fruit défendu, sie soll écrire unter »Delice paradis terrestre«. Er hat jedenfalls die Absicht, sie auszuziehen, sie täte gut zu antworten déjà bien, je viens und die Strafanzeige zu erstatten. Für alle Geschmacksrichtungen ist die ‚Wiener Allgemeine Zeitung‘ tätig. Junge Ausländerin sucht verständnisvolle Freundin, was eine intelligente 30jährige Dame sehr gut verstehen kann und gleichfalls tut. Intelligenzler bevorzugt Blondine, ein andrer, der auch nicht auf den Kopf gefallen ist, versteift sich auf eine Vollschlanke, aber nur Rothaarige, wieder ein anderer will ausgerechnet eine Tizianblonde, wo soll die Allgemeine Zeitung alles das nur hernehmen? Und schon ist wieder ein Intelligenzler da — sie reichen einander die Türklinke —, der will eine, die sehr energisch, aber uneigennützig ist, dagegen lange, reiche Haare hat, er braucht sie als Ergänzung, während ein fester Charakter auf Freundschaft sanftmütigen Gegenpols besteht. Oft aber ist nur Frohsinn und Temperament Bedingung. Die kuriosesten Typen tummeln sich. Man denke nur, ein trink- und wetterfester Wanderkamerad wird unter »Nietzsche« erwartet, ein anderer tuts nicht unter »Eroica«, eine weltfremde, verspielte Seele wünscht älteren Herrn unter »Ruth«, ein Realpolitiker eine »Juno«, aber ohne Bubikopf, eine gebildete Dame ersehnt »Neue Hoffnung«, eine andere bildet sich ein, sie sei ein »rassiger Typ«, ein »Adonis« braucht Geld, ein japanischer Student offeriert sich als »exotischen Menschen«, ein veritabler »Wiking« trägt sich an, daneben gelüstet’s einen nach einem »Naschkatzerl«, und nur wirklich liebes Mädel wird folgerichtig unter »Liebling« begehrt, den wieder ein »fescher, vollwertiger Intelligenzler« Darling nennt. Und zwischendurch die unübersehbare Schar der Sensiblen, zumeist Dreißiger, die die Hauptkundschaft bilden, der Aparten, der Nichtalltäglichen — kurzum, es geht zu wie im G’wölb von Nestroys Weinberl, »plötzlich tritt neues Leben ins Merkantilische — — da kommt ein zartes Wesen um ein’n Bärnzucker, da ein Kuchelbär um ein Rosenöl, da lispelt ein brustdefekter Jüngling: ‚Ein’n Zuckerkandl‘, da schreit ein kräftiger Alter: ‚A Flaschel Schligowitz!‘, da will ein üppiges Wesen ein Halstüchel, da eine Zaundürre Fischbeiner zu ein’m ausg’schnittnen Leibel haben«, da will der eine ein’n Haring und die andre ein’n Kas — in solchen Momenten muss die Allgemeine zeigen, was eine Allgemeine ist: »d’Leut’ z’samm’schrein lass’n, wie s’ wollen, und mit einer ruhigen, ans Unerträgliche grenzenden Gelassenheit eins nach’m andern bedienen.« Ja, wenn alle so anspruchslos wären wie manche. Die wünschen »nur platonische Freundschaft«, was ist denn dabei, ein älterer Herr, schon ganz genügsam, bittet nur um »Ein bisschen Feuer«, einer will ja nichts als was umgekehrt zu lesen ist, ein anderer bloß »gemeinsamen Zeitvertreib«, wiewohl man sich da auch denken kann, was er sich da denkt. Manche verhalten sich direkt zugeknöpft, sind unwirsch und lehnen brüsk ab, was sie wünschen; »Abenteuer ausgeschlossen« ruft eine Dame mit Eigenheim, »Halbwelt ausgeschlossen« erklärt ebensolcher Herr, oder »Halbwelt verbeten« ein Akademiker, allerdings unter der Chiffre »Mulatschak«. Ein Vierziger, der sich nach Kultur und Statur sehnt, tritt schon etwas aus sich heraus, indem er zwinkernd ragt: »Kleine Osterfahrt?«. (Offenbar der Verführer aus Terramares Gedicht, der da lächelt: »Seid’ne Ruh und süßer Wein.«) Sehr schwer zu behandeln dürfte ein Altersgenosse sein, der von vornherein darauf aufmerksam macht, dass er »äußerst pedantischer Wesensart« ist, und unter »Anständig 7« zu seinem Ziel gelangen will. Einer rühmt von sich, er sei mittelgroß und freidenkend, und macht sich damit übertriebene Hoffnungen, während ein mehr Besonnener einer Anpassungsfähigen unter der Chiffre »Vederemo« winkt (»Man wird doch da sehn«). Der Betrieb ist unerhört kompliziert, denn eine schmiegsame Frauennatur soll nur erstklassigst sein, eine Amazone
energisch, eine Eintänzerin unbedingt groß, eine Nichtalltägliche will, dass einer »kein absoluter Verstandesmensch« sei — was im Kreise der Intelligenz doch fast ein Ding der Unmöglichkeit ist —, und zwei große schlanke Jüdinnen suchen Tennispartner »für sofort«. Direkt aufsehenerregend aber ist es, wenn dafür wieder jene Dame, welche Samstag von zwei Herren bis ins Opernkino »verfolgt« wurde, um ein Wiedersehen gebeten wird. Das grenzt schon an Listenwahl! Aber das Organ der Intelligenz, das seinen Lesern keinen Zwang auferlegen will, bleibt seinem Programm doch viel treuer mit einer Parole wie dieser:
I c h w ä h l e 35 bis 45jährige vorurteilsfreie Dame mit Eigenheim. Zuschr. unter »Freie Wahl«.
Und da sie allen Interessen dient, so interveniert die ‚Wiener Allgemeine Zeitung‘ natürlich auch dort, wo das Wahlrecht noch nicht einmal erobert wurde, und offeriert »eine bildschöne, 16jährige Offizierswaise« unter »Unschuld«. Während sich dies und alles andere begibt, arbeitet eine schon routinierte Masseuse ununterbrochen, alles Leben und Treiben begleitend wie die Liliencron’sche Schwalbe, die weglang auf und niederjagt. Dieser junge Gentleman-Masseur dagegen, der heute bis 8 Uhr und zwar in und außer Haus bedient, während er gleich darunter versichert, dass er heute bis 9 Uhr bediene, stiftet Verwirrung. In welchem Grade aber Wien bereits Fremdenstadt geworden ist, ja ein Zentrum raffinierter Sinnenkultur, beweist der Plan eines »Neger- Masseurs«, akademisch gebildet, derzeit Paris, der sich in Wien selbständig machen will und zu diesem Behufe vornehme Klientel unter »Othello« sucht. Erotischer Gipfel in einer Landschaft, in der allabendlich die intelligenten, unabhängigen Damen und die feschen, vollwertigen Intelligenzler lustwandeln, denn intelligent sind sie alle, denen das Organ der Intelligenz hinten dies und vorn etwas anderes sagt.
All dies spielt sich täglich mit einer sympathischen Offenheit ab, die der ‚Allgemeinen Zeitung‘ tatsächlich die geistige Elite dieses Landes gewonnen hat, zum Beispiel mich, der sicherlich weit entfernt von dem Verdacht lebt, den Vertretern welcher Spezialität immer, die da publizistisch versorgt wird, ihre Freude zu missgönnen; von den paar Fällen abgesehn, wo das Inserat als die Keimzelle der Chantage oder des Zuhältertums erkennbar wird. Wahrscheinlich sind es gemeinnützigere Menschen als die Politiker, von denen vorn die Rede ist, und
sicherlich ist die Rubrik, die solchen Reigen täglich mit so herziger Unbefangenheit vorführt, der am besten geschriebene, mit verständlicheren Adjektiven ausgestattete Teil des Organs der Intelligenz. Dass eine Publizistik an der Förderung und Vermittlung lebenswichtiger Angelegenheiten Geld verdient, wäre auch noch nicht der Übel größtes. Dieses ist aber die Heuchelei einer Gesellschaft, die es noch immer erlaubt, dass eine kleine Kupplerin für die Dienste, die sie ihr erweist, bestraft wird und dass die Zeitung, wenn in einem Pensionszimmer sich ein Teil von dem abgespielt hat, was sie täglich propagiert, das dreimal vertagte Hochgericht eines Bezirksrichters zur Sensation macht. Es ist, solange ein elendes Sexualgesetz besteht, das die Verfolgung der Vermittlerin eines straffreien Liebesverkehrs vorsieht, eine der aufreizendsten kriminalistischen Unterlassungen, den Gewinn der Pressekuppelei für legitim zu erklären, ganz abgesehen davon, dass durch diese und nur durch diese auch ein bestehendes Gesetz gegen die öffentliche Unsittlichkeit übertreten wird. Eine andere Frage ist die nach der Kompatibilität der Wahlpropaganda mit der Kuppelei. Wenngleich der Mann, der im Vordertrakt die geistige Elite anzusprechen hat, ein Verwandter des lebenslustigen Altbundeskanzlers Renner sein soll, so ist doch gerade von der offiziellen Sozialdemokratie keine Lockerung der moralischen und gesetzlichen Fesseln des Sexuallebens zu erwarten. (Wenn man etwa an jene polizeiterminologische Begutachtung des Leumunds einer Mutter durch den Professor Tandler denkt oder an den Ausspruch des Dr. Ellenbogen über den italienischen Arrest, wo sich
Räuber, Diebe, Mörder, Päderasten und Leute ähnlichen Kalibers
aufgehalten haben.) Freilich, eine Angelegenheit der Weltanschauung dürfte es für die ‚Wiener Allgemeine Zeitung‘ weder sein, die Intelligenz vorn politisch, noch hinten anders zu befriedigen.
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